Eine detaillierte Untersuchung des Islam
Objektiv über etwas zu schreiben, was so subjektiv ist wie der Glauben oder die Religion, ist eine scheinbar undurchführbare Aufgabe. Immerhin werden die Menschen schon durch die Idee der Religion an sich aufgefordert, ihre Objektivität in einem gewissen Maße aufzugeben und Ideen oder Konzepte zu akzeptieren, die keine rationale Erklärung haben und kaum faktische Grundlagen besitzen. Eines der immanenten Probleme beim Studium der Religion besteht darin, dass das Quellenmaterial nicht als objektiv bezeichnet werden kann, da es entweder von Anhängern des jeweiligen Glaubens geschrieben wurde oder von dessen Kritikern.
Michael Muhammad Knight, der bereits im Alter von fünfzehn Jahren zum Islam konvertierte, hat in einer Reihe von Romanen und Sachbüchern über seine Erforschung des von ihm gewählten Glaubens geschrieben: von afroamerikanischen Ablegern der Religion in "Why I Am A Five Percenter", den Beatniks der 1950er Jahre und ihrer durch Drogen beeinflussten Wahrnehmung des Islam in "William S. Burroughs vs The Qur'an" und allen möglichen Stationen zwischen diesen beiden. In keiner dieser Untersuchungen allerdings liefert er eine so tiefe Analyse der Historie und Grundsätze der Frage, was es bedeutet, ein Muslim zu sein, wie in seinem neuen Buch "Why I Am A Salafi", das bei Soft Skull Press erschienen ist.
Ein überraschender Titel
Aufgrund von Knights Ruf als Inspiration hinter "Taqwacore" (Punk-Islam) und seiner Berichte über den Gebrauch von Drogen zur stärkeren Annäherung an Gott könnte man über den Titel seines Buches erstaunt sein. Immerhin wurden die Salafisten in den letzten Jahren zunehmend mit dem fundamentalistischen Islam gleichgesetzt, und damit mit extremistischen Gruppen. Knights erste Erklärung des Buchtitels ist typisch für seine ikonoklastische Einstellung: Die Salafisten würden heute als außerhalb des religiösen Mainstreams wahrgenommen, und da er immer schon als Außenseiter gesehen wurde, gehöre er vielleicht genau dort hin.
Die Wirklichkeit ist allerdings weit von dieser fast oberflächlichen Erläuterung entfernt. Wie er es erklärt, verlassen sich die Salafisten bei der Suche nach sicheren Quellen über das Leben und die Taten des Propheten auf die ersten drei Generationen des Islam, bekannt als die Gefährten des Propheten Mohammed, die Anhänger dieser Gefährten und die Anhänger dieser Anhänger. Anhand der Beobachtungen dieser ersten drei Generationen wurde das tägliche Leben des Propheten bis ins kleinste Detail in einer umfangreichen Sammlung von Werken beschrieben, die als Hadithe bekannt sind.
Indem er den Grundsatz akzeptiert, dass eine stärkere Nähe zu Mohammed auch zu einer stärkeren Nähe zu seinem gewählten Glauben führt, beschäftigt Knight sich mit dem Hadith, stößt aber schon bald auf ein Problem: Wenn diese Überlieferungen von Mohammeds Leben während dieser ersten drei Generationen mündlich erfolgten, wie akkurat mögen sie dann nach ihrem Weg in die heutige Zeit noch sein? Knight zitiert verschiedene Wissenschaftler und Quellen über all diese Jahre, die solchen Berichten über das Leben des Propheten sowohl zustimmende als auch ablehnende Argumente entgegen bringen – und die alle überzeugend sind. Wie kann man also wissen, was man glauben und was man ablehnen soll?
Nachdem Knight durch eine gründliche Analyse der Hadithe mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen wird, nimmt er uns mit auf eine Reise durch seine persönlichen Quellen: die Bücher und Schriften, die zu seiner Konvertierung geführt und seine Meinung über den Islam geprägt haben. Seine Ressourcen waren so vielfältig wie "Die Autobiographie des Malcolm X" (das Buch, das ihn zur Konvertierung brachte), eine Übersetzung des Korans und verschiedene Texte darüber, was es bedeutet, ein Muslim zu sein.
Als er zwanzig Jahre später auf diese Bücher zurückblickt, erkennt er nicht nur, dass sie von Menschen geschrieben wurden, die nicht objektiv waren – sogar die Übersetzung des Korans ins Englische war eine Interpretation – sondern auch, dass er selbst persönliche Prägungen mitbrachte, die den Muslim, der er wurde, mit gestaltet haben.
Detaillierte Untersuchung des Glaubens
Wenn man ein Buch wie dieses zusammenfasst, kann man dem Inhalt wahrscheinlich nicht so gerecht werden, wie es das Werk eigentlich verdient hätte. Den Umfang von Knights Forschungen und Gedanken darzustellen, ohne das Thema ebenfalls in vergleichbarer Tiefe auszuloten, ist fast unmöglich.
Vielleicht sind die Details aber gar nicht so wichtig wie die Tatsache, dass er sich bemüht hat, diese Arbeit zu leisten. Manche mögen seine Hinterfragung der Wahrheit verschiedener Texte als Mangel an Glauben betrachten, auch wenn tatsächlich das Gegenteil der Fall ist. Seine Beschreibung dessen, wie es sich anfühlt, in einer Moschee zu beten, oder wie ihn manche Textstellen im Koran zum Weinen bringen können, sollten jeden Zweifel an der Tiefe und Ernsthaftigkeit seines Glaubens ausräumen.
Für diejenigen, denen Knights frühere Werke mit ihrer flüssigen, direkten und spontanen Erzählweise bekannt sind, kann "Why I Am A Salafi" etwas Umgewöhnung erfordern. Während er uns durch seine Dekonstruktionen, die soziale und politische Geschichte des Islams und den Auf- und Abstieg unterschiedlicher Doktrinen führt, ist das Tempo seiner Schreibweise viel langsamer. Ebenso geht er bei seiner sorgfältigen Untersuchung der Entstehung des Islam in den Vereinigten Staaten vor.
Allerdings scheint er von Zeit zu Zeit vor den Hindernissen zurück zu schrecken, die die akademischen Prinzipien der Forschung seinem Schreiben auferlegen. Man könnte dies für den Ausdruck einer merkwürdigen Spaltung seiner Persönlichkeit halten, aber die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Über den größten Teil des Buches hinweg versucht er, seinen Glauben zu intellektualisieren, aber dann beweist er sich selbst und seinen Lesern, dass Religion und Glauben nichts sind, was man dekonstruieren kann. Zwar können Texte analysiert und ihre Geschichte diskutiert werden, aber für den Glauben sind sie lediglich eine Grundlage oder ein Ausgangspunkt.
Das Wunderbare an diesem Buch und Knights schriftstellerischem Schaffen ist, dass sich seine Stimme nie verändert. Ob er die unterschiedlichen Arten untersucht, auf die ein arabisches Wort ins Englische übersetzt werden kann und wie dies die Bedeutung eines Textes verändert, oder ob er über eine durch Drogen verursachte Halluzination schreibt, immer kann man die gesamte Person "hören". Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass man für die Aufnahme und Reflektion von Teilen dieses Buches Zeit braucht, hätte doch niemand außer Knight überhaupt so zugänglich darüber schreiben können. Auf artikulierte und leidenschaftliche Weise stellt er wissenschaftliche Inhalte nicht trocken dar, sondern macht sie sogar für Nicht-Muslime interessant.
Auch wenn "Why I Am A Salafi" die im Titel gestellte Frage nicht so beantwortet, wie man zunächst erwarten könnte, und auch wenn manche der Antwort entschieden widersprechen würden, sollte dieses Buch von jedem gelesen werden, der ein Interesse an Religion im Allgemeinen hat und ein besseres Verständnis des Islams gewinnen möchte. Dies ist wahrscheinlich das bis jetzt ausgefeilteste Werk von Knight, da es nicht nur seine persönliche Untersuchung seines gewählten Glaubens fortführt, sondern dies auf eine Art tut, die viele der in den letzten Jahren aufgetauchten Falschannahmen über den Islam beseitigt.
Richard Marcus
© Qantara.de 2015
Übersetzt aus Englischen von Harald Eckhoff