Bands aus Iran und Israel vereint
Das Projekt "The Secret Handshake", für das die beiden Bands eine Crowdfunding-Kampagne im Netz gestartet haben, könnte die iranischen Indie-Rocker von "Langtunes" ins Gefängnis bringen. Die vier Musiker leben und arbeiten in Teheran. In der iranischen Hauptstadt ist es nach wie vor verboten, westliche Musik zu produzieren oder öffentlich zu spielen. Die Band kann deshalb nur im Ausland auf Tournee gehen: 2012 waren sie auf Schnuppertour in Deutschland und Istanbul. Indiesounds, englische Texte, Gitarrenriffs - "Langtunes" machen globale Rockmusik. Ihre Fans finden sie deshalb auch schon längst im Netz.
Zusammen mit der israelischen Band "Ramzailech" ist "Langtunes" gerade auf außergewöhnlicher Tournee: Mit einem Konzert in Leipzig ging es los, es folgten Auftritte in Hamburg und Berlin. In Frankfurt werden beide Gruppen am 3. Dezember zu sehen sein. 13 Konzerte spielen die beiden Bands insgesamt - sie verstehen das als Friedensprojekt und nennen es humorvoll "The Secret Handshake". Gemeinsame Songs gibt es zwar (noch) nicht - man denke darüber nach, heißt es - "Ramzailech" und "Langtunes" teilen aber schon jetzt Bühne und Publikum.
Mit ihrem "Hardcore-Klezmer" - jiddische Texte und ein gewagter Mix aus traditionellem Klezmer, Punk und Rock'n'Roll - kommen "Ramzailech" sehr gut beim Publikum an. "Es wurde sehr, sehr viel getanzt", berichtet Tourmanagerin Elnaz Amiraslani.
Die Genese des jiddischen Bandnamens ist übrigens ziemlich kompliziert. Hebräisch schreibt man nämlich von rechts nach links. Es kann also schon mal passieren, dass man das jiddische Wort "Klezmer" aus Versehen verkehrtherum liest. Wenn man sich dann auch noch auf der Tastatur vertippt, dann kommt man irgendwann bei "Ramzailech" heraus.
Heimlicher Händedruck der Freundschaft
Beide Bands spielen schnell, orientalisch und virtuos - das gefällt auch dem deutschen Publikum. Völkerverbindung über Musik statt politischer Feindschaft - das ist die Idee der Musiker. Sie wollen ihre Konzerte als Impuls für einen friedvolleren Umgang verstanden wissen - nicht nur ihrer Heimatländer.
Noch im August 2015 hatte das iranische Kultusministerium entschieden: Ein Konzert mit Stardirigent Daniel Barenboim werde es in Teheran nicht geben. Man werde nicht mit israelischen Künstlern zusammenarbeiten, hieß es offiziell. Die "Langtunes" sehen das anders: "Wir waren von Anfang an eine Untergrundband, da muss man gewisse Regeln brechen", erzählt Sänger Behrooz.
Musikalisch kommen die beiden Bands aus ganz unterschiedlichen Welten und Fankulturen, beide jedoch aus dem Nahen und Mittleren Osten. Das verbinde, meint Behrooz: "Abgesehen von unserer Religion sind wir nicht so verschieden. Ich würde sagen, dass wir viel mehr gemeinsam haben als zum Beispiel mit den Deutschen." Beide Bands verstehen sich als globale Künstler, die miteinander Spaß haben wollten, betont er: "Unsere Verbindung ist rein musikalisch und kulturell. Darin sehen wir nichts Politisches."
Auf der Bühne klappe das Ganze erstaunlich harmonisch, berichtet Projektmanagerin Elmaz Almiraslan, selbst Iranerin, vom Konzert in Leipzig. Sie organisiert nicht nur die interkulturelle Konzerttour, sondern betreibt auch ein Musiklabel in Deutschland. Für die erste professionelle Produktion der Band hatte sie "Langtunes" ins Studio eingeladen, Ende 2014 wurde dann die erste Platte veröffentlicht.
In ihrem Heimatland wäre das nicht möglich gewesen: "Im Iran gibt es Kulturbehörden, bei denen man für so ziemlich jede öffentliche Aktivität eine Genehmigung braucht - ob es Auftritte sind, Studioanmietungen oder Aufträge zur Produktion", erklärt Amiraslan.
Friedenstour durch Deutschland
Zufällig war die israelische Klezmerband "Ramzailech" bereits 2014 schon einmal auf Konzertreise in Deutschland. Man traf sich auf einem Festival in Nürnberg backstage und tauschte sich aus. Die Idee für ein gemeinsames Projekt wurde geboren - für mehr Frieden und Völkerverständigung. "Wir haben uns gefragt: Warum bündeln wir das nicht, was wir machen, um ein Zeichen zu setzen und Kulturen miteinander zu verbinden, anstatt uns gegeneinander aufzuhetzen", erklärt Kulturmanagerin Amiraslani.
Die israelischen Musiker waren sich allerdings der Risikolage ihrer iranischen Kollegen schnell bewusst, erzählt Sänger Gal Klein: "Wir würden die Tour sofort absagen, wenn wir müssten. Die Sicherheit einer jeden Person ist uns am wichtigsten. In Israel reden wir nicht darüber und versuchen, uns bedeckt zu halten."
Für "Langtunes" sieht Sänger Behrooz da weniger ein Problem: "Für uns zählt das nicht. Solange wir Musik machen können, müssen wir uns den möglichen Folgen auch stellen. Die Angst ist da - aber das hält uns nicht davon ab, aufzutreten."
Das größte Problem war die Finanzierung des Projektes: Immerhin mussten für neun Musiker Reise-Auslagen, Hotels und die erheblichen Kosten für die Anmietung der Bühnentechnik in Deutschland aufgebracht werden. Die Musiker aus dem Iran konnten schließlich nicht einfach mit ihrem Equipment und den Instrumenten am Flughafen in Teheran einchecken. 30.000 Euro wurden veranschlagt.
Das Crowdfunding-Projekt sei zwar auf enormes Interesse im Netz gestoßen, erzählt Tourmanagerin Elnaz Amiraslani. Trotzdem hätten sich letztendlich nicht genügend Sponsoren für eine konkrete finanzielle Unterstützung entschieden. Die Reisekosten müssen die Bands daher jetzt selbst tragen.
Doch das hielt die Musiker nicht von ihrem Vorhaben ab. Ihre Netzkampagne auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo sorgt auch auf anderer Ebene für grenzüberschreitenden Kulturaustausch: Wer spendet, kann sich neben Freikarten für ein Konzert auch einen iranisch-israelischen Kochabend oder ein persönliches Wohnzimmer-Konzert für zu Hause wünschen.
Heike Mund
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