Von der Konfliktlösung zum Konfliktmanagement

Ein dauerhafter Waffenstillstand ist die wichtigste Bedingung für Fortschritte im Friedensprozess, erklärte auf einer international besetzten Nahost-Konferenz in Berlin Bundespräsident Johannes Rau. Peter Philipp berichtet

Ein dauerhafter Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern ist die wichtigste Bedingung für Fortschritte im Friedensprozess, erklärte auf einer international besetzten Nahost-Konferenz in Berlin Bundespräsident Johannes Rau. Peter Philipp berichtet

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Yossi Beilin und Yasser Abed Rabbo auf der Berliner Konferenz

​​Es sei vielleicht angebracht, im Nahen Osten von der Versuchen einer "Konfliktlösung" zunächst einmal für eine gewisse Zeit zu einem "Konflikt-Management" überzugehen. Der Jerusalemer Politologe Yosef Bar Siman Tov ist jedenfalls überzeugt, dass Israelis und Palästinenser in der gegenwärtigen Situation kaum aus eigener Kraft zu vernünftigen Friedensverhandlungen zurückkehren können.

Zunächst müsse eine Phase der Beruhigung eintreten, in der die Gewalt möglichst weit reduziert und wieder gegenseitiges Vertrauen aufgebaut wird. Erst dann könne man sich daran machen, den Konflikt zu lösen.

Bar Siman Tov war einer der Teilnehmer an einer ungewöhnlichen Konferenz, die Mitte Juni in Berlin die Möglichkeiten erörterte, den Nahen Osten wieder auf Friedenskurs zu bringen. Ungewöhnlich, weil unter der Schirmherrschaft des noch amtierenden Bundespräsidenten Johannes Rau sowohl die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung als auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung als Gastgeber fungierten und die politischen Stiftungen der Grünen wie auch der FDP ebenfalls beteiligt waren.

"Wie geht es weiter?" Über dieses Thema setzten sich israelische und palästinensische Politiker, politische Aktivisten und Wissenschaftler auseinander – unter ihnen der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak, PLO-Führungsmitglied Yasser Abed Rabbo und der ehemalige israelische Minister Yossi Beilin – der gemeinsam mit Rabbo die "Genfer Initiative" ins Leben gerufen hat.

Das Ziel ist klar, aber nicht der Weg

Die Konferenzteilnehmer mussten rasch feststellen: Es mangelt nicht an Vorschlägen über die Art einer Friedenslösung, aber es fehlen überzeugende Vorschläge, wie man dorthin gelangen kann. Da gibt es die "road map" des Quartetts von USA, UNO, EU und Russland, da gibt es die "Genfer Initiative" und auch den Plan eines einseitigen israelischen Rückzuges aus Gaza.

Viele Rezepte, aber keine Lösung. Dies meint auch Mustafa Barghouti, Arzt, politischer Aktivist und Direktor der "Palästinensischen National-Initiative". Barghouti warnt vor allem, dass die Zeit davonlaufe.

"Ich glaube, innerhalb sehr kurzer Zeit – wenn die Welt nicht eingreift und Israel unter Druck setzt – werden wir sehen, dass die Zweistaaten-Lösung unmöglich geworden sein wird, Frieden auf der Grundlage zweier Staaten. Denn Israel annektiert praktisch mehr als die Hälfte der Westbank und wandelt den Rest in Ghettos und Bantustans um."

Die Welt müsse helfen. Das meint auch Bundespräsident Rau. Er sieht in der Arbeit des Nahost-Quartetts eine wichtige Aufgabe, wobei dieses "Quartett" sich freilich an das Lied halten solle, das es zusammen komponiert habe. Natürlich müsse es "einen geben, der die erste Geige spielt" – gemeint sind die USA – aber dies bedeute nicht, dass er "sein eigenes Lied spielen" könne. Rau wünscht sich eine engere Zusammenarbeit mit den Konfliktparteien, vor allem auch ein stärkeres europäisches Engagement.

Europa leidet unter Realitätsverlust

Der Jerusalemer Politologe Shlomo Avineri ist dagegeb viel skeptischer. Er unterscheidet zwischen "Gesinnungsethik" und "Verantwortungsethik" und schlägt die Europäer der ersten Kategorie zu: In den letzten zehn Jahren habe Europa "einen Fehler nach dem anderen" gemacht – im ehemaligen Jugoslawien wie auch in Zypern – und bevor Europa dem Nahen Osten sage, wie er seinen Konflikt lösen solle, möge es doch erst einmal seine eigenen Konflikte lösen. Avineri schränkt aber ein: Hilfe von außen – auch von den USA – setze voraus, dass es einen politischen Lösungsweg gebe. Gebe es ihn nicht, dann könne man nicht helfen.

Mustafa Barghouti hofft mehr auf Hilfe von den Europäern: Sie sollten den Palästinensern beim Aufbau einer Demokratie helfen und sie sollten sich Israel gegenüber mehr für Recht und Gerechtigkeit einsetzen. Barghouti sieht aber auch Fehler auf der eigenen Seite:

"Natürlich. Ein großer Fehler auf palästinensischer Seite war die Militarisierung der Intifada. Das war ein großer Fehler und er wurde von Israel ausgenutzt. Ich bin jetzt aber sehr froh, dass die Anschläge seit dem 23. Februar aufgehört haben. Ungeachtet der Tatsache, dass Israel seine Politik der Ermordung und der ethnischen Säuberungen in Rafah fortsetzt und die Zerstörung von Häusern, halten sich die Palästinenser zurück. Und das ist gut für uns."

Peter Philipp

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