Zwischen allen Stühlen
Präsident Pervez Musharraf hat sich wegen seiner zweifelhaften innenpolitischen Bündnisse viele Feinde gemacht - was zuletzt erneut im Konflikt um die Rote Moschee deutlich wurde. Über den wachsenden Vertrauensverlust in Musharrafs politische Führung berichtet Thomas Bärthlein.
Es waren nachdenkliche Töne, die Präsident Musharraf in seiner Fernsehansprache an die Bevölkerung am vergangenen Donnerstag, am Tag nach dem Ende der Militäroperation gegen die Rote Moschee in Islamabad, anschlug.
Es sei kein Moment des Triumphes, sagte der in Zivil gekleidete Militärherrscher, sondern ein Tag der Trauer. "Jetzt ist die Zeit, wo wir nachdenken und in uns gehen müssen", so Musharraf, "was wollen wir als Pakistaner tun – mit uns selbst, unserem Land, mit unserer Religion?"
Kein neuerlicher Versuch, alles auf die Amerikaner zu schieben, wie etwa nach dem 11. September 2001. Die Drohungen aus Washington damals hat Musharraf noch kürzlich in seiner Autobiografie festgehalten.
Starke Worte gegen Terroristen
Dieses Mal jedoch fand Musharraf starke Worte gegen Terroristen und ihren Missbrauch der Religion – und darin konnte er sich zumindest mit der Mehrheit der Pakistaner einig wissen. Zu größeren Protesten gegen die Militäraktion kam es in den Metropolen des Landes bisher nicht.
Anschließend versprach er ein entschiedenes Durchgreifen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten besonders in dem an Afghanistan angrenzenden Nordwesten sowie mehr Reformen in den Koranschulen des Landes.
Die Frage ist nur: Wer glaubt das diesem Präsidenten noch? Die Liberalen in Pakistan tun das schon lange nicht mehr. Sie weisen darauf hin, dass das Militär seit den Tagen von Diktator Zia ul-Haq und dem Guerilla-Krieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan noch stets die militanten Islamisten, die "Dschihadis", für seine Zwecke eingespannt habe.
Verbindungen zwischen Armee und Mullahs
Die Leiterin der unabhängigen pakistanischen Menschenrechtskommission, Asma Jehangir, meint, dass die Verbindung zwischen der Armee und den Mullahs stark ausgeprägt sei und sehr lange zurückreiche:
"Nach dem Vorfall mit der Roten Moschee mögen die Mullahs die Botschaft bekommen haben: Macht unsere Arbeit und tut, was wir Euch sagen, so lange ist alles in Ordnung. Wenn Ihr allerdings ein bisschen darüber hinausgeht, dann geht es euch schlecht!"
Die größere Bedrohung für Musharraf geht zurzeit von der Zivilgesellschaft und der bürgerlichen Opposition aus, die ihm vorwirft, dass er den Obersten Richter eigenmächtig abgesetzt hat – vermutlich um seine Wiederwahl im Herbst zu sichern. Seit Monaten wird dagegen demonstriert, und das mobilisiert weitaus mehr Menschen als die Stürmung der Roten Moschee.
Entschlossenheit im Kampf gegen die Extremisten hilft Musharraf an dieser Front auch nicht mehr viel, meint der pakistanische Journalist Nusrat Javed: "Eine Weile lang wird das die Botschaft vermitteln, dass sie es dieses Mal wohl ernst meinen und das Thema Extremismus angehen wollen", so Javed, "aber was seine Person angeht, so denke ich, dass er seine Glaubwürdigkeit verloren hat.
Verprellte Verbündete
Der Pakistan-Experte Husain Haqqani von der Boston University glaubt, dass Musharraf sich mit seiner bislang bewährten Taktik, alle Gegner gegeneinander auszuspielen, diesmal zwischen alle Stühle gesetzt hat:
"Das pakistanische Militär hat fast alle wichtigen Kräfte im Land verprellt: Die Islamisten hassen General Musharraf, weil sie ihn als Handlanger der Amerikaner sehen. Die Liberalen, weil sie ihn für einen Diktator halten. Die Belutschen hassen ihn, weil er ihren Anführer Nawab Akbar Bugti getötet hat und die Paschtunen, weil er die Armee in ihren Stammesgebieten einsetzt", so Haqqani.
Auch im Ausland hat Pervez Musharraf lange nicht mehr eine so schlechte Presse gehabt wie in diesen Tagen nach der Belagerung und Erstürmung der Roten Moschee. Die Kommentare in den deutschen Zeitungen waren beispielsweise durchweg negativ.
Festhalten an der Macht
Während das beim wichtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten, noch anders aussieht und zumindest die Bush-Regierung noch auf das Bündnis mit dem General setzt, mehren sich jedoch auch in Washington die Stimmen, die freie Wahlen und Demokratie für Pakistan fordern.
Musharraf, so ein seit langem kursierender Kompromiss-Vorschlag, könnte sich ja auch mit der Ex-Premierministerin Benazir Bhutto arrangieren und die Macht mit ihr teilen.
Husain Haqqani bezweifelt allerdings, dass der General die Zeichen der Zeit erkennt: "Ich sehe Musharraf sich mit allen Mitteln – fairen wie unfairen – an die Macht klammern. Und dadurch wird die Sicherheitslage im Land und die Stabilität sicher noch deutlich mehr unter Druck geraten als bisher!"
Thomas Bärthlein
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
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