Der späte Sieg der Justiz
Nach heftigen Protesten der Opposition hat die Regierung in Islamabad nachgegeben und angekündigt, den Obersten Richter Iftikhar Chaudhry schon bald wieder in sein Amt einzusetzen. Musharraf-Nachfolger Asif Ali Zardari hatte im Wahlkampf versprochen, Chaudhry wiedereinzusetzen, dieses Versprechen allerdings nicht eingelöst. Grahame Lucas kommentiert.
Dramatischer konnte das Einlenken der Regierung in Pakistan nicht sein. Am frühen Montag morgen (16.3.) kündigte Premierminister Yousuf Raza Gilani im Fernsehen an, dass Islamabad den Obersten Richter Iftikhar Chaudhry und die anderen abgesetzten Richter in ihre Ämter wieder einführen werde.
Damit ist die Krise, die seit den Wahlen im Februar 2008 die Innenpolitik in Pakistan beherrscht, zunächst entschärft, aber nicht beendet.
Die Entscheidung ist ein Triumph für die Zivilgesellschaft in Pakistan. Die demokratischen Kräfte des Landes sehen in Chaudhry ein Symbol für den Widerstand gegen die militärische Herrschaft General Pervez Musharrafs seit 1999, die erst 2008 friedlich zu Ende ging.
Historischer Sieg der demokratischen Kräfte
Auch für die Tausenden Anwälte des Landes, die seit Monaten immer wieder für eine unabhängige Justiz auf die Straße gegangen sind, ist das Ende des Machtkampfes mit dem Präsidenten ein historischer Sieg. Die Rückkehr zur Demokratie war für sie ohne den Obersten Richter, der Musharraf getrotzt hat und die Verfassung verteidigt hat, unvollendet und dadurch undenkbar.
Wenn Präsident Zardari der Verlierer ist, so ist Oppositionsführer Nawaz Sharif der eindeutige Sieger. Er war es, der eine Koalition mit der Pakistanischen Volkspartei der Bhuttos platzen ließ, weil der Witwer Benazirs sich weigerte, Chaudhry wiedereinzusetzen.
Sharif, der mehrfach von der Regierung in Islamabad in den vergangenen Monaten schikaniert wurde und am letzten Sonntag sogar unter Hausarrest gestellt wurde, geht aus der Krise eindeutig gestärkt hervor.
Punktsieg für Sharif
Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei PML-N demonstrierte seine neue Autorität und sagte die weiteren Proteste - einschließlich dem sogenannten langen Marsch der Opposition aus allen Landesteilen nach Islamabad - schließlich ab.
Die Frage ist erlaubt, warum Zardari es auf einen Machtkampf ankommen ließ, um ihn dann so kläglich zu verlieren. Sicher ist, dass er die Lage falsch eingeschätzt hat.
Ursprünglich hat er nach seinem großen Wahlsieg im Februar 2008 – durch seine große Mehrheit im Parlament geblendet - zweifelsohne geglaubt, Sharif in die neue demokratische Regierung zu locken und einzubinden.
Dabei hat er den Zorn der Menschen unterschätzt, die die Zivilgesellschaft in Pakistan weiter stärken wollen und eine Rückkehr zur Demokratie nur als ersten Schritt zur Stärkung der Institutionen wie der Justiz sehen.
Diesen Druck hat die Partei des Präsidenten und dadurch Zardari selber in den vergangenen Monaten, vor allem in der bevölkerungsreichsten Provinz Punjab zunehmend zu spüren bekommen.
Darüber hinaus gibt es nicht wenige, die den Grund für die Haltung des Präsidenten in der Vergangenheit suchen: Zardari stand bereits in den 90er unter Anklage wegen Korruption.
Der "Mister Zehn-Prozent"
In der Amtszeit seiner Frau als Premierministerin wurde er als "Mister Zehn-Prozent" verspottet. Die Anschuldigungen wies er stets zurück, nur der Verdacht blieb, dass der Oberste Richter den Fall neu aufrollen würde, falls er ins Amt zurück kehrt. Eine Antwort ist Chaudhry schuldig geblieben.
Der wichtigste Grund für die Kehrtwende dürfte aber in Washington liegen. Dort in der Obama-Regierung und im Kongress, wo über die Finanzhilfe für Pakistan in Milliardenhöhe entschieden wird, ist man über die innenpolitische Lage in der Nuklearmacht zutiefst besorgt.
Washington wolle endlich Taten gegen die aufständischen Talibankämpfer im Nordwesten Pakistans sehen, hieß es aus den USA. Eine Reihe von Abgesandten der Obama-Regierung und anderer westlichen Regierungen haben in den letzten Wochen der Regierung Zardari klar gemacht, dass der Kampf gegen die Islamisten im Nordwesten des Landes Priorität haben müsse.
Drohender Pyrrhussieg
Vor diesem Hintergrund habe der Westen kein Verständnis für die innenpolitische Auseinandersetzung mit den demokratischen Kräften des Landes.
In Pakistan feiert das Volk nun den Sieg. Doch am Ende könnte es ein Pyrrhussieg sein. Der demokratisch gewählte Präsident Zardari ist vorgeführt worden und politisch geschwächt, hat aber eine große Mehrheit im Parlament und kann sich zunächst an der Macht halten.
Viel wird jetzt also darauf ankommen, ob Nawaz Sharif, der große Sieger in der Innenpolitik, sich der Regierung Zardari im Sinne der nationalen Einheit nun anschließt oder eine weitere Destabilisierung seines Gegners Zardari anstrebt. Man wünscht sich die erste Variante, befürchte allerdings die zweite.
Grahame Lucas
© Deutsche Welle 2009
Grahame Lucas ist Redaktionsleiter des Südasien-Programms der Deutschen Welle.
Qantara.de
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