Das Schattendasein der Arbeitsgruppen

Die meisten Themen der zweiten Islamkonferenz handelten nicht vom Islam, sondern von Integration und Bildung. Über die Differenz der medialen Darstellung und der tatsächlichen Themen der Konferenz berichtet die Teilnehmerin Sabine Schiffer.

Sabine Schiffer; Foto: privat
Sabine Schiffer ist Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe "Medien und Wirtschaft als Brücke" bei der Islamkonferenz.

​​Das Phänomen ist bekannt: In den Medien wird ein Sachverhalt ganz anders dargestellt, als man ihn selbst erlebt hat. So geschehen bei der Berichterstattung über die so genannte "zweite Islamkonferenz".

Dieses Bankett mit offiziellem Charakter konnte leicht über die Arbeit der einzelnen Arbeitsgruppen hinwegtäuschen. Diese Arbeitsgruppen treffen sich seit November 2006 alle zwei Monate - etwa auch die Arbeitsgruppe 3 "Medien und Wirtschaft als Brücke". Diese wurde inzwischen geteilt, seit April 2007 werden die Themenfelder Medien und Wirtschaft separat verhandelt.

Die Sitzungen waren zu lang, die Beiträge zu vielfältig, die Ergebnisse zu unspezifisch. Dabei habe ich als Teilnehmende dieser Arbeitsgruppe viel gelernt aus dem Bereich der Wirtschaft und auch darüber hinaus.

Kein Thema in den Medien: Normalität

In nur einem Tag erhielt ich mehr Informationen über die Ausbildungssituation jugendlicher Migranten, über türkische Unternehmer und über die Wirkung europäischer Bildungssysteme auf die Integration im jeweiligen Land, als mir als aufmerksame Medienbeobachterin je begegnet ist.

Und diese Erfahrung spiegelt gleichzeitig das Problem unserer medialen "Islam"-Repräsentation wider: Es werden nur wenige brisante Themen behandelt, während viele andere Themen und vor allem das Normale ausgeblendet bleiben. So banal, so fatal.

Dass damit ein verzerrtes Bild entsteht, das geeignet ist, Ressentiments zu schüren, ist keine neue Erkenntnis der so genannten Islamkonferenz.

So genannt darum, weil ein Hauptergebnis aller bisherigen Sitzungen folgende Erkenntnis ist: Die meisten Themen sind keine "islamischen", sondern gerade im Bildungs- und integrationspolitischen Bereich stehen für bestimmte Entwicklungen soziale Faktoren im Vordergrund, und diese betreffen in gleicher Weise auch andere Gruppierungen.

Konkrete Befunde in der Medienfrage

Lediglich in Bezug auf die Medienfrage gab es konkretere Befunde. Während der Anteil der Medienvertreter mit Migrationshintergrund in der Arbeitsgruppe überproportional ist im Vergleich zu ihrem Einfluss in Deutschland und zu den anwesenden Medienvertretern deutscher Print-Redaktionen und Sendeanstalten, ergaben sich eigentlich für beide Vertretergruppen völlig unterschiedliche Aufgabenstellungen.

Dr. Sabine Schiffer
ist Kommunikations-wissenschaftlerin und Medienpädagogin. Außerdem leitet sie das "Institut für Medien-verantwortung" in Erlangen.
Auf der einen Seite ging es um die Frage, wie man die so genannte Mehrheitsgesellschaft differenzierter aufklären könne, auf der anderen darum, wie man in die so genannte Minderheitengesellschaft hinein versöhnlicher wirken könne.

Denn das Fazit der vorliegenden Untersuchungen war einhellig: Aus den Angst machenden Auslandsthemen und der reflexartigen Verknüpfung der Felder "Islam" und "Gewalt" ist ein großes Missverständnis in Bezug auf Islam und Muslime im Allgemeinen und den vor Ort lebenden Muslimen im Besonderen entstanden. Dies verstärkt Abgrenzungstendenzen auf allen Seiten.

Wie man hier Verallgemeinerungstendenzen entgehen kann, ohne tatsächliche Problemfelder schönzureden, wurde und wird konstruktiv von allen Beteiligten diskutiert.

Migranten in den Mediendiskurs einbringen

Als weitere Fragestellung ergab sich darüber hinaus: Wie können multikulturell aufgewachsene Medienschaffende ihre Erfahrungen in den öffentlichen Diskurs einbringen? Vielfalt ist hier das Stichwort, und es bestand schnell Einigkeit, dass sich diese nicht nur in Bezug auf Personen, sondern auch in Bezug auf Themenstellungen zeigen müsse, wie es teilweise ja auch schon geschieht.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass durch die gut gemeinte, aber letztlich irreführende Themenstellung der Islamkonferenz – wie bereits erwähnt, die meisten Themen haben sich als nicht islamspezifisch erwiesen – nicht der Eindruck erweckt wird, für Muslime oder den Islam seien andere Verfahrensweisen – medialer - Präsentation erforderlich als in Bezug auf andere Themen.

Es wurde immer wieder deutlich, dass auch unbewusst ganz massive Diskriminierungen im politischen wie im medialen Diskurs vorliegen, die in Bezug auf andere Gruppen nicht akzeptiert werden. Einsprüche etwa in Bezug auf antisemitische Darstellungen, frauenfeindliche Exzesse oder Ablehnung wegen sexueller Orientierung fallen nicht nur eher auf, ihnen wird in der Regel auch stattgegeben.

Wenn dies in Bezug auf die Diskreditierung des Islam ebenso gelingt, ist nicht nur eine fairere Ausgangslage erreicht – auch die Bereitschaft zur Selbstkritik auf allen Seiten wird dadurch gestärkt. Es geht also um die Gleichbehandlung von Islam und Muslimen, nicht um eine Sonderstellung.

Unterschiedliche muslimische Stimmen

Diskussionsstränge wie die Idee einer "besonderen Rücksichtnahme" werden sich damit ebenso erübrigen wie die einer "besonderen Gefährdung".

Es gibt überall verschiedene Meinungen, und das war bei den Teilnehmern der Konferenz nicht anders. Von muslimischer Seite waren die Stimmen aus den Kreisen islamischer Verbände ebenso unterschiedlich wie die aus den Kreisen nicht organisierter oder dezidiert säkularer Muslime.

Auch auf Seiten der konsultierten Wissenschaftler sowie der Medienvertreter wurden diverse und sehr differenzierte Positionen deutlich, die sich in der Zusammenschau gut ergänzen.

Auch wenn es bisher nicht gelungen ist, wirklich alle entscheidungsrelevanten Medienvertreter an den Tisch zu bekommen, so werden doch die Signale ihre Wirkung zeigen. Und vielleicht fließen diese Signale dann in die Diskussionen um Minderheitendarstellungen in den Medien allgemein ein, wo sie eigentlich hingehören und wo alle von den Erfahrungen der jeweils anderen Gruppe profitieren können.

Die wirklich relevante Frage um die Integration des Islam auf anerkannter Ebene in unserer Gesellschaft, also die Frage um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft oder als Körperschaft des öffentlichen Rechts, spielte in unserer Arbeitsgruppe keine Rolle.

Aber auch hier könnte man von den Erfahrungen aus anderen Bereichen lernen – etwa der Verleihung dieses Körperschaftsstatus' für eine jüdische Einheitsgemeinde, die keine theologische Einigung voraussetzte und die die Schaffung der Verwaltungseinheit "Zentralrat der Juden" beförderte.

Hier bedarf es eines politischen Willens von allen Seiten, damit die gesamte Islamkonferenz nicht zu einer Schaumschlägerei wird – denn in den Sog ihres Scheiterns würden auch die guten Ergebnisse einzelner Arbeitsgruppen gerissen.

Sabine Schiffer

© Qantara.de 2007

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