"Es gibt eine europäische Verantwortung gegenüber Afrika"
Vertreter der Regierung in Khartum und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee hatten im Januar dieses Jahres formal ein Ende des mehr als 20-jährigen Bürgerkriegs beschlossen. Das Dokument sieht eine gemeinsame Regierung für den ganzen Sudan vor, aber auch eine Regionalregierung für den Süden.
Der Konflikt in Darfur jedoch war kein Thema der Verhandlungen. Die Region, so groß wie Frankreich, in der seit 2003 etwa zwei Millionen Bewohner vertrieben wurden und bis zu 180.000 Menschen ums Leben gekommen sind, kann jedoch nicht ausgeklammert werden, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber:
"Es ist vollkommen berechtigt und notwendig, dass wir in der gegenwärtigen Situation die besorgniserregende und bedrückende Situation in Darfur vor Augen haben, öffentlich zur Diskussion stellen und auf Maßnahmen dringen, die zu einem Ende der Bürgerkriegssituation in Darfur führen."
Bei dem Konflikt zwischen dem überwiegend islamischen Norden und dem vorwiegend christlichen Süden handelt es sich, so Huber, ebenso wenig wie in Darfur um religiös motivierte Auseinandersetzungen. Die Konflikte rührten vielmehr daher, dass eine Elite in Khartum die Reichtümer des Landes für sich ausbeuten wolle.
Zudem gebe es eine ethnische Komponente. Der Ratsvorsitzende der EKD rief alle Konfliktparteien dazu auf, die Kämpfe umgehend zu beenden. Das Gelingen des Friedensprozesses sei nicht nur für die Bedingungen im Süden ausschlaggebend, sondern für die Zukunfts- und Friedensfähigkeit des Landes insgesamt.
Huber war zusammen mit einer neunköpfigen Delegation durch den Sudan gereist und hatte Nothilfeprojekte und kirchliche Gemeinden besucht und sich dabei über die Situation im Land informiert:
"Wir haben versucht, so intensiv wie möglich die Lebenssituation im Sudan wahrzunehmen, insbesondere die Situation der so genannten 'Internally Displaced Persons' (IDP), also derjenigen Menschen, die durch Bürgerkrieg aus ihrer Heimat vertrieben sind und in Lagern unter äußerst belasteten Bedingungen und zum Teil in erschreckender Armut mit einem erschreckenden Mangel an Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung leben - das haben wir sowohl im Umfeld von Khartum als auch im Umfeld der südsudanesischen Hauptstadt Juba gesehen."
Religionsfreiheit nicht überall gewährleistet
Als die große Aufgabe bezeichnete Huber die Repatriierung der Flüchtlinge. Zwar gebe es kaum genaue Zahlen aber Schätzungen gehen von 4 Millionen Flüchtlingen während des bisherigen Bürgerkriegs aus. Hinzu kämen 2 Millionen weitere Flüchtlinge durch den Krieg in Darfur. Das sei ein Bevölkerungsanteil von rund 15 Prozent - ganz gleich ob sie in die Nachbarländer geflohen seien oder innerhalb des Sudan ihren Wohnsitz aufgeben mussten.
Huber sprach von Größenordnungen, wie wir sie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hätten. Als besonders wichtigen Gesichtspunkt während der Reise bezeichnete der EKD-Ratsvorsitzende die Frage der Menschenrechte und der Religionsfreiheit:
"Die Menschenrechtsverletzungen, die mit den Bürgerkriegssituationen verbunden sind, stehen vor Augen. Die Frage der Religionsfreiheit ist dabei für uns ein zentrales Thema. Der Sudan ist in gewisser Weise auch in den rechtlichen Strukturen gespalten zwischen einer Region, in der die Scharia gilt, mit einem nicht geklärten Sonderstatus der Hauptstadt Khartum und einer Südregion mit einem großen Anteil von Christen, in denen die Scharia nicht gilt. Wir können mit Sicherheit sagen, dass das Ausmaß der Gewährleistung von Religionsfreiheit im Süden höher ist als im Norden."
Jedenfalls habe er feststellen müssen, so Huber, dass die Christen im Norden des Sudan keineswegs gleichberechtigt seien, obwohl sie das nach Aussagen der Friedensvereinbarung sein sollten. Man sei konfrontiert worden mit Berichten von inhaftierten Frauen nach den Regeln der Scharia, aber auch über das Niederbrennen eines lutherischen Gotteshauses.
Kirchen sollen sich aktiv einbringen
Bischof Huber sprach von der Hoffnung, dass die Kirchen zu einem Prozess der Versöhnung beitrügen. Sie seien in der ganzen Zeit Teil des Konflikts gewesen und müssten nun einen konstruktiven Beitrag zum notwendigen Transformationsprozess leisten:
"Dazu brauchen sie auch die eigenen Instrumente. Der 'Sudan Council of Churches' muss sich selber neu organisieren. Es ist unausweichlich, dass wir als Kirchen in Deutschland versuchen, ihm dabei zu helfen, denn das muss die Grundaussage sein: Es gibt keine Alternative zu diesem Friedensprozess. Es gibt keine Alternative dazu, dass die Kirchen sich in diesen Friedensprozess aktiv einbringen, in der Hilfe für Menschen in Not, im Aufbau von tragfähigen Strukturen dessen, was man mit einem sehr hochgestochenen Ausdruck 'Zivilgesellschaft' nennt, in einem Beitrag dazu, dass Gewalt vermieden werden kann im Umgang mit politischen Konflikten."
Der Evangelische Entwicklungsdienst und das kirchliche Hilfswerk 'Brot für die Welt' sind im Sudan engagiert. In Oslo hat sich die Staatengemeinschaft, so der EKD-Vorsitzende Huber, auf eine kräftige staatliche Unterstützung des Friedensprozesses im Sudan verabredet.
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kontakt@qantara.de Man warte nun im Sudan darauf, dass die Selbstverpflichtungen, die in Oslo eingegangen wurden, auch tatsächlich umgesetzt werden. Daher wandte sich Bischof Huber auch an die Bundesregierung:
"Unser Appell auch an die neue Bundesregierung besteht darin, dass der Sudan sowohl entwicklungspolitisch als auch außenpolitisch die notwendige Aufmerksamkeit findet. In diesem Zusammenhang freue ich mich darüber, dass Ministerin Wieczorek-Zeul ausdrücklich erklärt hat, dass die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit Südsudan wieder aufnimmt, mit einem Startbetrag von 10 Millionen Euro für einen internationalen Fonds damit beginnt. Sie hat das mit der Aussage verbunden 'Ehe nicht das Morden in Darfur ein Ende nimmt, kann an eine staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit dem Norden des Landes überhaupt nicht gedacht werden.'"
Bischof Huber ist fest davon überzeugt, dass es eine spezifische europäische Verantwortung gegenüber dem afrikanischen Kontinent gibt. Europa müsse dazu beitragen, dass Afrika ein Kontinent mit Zukunft werde.
Sabine Ripperger
DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005
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