Die Internetpolizei vom Nil

Obwohl die ägyptische Regierung die Ausbreitung des Internets anfangs förderte, ist das neue Medium heute vielen staatlichen Ordnungshütern ein Dorn im Auge. Zensur und Verbote von Webseiten sind keine Seltenheit mehr.

Obwohl die ägyptische Regierung die Ausbreitung des Internets anfangs förderte, ist das neue Medium heute vielen staatlichen Ordnungshütern ein Dorn im Auge. Zensur und Verbote von Webseiten sind keine Seltenheit mehr, wie Nelly Youssef aus Kairo berichtet.

Internetcafé in Kairo, Foto: AP
Trügerische Freiheit - vor allem in ärmeren Gebieten, in denen sich die Bevölkerung keinen Computer leisten kann, werden Internetcafés staatlich überwacht

​​Seit dem Aufkommen des Internets in Ägypten ab Mitte der 90er Jahre unterstütze die ägyptische Regierung zunächst dessen Verbreitung durch verschiedene Maßnahmen, so durch die Kampagne "kostenloses Internet", die im Januar 2002 anlief, oder durch das Projekt "Computer für alle", durch das viele Familien die Möglichkeit zur Anschaffung eines PC's in Raten erhielten.

Gewiss spiegeln solche Kampagnen den seriösen Wunsch einiger Entscheidungsträger innerhalb der ägyptischen Regierung wider, der auf die Erhöhung der Zahl der Internetnutzer abzielt, um die Errungenschaften des digitalen Zeitalters in entwicklungs- und wirtschaftspolitischen Bereichen für das Land zu nutzen.

Ägyptens Internetpolizei

So recht würdigen mag man diese Bemühungen aber nicht, werden sie doch getrübt durch die Restriktionen von Teilen der Regierung. Denn seit 2001 geht die ägyptische Polizei gegen etliche Internetnutzer vor.

Vor ein paar Jahren wurde zur Kontrolle des Internets sogar eine neue Verwaltungseinheit geschaffen. Sie untersteht der Behörde für Informationswesen und heißt "Behörde zur Verbrechensbekämpfung im Bereich Computer und Internet". Ägyptische Vertreter des Rechts auf freie Meinungsäußerung nennen die Einrichtung "Internetpolizei".

Gamal Id ist Leiter der Nichtregierungsorganisation "Arabisches Informationsnetz für Menschenrechte", die für die Verbreitung von Informationen via Internet eintritt und Journalisten im Bereich der Printmedien und des Internets unterstützt.

Er bezeichnet die Zensur von Internetbeiträgen in Ägypten, wenn auch weniger einschneidend als in Tunesien oder Saudi-Arabien, als Schandfleck einer Regierung, deren Ministerpräsident, Ahmad Nazif, ursprünglich aus dem Bereich der Telekommunikation und Informationsverarbeitung kommt.

Verbot oppositioneller Webseiten

Zu den häufigsten Mitteln der ägyptischen Internet-Zensoren gehört das Stilllegen ganzer Internetsites, die der Regierung nicht gefallen. So blieb die Site der Muslimbrüder www.ikhwanonline.com monatelang verboten. Das Verbot wurde jüngst allerdings aufgehoben, da man feststellen musste, dass die Muslimbruderschaft kurzerhand elf neue Sites ins Netz gestellt hatte.

Abd al-Galil al-Sharnubi, Chefredakteur der Webseite der Muslimbrüder, klagte wegen des Verbots des Internetauftritts seiner Organisation während des gesamten Jahres 2004 vor dem Staatsrat ("Madjlis al-Dawla") gegen Ministerpräsident Ahmad Nazif.

Al-Sharnubis Klage schlossen sich Amer Abdulmonem, Chefredakteur der Site der Tageszeitung al-Shaab, einem Sprachrohr der nicht mehr agierenden Arbeiter-Partei (www.alshaab.com), und Ahmad Haridi, Herausgeber der Webseite von al-Methaq al-Arabi (www.almethaqalaraby.net), an, da auch ihre Internetseiten verboten wurden.

Die Kläger verlangen die Aufhebung des Verbots ihrer Online-Nachrichtenmagazine. Sie sehen darin eine eindeutige Verletzung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung.

"Al-Methaq al-Arabi" ist inzwischen wieder online, doch der Internet-Auftritt der Zeitung "al-Shaab" ist nach wie vor gesperrt. Allerdings kann man die Seite innerhalb Ägyptens über einen so genannten Proxy-Server aufrufen.

Überwachter E-Mail-Verkehr

Ebenfalls eine Einschränkung der Persönlichkeits- und der Menschenrechte stellt die Überwachung von E-Mail-Verkehr dar. Häufig geschieht die Überwachung der Nutzer dieses Kommunikationsmediums ohne Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft, was eindeutig einen Eingriff in die Privatsphäre und eine Verletzung der Menschenrechte darstellt.

Die Überwachung führte bislang zur Beschuldigung und Verhaftung etlicher Personen. 2003 wurde beispielsweise Ashraf Ibrahim verhaftet, da man aufgrund seines E-Mail-Verkehrs vermutete, er gehöre einer linksgerichteten Organisation an.

Er sende Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Ägypten ins Ausland, womit er das Ansehen des Landes beschmutze, so der Vorwurf. Da es der Internetpolizei jedoch nicht gelang, die Anschuldigungen nachzuweisen, ließ man die Anklage schließlich fallen.

Ein anderer Fall ist die Verhaftung des Ingenieurs Salah Hashim, der beschuldigt wurde, zu den Gründern der Organisation "al-Gama'a al-Islamiyya" zu gehören, da er einige E-Mails mit islamistischen Führern im Ausland gewechselt hatte.

Bekannt wurde auch der Fall des Internet-Experten Shahdi Naguib Surur. Der Sohn des verstorbenen Dichters Naguib Surur wurde am 30. Januar 2002 verhaftet und zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Während des Berufungsverfahrens reiste Shahdi Naguib Surur, der die russische Staatsbürgerschaft besitzt, nach Russland, um den Verlauf des Urteils abzuwarten.

Surur wurde beschuldigt, ein Dokument seines Vaters ins Internet gestellt zu haben, das angeblich das allgemeine Sittlichkeitsgefühl verletze. Tatsächlich geht es hierbei wohl eher um die darin enthaltene Kritik an der ägyptischen Politik.

Solcherlei Fälle sind Neuland für die ägyptische Gesellschaft. Die Richter haben große Schwierigkeiten damit, da noch keine eindeutige Gesetzeslage geschaffen wurde. Erschwerend kommt hinzu – so sieht es jedenfalls Gamal Id – dass die meisten Personen, die sich juristisch mit diesen Fällen beschäftigen, kaum vertraut sind im Umgang mit Computer und Internet.

"Internet-Fallen" für Homosexuelle

Die ägyptische Polizei stellt Homosexuellen im Internet manchmal Fallen, die mit einer Inhaftierung enden. Human Rights Watch berichtet, dass zwischen 2001 und 2003 mindestens 46 Ägypter verhaftet und wegen unzüchtigen Verhaltens verurteilt wurden, nachdem die Polizei sie in eine "Internet-Falle" gelockt hatte.

Dies geschieht, indem Lockvögel in Chatrooms mit den Betroffenen Freundschaft schließen und sich nach einiger Zeit mit ihnen verabreden. Während dieses Treffens findet die Verhaftung, unter dem Vorwurf unzüchtigen Verhaltens, statt.

Das Ard-Zentrum für Menschenrechte betont, moralische Bedenklichkeit dürfe nicht als Argument für Zensur und Beschneidung des Rechts der Ägypter auf Informationsaustausch und das Schließen von Bekanntschaften missbraucht werden. Alles, was den freien Informationsaustausch bedrohe, ganz gleich, wie man dies zu rechtfertigen versuche, sei Einhalt zu gebieten, so die Organisation.

Das Zentrum will sich dafür einsetzen, dass das Internet allen Bürgern sowie nationalen und regionalen Einrichtungen offen steht, damit Informationen und Ideen ungehindert kursieren können.

Trügerische Freiheit in Internetcafés

Bezeichnenderweise erstreckt sich die staatliche Überwachung auch auf eine Vielzahl von Internetcafés, die in Ägypten eröffnet wurden – besonders in ärmeren Gebieten, wo die Einwohner sich keinen eigenen Computer leisten können.

Die ägyptische Polizei bedient sich dort Methoden, die ungesetzlich sind und von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen verurteilt werden. Die Polizei verlangt von den Internetcafébetreibern, die persönlichen Angaben und die Nummer des Ausweises aller Nutzer zu registrieren. Dabei werden sie mitunter sogar zu der Behauptung angehalten, dies geschähe im Zuge einer Verlosung von Preisen.

Die Polizei beauftragt die Internetcafébetreiber auch dazu, die Internetnutzer zu beobachten und es sogleich zu melden, wenn jemand eine Webseite besucht, deren Inhalt in irgendeiner Weise politisch, religiös oder sexuell geartet ist.

Häufig sehen sich die Betreiber daher gezwungen, falsche Namen und Nummern in die Registrierungsformulare einzutragen, um einerseits die Polizei zufrieden zu stellen und andererseits ihre Kunden nicht zu vergraulen.

Dass dadurch die Gefahr polizeilicher Willkür besteht, liegt auf der Hand. Vielfach nehmen Polizisten Bestechungsgelder von Internetcafébesitzern entgegen, die so die Schließung ihres Cafés unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand verhindern.

Forderung nach verbindlichem Internet-Gesetz

Neuerdings werden sogar Weblogs überwacht. Vor zwei Monaten wurde erstmalig ein Student verhaftet, der Beiträge für ein Weblog schrieb. Darin ging es um seine kritischen Äußerungen über das Verhalten einiger Muslime in einer Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Christen: In einer Kirche in Alexandria war ein Theaterstück aufgeführt worden, in denen die Muslime eine Diffamierung ihrer Religion sahen.

Die Initiative "Rechtshilfe für Menschenrechte" wandte sich daraufhin an den Staatsanwalt und verlangte eine Stellungnahme zur Verhaftung des Studenten. Anschließend wurde er 14 Tage nach seiner Verhaftung freigelassen. Tariq Khatir, der Leiter der Initiative, betonte, die Verhaftung des Studenten sei nicht mit dem Gesetz und der Verfassung des ägyptischen Staates vereinbar und verstoße auch gegen internationale Abkommen.

Eine Menge ägyptischer Organisationen, die für die Verbesserung der Rechtslage streiten, fordern die Schaffung von Gesetzen und Richtlinien für das neue Medium Internet in Ägypten. Die meisten Regelungen, die bisher eingebracht wurden, drehen sich um den Urheberschutz für geistiges Eigentum, um Raubkopien von Programmen oder den Schutz der Rechte von Mitarbeitern der IT-Branche.

Bis jetzt wurde in Ägypten jedoch noch kein ausgereifter Gesetzesvorschlag eingebracht, der den Freiheitsaspekt betont und Regelungen festlegt, wie mit Meinungsäußerungen im Internet umzugehen ist. So lange ein solches Gesetz fehlt, stehen weiteren Übergriffen durch Zensoren und Polizei Tür und Tor offen.

Nelly Youssef

Aus dem Arabischen von Stefanie Gsell

© 2005 Qantara.de

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