Was erwartet Indien von der neuen Regierung?
Bei den umstrittenen Parlamentswahlen in Pakistan am 8. Februar konnte keine Partei eine klare Mehrheit erringen. Als Folge daraus haben sich zwei große politischen Parteien darüber verständigt, die Macht unter sich aufzuteilen.
Die von der Armee unterstützte Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) will unter der Duldung der Pakistan People's Party (PPP) eine Regierung, die auch mehrere kleinere Parteien einschließen soll. Die Zeit drängt. Bis spätestens Ende des Monats muss die konstituierende Parlamentssitzung stattfinden, auf der eine neue Regierung gebildet wird.
PML-N und PPP wollen Shehbaz Sharif, den jüngeren Bruder des einflussreichen PML-Politikers Nawaz Sharif, wieder als Premier ins Amt hieven. Asif Ali Zardari von der PPP, Ehemann der ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, soll Präsident werden; er hat jedoch nur repräsentative Aufgaben. Er gehört nicht der Regierung an und hat nur begrenzte Befugnisse.
Eine schwache und instabile Regierung
Seit vier Jahren herrscht Eiszeit zwischen Pakistan und Indien seit vier Jahren, wegen Kaschmir und wegen des grenzüberschreitenden Terrorismus. Die indische Regierung, die die Wahlen genau beobachtet hat, ist der Meinung, dass die neue Mehrparteienkoalition angesichts ihrer Zusammensetzung und der Vorwürfe von Wahlfälschung "instabil und schwach" sein werde.
"Es sieht so aus, dass das pakistanische Militär endlich das erreichen konnte, was es wollte - nämlich eine schwache und gefügige Koalition, die von Parteien angeführt wird, die es in der Regierung sehen will", sagte ein hochrangiger Sicherheitsbeamter der indischen Regierung im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW). Er wollte allerdings anonym bleiben.
Zweifelhafte Wahlen
Die Autorität der Armee und ihres Chefs General Asim Munir werde aber dadurch beeinträchtigt, dass die Anhänger des inhaftierten Ex-Premiers Imran Khan die meisten Sitze im Parlament gewannen, meinten andere Beamte hinter vorgehaltener Hand. Khans Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) war von den Wahlen ausgeschlossen worden. Deren Kandidaten waren bei den Wahlen als Unabhängige angetreten.
Ajay Bisaria, Ex-Sonderbeauftragter Indiens für Pakistan-Angelegenheiten, will sich keine Illusionen machen. Indien ziehe es vor, Pakistan so zu betrachten, wie es ist, und nicht so, wie es sein sollte.
In diesem Zusammenhang sei es auch unwahrscheinlich, dass die indische Regierung Vorwürfe der Wahlfälschungen in Pakistan kommentieren werde, auch wenn es für die Kommentatoren klar sei, dass die Wahl in einer zutiefst zweifelhaften Art und Weise durchgeführt und von der Armee gesteuert worden sei.
Eine schwache Regierung nach der nächsten
Bisaria wurde 2019 von Pakistan ausgewiesen. Es war das erste Mal, dass ein indischer Sonderbeauftragter aufgefordert wurde, Pakistan zu verlassen. Heute sagt er, dass eine Hauptsorge für Indien bleiben werde. "Es kommt jetzt darauf an, ob die nächste schwache Regierung Pakistans in der Lage sein wird, den grenzüberschreitenden Terrorismus zu bekämpfen."
"Die Armee in Pakistan wird die Indienpolitik bestimmen. Jede zivile Regierung wird beim gegenwärtigen Stand der Dinge nur ein marginales Mitspracherecht in der Indienpolitik haben", sagt Bisaria, fügt aber hinzu, die Gebrüder Sharif hätten "eindeutig eine bessere Erfolgsbilanz bei der Kontaktaufnahme mit Indien als Imran Khan in dessen dreijährigen PTI-Regierung".
Neue Beziehungen zu Indien?
Der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif hatte in der Vergangenheit die Annäherung an Indien gesucht und sich seit seiner Rückkehr aus dem Exil sich bereits mehrmals versöhnlich geäußert. "Wir werden bessere Beziehungen zu unseren Nachbarn haben", sagte Sharif in einer indirekten Botschaft an Indien während der Auszählung der Stimmen.
T C A Raghavan, Ex-Botschafter Indiens in Pakistan und Südasien-Experte, sagt, die jetzige Situation mit einem zersplitterten Mandat deute aber darauf hin, dass sich Pakistan weiterhin weitgehend mit sich selbst beschäftigen und darum kämpfen werde, einen Konsens über politisch heikle Reformen zu erzielen. Neu-Delhi erwarte daher keine neue Dynamik in den Beziehungen, insbesondere wenn sich die derzeitige Koalition zerstreiten könnte.
Raghavan weist jedoch darauf hin, dass es in den indisch-pakistanischen Beziehungen immer an Vorhersehbarkeit mangele und das Unerwartete bei bilateralen Entwicklungen niemals ausgeschlossen werden dürfe.
Streitfall Kaschmir
Auch Shanthie Mariet D'Souza von der US-University of Massachusetts Amherst vertritt die Meinung, dass das pakistanische Militär auch künftig den Ton angeben werde. Pakistan werde zwar seit 2008 zivil regiert, die Armee gelteaber weiterhin als Strippenzieher im
Hintergrund.
"In der Geschichte Pakistans hat es noch nie eine starke zivile Regierung gegeben. Und das erklärt, warum der indisch-pakistanische Friedensprozess nie richtig in Gang gekommen ist", sagt Politologin und Gastprofessorin für öffentliche Verwaltung D'Souza im Gespräch mit der DW. Trotz Sharifs früherer den Frieden befürwortenden Haltung könne er ohne die Zustimmung des pakistanischen Militärs wenig voranbringen, befürchtet D'Souza.
"Es bestehen Zweifel, diese Haltung durchzuziehen, da jede Geste aus Islamabad, die Frieden bringen soll, damit beginnen müsste, seine Positionen zu Kaschmir zu ändern, was die Vormachtstellung des pakistanischen Militärs in der Politik des Landes kippen könnte", fügte D'Souza hinzu.
Auch angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen in Indien im April/Mai, die wahrscheinlich eine dritte Amtszeit von Premierminister Narendra Modi einleiten werden, stehe eher nicht zu erwarten, dass es zu einer signifikanten Änderung der Politik Neu-Delhis gegenüber Pakistan kommen wird.
Murali Krishnan
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand
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