Klimakrise trifft Baumwollanbau
Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Pakistans lebt von der Landwirtschaft. Laut dem amtlichen Pakistan Economic Survey für das Finanzjahr 2020/21 erwirtschaftet diese 19,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Textilsektor ist laut der Erhebung der Anbau von Baumwolle unverzichtbar, auch wenn diese nur rund 0,6 Prozent zum BIP beiträgt.
Allerdings ging die Baumwollproduktion Pakistans in den vergangenen zehn Jahren um fast die Hälfte zurück, wie die Statistikbehörde Pakistan Bureau of Statistics (PBS) berichtet: von 13,6 Millionen Ballen im Erntejahr 2011/2012 auf etwa 7 Millionen in 2020/2021. Die Fläche für den Baumwollanbau schrumpfte in diesem Zeitraum von etwa 2,8 auf rund 2,1 Millionen Hektar.
Für den Rückgang gibt es mehrere Gründe. Einer der wichtigsten ist laut Experten die Klimaerwärmung. Seit 2015 gefährden die steigenden Durchschnittstemperaturen und Starkregen zunehmend den Baumwollanbau in Pakistan, erklärt Saghir Ahmad vom Cotton Research Institute (CRI) der Provinzregierung von Punjab. Zum Beispiel setze Starkregen den Pflanzen so zu, dass sogenannte Bt-Baumwolle – eine gentechnisch veränderte Variante – nicht mehr resistent gegen den Roten Baumwollkapselwurm sei.
Zu hohe Temperaturen schaden
Zu globalen Klimwandel trägt auch Pakistan bei – durch Abholzung und Versiegelung von Grünflächen wegen starken Bevölkerungswachstums, durch CO2-Emissionen sowie durch Schadstoffe in der Luft, hauptsächlich verursacht von Verkehr und Industrie. Zwar braucht Baumwolle heißes und trockenes Wetter, um gut wachsen zu können, aber brütende Hitze beeinträchtigt sowohl die Menge als auch die Qualität der Ernte. Zudem machen hohe Temperaturen die Pflanzen anfälliger für Schädlinge wie die Weiße Fliege.
Muhammad Arif Goheer vom Think Tank Global Change Impact Studies Centre (GCISC) in Islamabad urteilt: "In Pakistan gibt es von Jahr zu Jahr saisonale Schwankungen, die sich auf die Baumwollproduktion auswirken, sowohl in Form von unerwarteten Regenfällen als auch durch Trockenheit“.
Anbau wenig lukrativ
Andere führen die rückläufige Produktion von Baumwolle auch darauf zurück, dass der Anbau anderer Pflanzen lukrativer sei. In den vergangenen Jahren seien die Kosten für Betriebsmittel im Baumwollanbau vergleichsweise hoch ausgefallen, während der Marktpreis relativ niedrig blieb, erklärt Zahid Mahmood vom nationalen Central Cotton Research Institute (CCRI). Entsprechend seien viele landwirtschaftliche Betriebe auf lukrativere Feldfrüchte umgestiegen, etwa Reis, Mais und Zuckerrohr.
"Der Anbau anderer Kulturen in Baumwollanbaugebieten beeinträchtigt auch die Produktivität, weil sich die Mikroumgebung verändert und das Gebiet damit für den Baumwollanbau nicht mehr geeignet ist“, sagt er. Saghir Ahmad von Punjabs CRI fordert, die Regierung solle entweder Subventionen für Betriebsmittel bereitstellen oder deren Preise senken, um Bauern einen Anreiz zum Baumwollanbau zu geben.
Bedürfnisse der Textilindustrie
Pakistans wachsende Textilbranche muss den Rückgang in der heimischen Baumwollproduktion über Importe ausgleichen. Von den etwa 12 Millionen Ballen Baumwolle, die der Textilsektor von August 2020 bis April 2021 verbrauchte, wurden nach Angaben des Pakistan Central Cotton Committee etwa fünf Millionen importiert. Der Nachteil ist: Die Einfuhr von Baumwolle erhöht die Produktionskosten der Textilien.
Andererseits ist importierte Baumwolle qualitativ hochwertiger. "Die importierte Baumwolle hat eine um zehn Prozent bessere Qualität als die einheimische“, sagt Naseem Usman, Baumwollberater aus Karatschi. Pakistanische Baumwolle sei wegen minderwertigen Saatguts, Verwendung zweitklassiger Pestizide und der steigenden Temperaturen schlechter.
Hoffnung keimt auf
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Sowohl die Regierung als auch der Privatsektor sind zuversichtlich, dass die Produktion von Baumwolle in Pakistan in den kommenden Jahren wieder an attraktiver werde, denn derzeit liegt der Preis für diesen Rohstoff wieder höher. Das staatliche Central Cotton Committee schätzt, die Ernte werde in diesem Jahr um ein Drittel höher ausfallen als im vorherigen Jahr.
Das Problem der steigenden Temperaturen allerdings bleibt. Gezielt verbessern ließe sich die Baumwollproduktion dennoch durch die Entwicklung neuer hochtemperaturbeständiger und schädlingsresistenter Saatgutsorten. "Wir müssen genetisch resistentes Saatgut einführen“, sagt etwa Ahmad vom CRI in Punjab.
Er bedauert, dass Pakistan aus seiner Sicht zu wenig Geld für Forschung und Entwicklung in dem Bereich ausgibt. Sein Institut habe im vergangenen Jahr eine neue Sorte von Saatgut entwickelt, das gegen den Roten Baumwollkapselwurm resistent ist. "Wir müssen aber noch eine Lösung finden, um die Ernte bei steigenden Temperaturen vor dem Befall durch die Weiße Fliege zu schützen“, sagt er.
Auch zeitliche Anpassungen im Anbau sind eine Möglichkeit, wie Fachmann Goheer vom Global Change Impact Studies Centre betont. "Auf der Grundlage der Daten aus den vergangenen 15 bis 20 Jahren sollte der Zeitpunkt für die Aussaat in jedem Bezirk angepasst werden, um die Ernte vor den Auswirkungen der hohen Temperaturen zu schützen“, sagt er. "Ein Mittel dafür ist die Bewässerung, sobald die Temperaturen über 40 Grad Celsius steigen.“ Ob genug Wasser bereitgestellt werden kann, ist freilich eine ganz andere Frage. Die Hitzewelle Ende April war jedenfalls kein gutes Omen. Laut Goheer hat sie das für Baumwollplantagen in den Aussaatmonaten April und Mai verfügbare Wasser um gut die Hälfte reduziert.
Imran Mukhtar
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