Widersprüchliche Strategien
Die UN-Vetomächte und Deutschland haben sich in Berlin auf eine neue Resolution gegen den Iran verständigt. Darin sollen die bestehenden Sanktionen "moderat verschärft" werden. Bahman Nirumand wirft einen Blick auf die Widersprüche der bisherigen Iran-Politik.
"Wir appellieren noch einmal gemeinsam mit aller Dringlichkeit an die Führung in Teheran, den Forderungen des Sicherheitsrats und der Internationalen Atombehörde (IAEA) ohne Einschränkung nachzukommen", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach dem zweistündigen Treffen am 22. Januar in Berlin. "Und ich sage auch: Teheran hat es in der Hand, den Weg der Kooperation und des Ausgleichs zu suchen. Hier steht keiner für eine Konfrontation, wir wollen eine friedliche Lösung."
Die Drohung der Außenminister wird wohl geringe Wirkung zeigen. Denn auch in Teheran ist längst bekannt, dass die in Berlin demonstrierte Einigkeit auf wackligen Füßen steht. Selbstverständlich stimmen alle beteiligten Mächten darin überein, dass der Iran unter allen Umständen daran gehindert werden soll, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen.
"Uns eint die Einschätzung, dass eine nukleare Bewaffnung des Iran dramatische Konsequenzen hätte", sagte Steinmeier. Aber über die Frage, wie eine Atommacht Iran verhindert werden kann, scheiden sich die Geister.
Iran ist keine unmittelbare Gefahr
Zunächst ist festzustellen, dass die Position der Vetomächte und Deutschlands gegenüber Iran durch den im Dezember veröffentlichten Bericht amerikanischer Geheimdienste stark geschwächt wurde. Darin wurde festgestellt, dass Teheran bereits 2003 sein Atomwaffenprogramm eingestellt habe. Zwar bestehe die Gefahr der Wiederaufnahme.
Aber selbst dann würde das Land noch Jahre benötigen, um eine Atombombe bauen zu können. Zudem hat Teheran der Internationalen Atombehörde zugesichert, bis Anfang März alle noch offen stehenden Fragen zu beantworten.
In dieser Situation scheinen verschärfte Maßnahmen immer weniger plausibel. Denn wenn tatsächlich keine unmittelbare Gefahr von iranischer Seite droht, dann ist es nicht nachvollziehbar, warum man direkte Verhandlungen mit Iran von der Aussetzung der Urananreicherung abhängig macht.
Zumal Iran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags das Recht hat, Uran anzureichern und den Brennstoff zu friedlicher Nutzung der Atomenergie im eigenen Land herzustellen. Es ist auch nicht einsichtig, warum Washington bereit ist, mit Teheran über die Lage im Irak direkt zu verhandeln, nicht aber über den Atomkonflikt, und warum Washington mit dem "Schurkenstaat" Nordkorea über Atomfragen Gespräche führen kann, mit Iran aber nicht.
Verhandlungen, Krieg oder härtere Sanktionen?
Ungeachtet dieser Umstände drängen die USA, Großbritannien und neuerdings auch Frankreich auf härtere Sanktionen. Selbst die Option eines militärischen Angriffs lehnen sie nicht ab. Deutschland neigt eher dazu, den Konflikt durch Verhandlungen zu lösen.
Dass Außenminister Steinmeier in den letzten Wochen von dieser grundsätzlichen Position abgewichen ist und eiligst – vielleicht zu voreilig – das Treffen in Berlin organisiert hat, mag andere Gründe haben, die außerhalb des iranischen Atomkonflikts liegen.
Russland und China haben sich zumindest bisher eindeutig gegen weitere Sanktionen ausgesprochen. Ein triftiger Grund für einen Kurswechsel ist nicht ersichtlich. Beide Länder haben enorme Wirtschaftsinteressen in Iran. Russland ist der größte Waffenlieferant Irans, baut für das Land das erste Atomkraftwerk und liefert auch den atomaren Brennstoff dazu.
China ist auf iranisches Öl und Gas angewiesen, hat in diesem Bereich bereits Milliarden investiert und ist dabei, den iranischen Markt zu erobern. Beide Länder werden die lukrativen Beziehungen so leicht nicht aufgeben, zumal es reichlich genug nachvollziehbare Argumente gegen Sanktionen gibt.
Um die widersprüchlichen Positionen der sechs Mächte unter einen Hut zu bringen, einigte man sich in Berlin – Diplomatenkreisen zufolge – auf den Begriff "moderate Verschärfung" der bisherigen Sanktionen. Was immer darunter zu verstehen ist, der Inhalt des Resolutionsentwurfs, auf den sich die sechs Staaten geeinigt haben sollen, ist jedenfalls bislang nicht bekannt.
Trotzreaktion aus Teheran
Aber bereits unmittelbar nach dem Treffen zeigten die Äußerungen des russischen Außenministers, dass die getroffene Vereinbarung gravierend unterschiedlich interpretiert wird. Der Entwurf sehe keine neuen Strafmaßnahmen gegen Teheran vor, sagte Sergej Lawrow. Der Text enthalte "zusätzliche Maßnahmen zur Einflussnahme" auf Iran. Diese hätten jedoch nicht den "strengen Charakter" von Sanktionen.
Die Maßnahmen seien als "Appell an alle Staaten" formuliert, in ihren Beziehungen zu Iran auf die Einhaltung des von Teheran unterzeichneten Atomwaffensperrvertrags zu achten.
Ohnehin wäre es naiv zu glauben, die regierenden Islamisten in Teheran würden sich von Sanktionen welcher Art auch immer einschüchtern lassen. Unmittelbar vor dem Treffen der Sechser-Gruppe in Berlin erklärte der iranische Regierungssprecher Gholam-Hossein Elham, die iranische Nation werde an ihrem Weg für die nuklearen Ziele festhalten und bewege sich dabei in einem "legalen und legitimen Rahmen". Selbst eine neue UN-Resolution würde diese Bestrebungen nicht ändern.
Diese Stellungnahme könnte man als Trotzreaktion deuten, aber auch als Zeichen dafür, dass die Islamisten Sanktionen nicht befürchten, weil Sanktionen keine einschneidende Wirkung haben. Zu dieser Auffassung gelangte auch die Überprüfungsbehörde des US-Kongresses (GAO):
Teheran habe trotz der Strafmaßnahmen seit 2003 Verträge im Wert von 20 Milliarden Dollar zur Erschließung seiner Rohstoffvorkommen unterzeichnet, heißt es in dem Mitte Dezember vorgelegten Bericht der Behörde. "Die weltweiten Handelverbindungen von Iran und seine führende Rolle in der Energieproduktion machen es für die USA schwierig, Iran zu isolieren und Druck auf ihn auszuüben."
Teheran braucht Krisen
Aber selbst wenn Sanktionen Irans Wirtschaft empfindlich treffen und eine Krise erzeugen würden, weiß jeder, der den Charakter des Regimes in Iran kennt, dass Sanktionen zwar die Bevölkerung belasten, aber nicht das Regime in die Knie zwingen würden. Im Gegenteil, das Regime braucht die Krisen, wie Fische das Wasser, um weiterleben zu können.
Die permanenten Krisen, vor allem außenpolitische, die teilweise sogar künstlich erzeugt werden, dienen dazu, von der eigenen Regierungsunfähigkeit abzulenken, die Repressionen gegen die Kritiker zu verschärfen und die unaufgeklärten Massen gegen Feinde und Feindbilder zu mobilisieren.
So betrachtet, könnten verschärfte Sanktionen, wenn man sich überhaupt darauf einigen könnte, das Gegenteil von dem erreichen, was man anstrebt.
Bahman Nirumand
© Qantara.de 2008
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