Dialog auf dem Prüfstand
Offizielles Ziel des regelmäßig stattfindenden Islamforums ist es, das Miteinander von nicht-muslimischer Mehrheit und muslimischer Minderheit in Deutschland zu verbessern.
Jürgen Miksch, christlicher Theologe und Vorsitzender des Interkulturellen Rates in Deutschland, dem Veranstalter des Islamforums, sieht in der Nähe beider Bevölkerungsgruppen große Chancen, die bisher nicht ergriffen worden seien.
Er kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland das Zusammenleben mit den Muslimen gut funktioniere, allerdings gäbe es auch Probleme, so Miksch.
Zum Beispiel, dass die Muslime in Deutschland keine einheitliche Vertretung haben, wie der deutsche Staat dies gern hätte - weil er einen verbindlichen Ansprechpartner für muslimische Belange sucht.
Keine kulturelle und religiöse Einheit der Muslime
Doch eine solche einheitliche Interessenvertretung dürfte auch in Zukunft daran scheitern, dass die überwiegend türkischstämmigen Muslime in Deutschland weder kulturell noch religiös eine Einheit bilden.
Die meisten sind in keiner der verschiedenen muslimischen Vereinigungen organisiert. Auch der Grad der Frömmigkeit ist bei den Muslimen in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Doch auch die Muslime beklagen manches. Yasar Bilgin, dessen "Rat der türkischstämmigen Staatsbürger" dem Islamforum auch finanziell unter die Arme greift, kritisiert zum Beispiel die allgemeine Haltung gegenüber Muslimen in Deutschland und Europa:
"Der Umgang mit den Kulturen in Europa ist immer noch Konflikt -orientiert, ist phantasielos - und aus meiner Sicht auch primitiv", sagt Bilgin:
"Die Akteure, die in Deutschland Einfluss haben - das sind die Politiker, die Medien -, die sind doch im Endeffekt auf diese Art Dialog fixiert. Der ganze Dialog, wie man es so nennt, erscheint mir persönlich nicht als Dialog, sondern es geht darum, etwas zu bestimmen. Es gibt keinen Dialog! Man versucht einfach von oben her vorzuschreiben, was die Muslime machen sollten."
Positiver Ansatz für wechselseitigen Dialog
Nicht jeder teilt diese harsche Kritik am bisherigen Dialog zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Aber die Treffen des Islamforums, die seit nunmehr über drei Jahren stattfinden, sind auf jeden Fall ein Versuch, einen echten, also wechselseitigen Dialog in Gang zu bringen.
Mittlerweile gibt es die Islamforen nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Bundesländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie in den neuen Bundesländern auf dem Gebiet der früheren DDR.
Bei diesen Treffen kommen Vertreter mehrerer muslimischer Gruppierungen mit Andersgläubigen - überwiegend deutsche Christen - zusammen. Die Teilnehmer bekennen sich ausdrücklich zum Grundgesetz und der Trennung von Staat und Religion.
Die Foren haben auch einen überraschenden Nebeneffekt: Es findet auch ein inner-islamischer Austausch statt, den es in Deutschland sonst meist noch nicht gibt.
Die Themen der Islamforen sind durchaus kontrovers: Außer globalen Fragen wie Krieg und Frieden, Beziehung zwischen Staat und Religion oder Islam und Medien stehen dort auch Alltagsprobleme zur Debatte.
Beispiele dafür sind die immer wieder umstrittene Teilnahme muslimischer Mädchen am schulischen Sport- und Sexualkundeunterricht sowie an Klassenfahrten, ferner die Kopftuchfrage, islamischer Fundamentalismus und grundlegende Probleme bei der gesellschaftlichen Integration.
Wichtig dabei sei, die Gemeinsamkeiten zu betonen, ohne die Differenzen zu vergessen - sagt der Theologe Miksch. Kein einfaches Unterfangen. Die Arbeit des Forums wird zwar vielerorts gelobt. Doch auch an Kritik fehlt es nicht.
So beklagen manche islamische Vereinigungen, sie würden bei den Tagungen des Forums stets auf die Anklagebank gesetzt. Das Islamforum selbst behauptet sogar, das amerikanische Außenministerium sei auf die Treffen aufmerksam geworden und kritisiere, dass dort fragwürdige islamische Organisationen aufgewertet würden.
Kontroverse um Beteiligung fragwürdiger Gruppierungen
Ob dies wirklich so stimmt, ist nicht überprüfbar. Klar ist jedoch, welche Gruppierungen mit "fragwürdig" gemeint sein könnten: der Islamrat und der Zentralrat der Muslime in Deutschland - beides Gruppierungen, die regelmäßig an den Treffen teilnehmen und in denen teils auch islamistische oder zumindest sehr konservative Strömungen erheblichen Einfluss haben.
Das deutsche Innenministerium hatte das Projekt "Islamforum" anfänglich noch unterstützt, in den letzten Monaten aber seine seine Haltung geändert. Aus dem Amt von Bundesinnenminister Otto Schily heißt es nun, Projekte an denen Organisationen teilnehmen, die - wie Milli Görüs - von den Verfassungsschutzämtern beobachtet werden, sollten nicht unterstützt werden.
Die entscheidende Frage aus deutscher Sicht lautet nun: Soll der viel beschworene Dialog mit dem Islam politisch fragwürdige oder sogar extremistische Organisationen konsequent ausschließen?
Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth kritisiert diese Haltung. Für einen echten Dialog sei es wichtig, gerade diejenigen Organisationen einzubeziehen, mit denen der deutsche Staat Probleme habe.
"Die größte Wichtigkeit liegt darin, dass wir endlich aufhören nur über Dialognotwendigkeit zu palavern, sondern sie wirklich in der Praxis ausfüllen", so Süssmuth:
"Wenn Sie die Andersdenkende - gerade auch diejenigen, bei denen Sie Bedenken haben, ob sie Integration und Zusammenleben auf Grundlage des Grundgesetzes hier wollen -, wenn Sie die nicht in den Dialog einschließen, dann laufen Sie Gefahr, dass die sich noch viel stärker abkapseln und in Gegenwehr gehen."
Doch seit dem Umdenken des Innenministeriums droht dem Projekt der Untergang. Denn die bisherige Finanzierungsbasis fällt weg. Deshalb fordern die Organisatoren des Islamforums den flächendeckende Ausbau solcher Foren und gleichzeitig weitere finanzielle Unterstützung.
Cem Sey
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005
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