Islam auf dem Stundenplan
Rund 3.5 Millionen Muslime leben in Deutschland, zwei Drittel von ihnen sind Türken. Ungefähr sechs Prozent aller Schüler in Deutschland sind muslimischen Glaubens, allein in Niedersachsen sind es 40.000 Kinder. Bisher wurden muslimische Kinder in ihrem Glauben in Koranschulen unterrichtet. Diese unterliegen nicht der staatlichen Kontrolle und stehen in dem Ruf, integrationsfeindlich zu wirken.
In sieben Bundesländern gibt es jedoch seit einiger Zeit Modellprojekte, den Islam auch an öffentlichen Schulen zu lehren. Während Nordrhein-Westfalen "Islamische Unterweisung" auf Deutsch anbietet, erteilen Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz islamkundlichen Unterricht in der Muttersprache. In Berlin ist dafür die umstrittene Organisation "Islamische Föderation" zuständig.
In Niedersachsen und Bremen wird in einigen Grundschulen seit dem Schuljahr 2003/2004 islamischer Religionsunterricht ebenfalls auf Deutsch erteilt. Hier wird nicht nur -wie in Nordrhein-Westfalen- faktisches Wissen über den Islam gelehrt. So wie es das Grundgesetz in Artikel 7 (III) vorsieht, wird konfessioneller Religionsunterricht für Muslime als ordentliches Lehrfach erteilt. Hat der Unterricht Erfolg, soll das Experiment auf alle Schulen ausgeweitet werden.
Islamischer Religionsunterricht trotz Uneinigkeiten
Das größte Problem, einen islamischen Unterricht einzurichten, lag darin, dass sich die verschiedenen islamischen Richtungen nicht zu einer gemeinsamen institutionellen Form zusammenfinden und somit als Ansprechpartner für den Staat auftreten konnten.
In Niedersachsen hat sich aber die "Shura" ("Rat der islamischen Gemeinschaften") gebildet, die nach eigenen Angaben 90% aller Muslime in Niedersachsen vertritt. So konnte auch ein gemeinsamer Lehrplan erarbeitet werden.
Eine Entwicklung, die nach Ansicht des Erziehungswissenschaftlers Prof. Peter Graf von der Universität Osnabrück längst überfällig ist: "Muslime bilden die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Es geht nicht, dass muslimische Kinder aus dem Religionsunterricht rausgeschickt werden oder ihnen Sonderunterricht angeboten wird, weil die Eltern nicht wollen, dass sie am christlichen Religionsunterricht teilnehmen. Muslimische Kinder sollten so behandelt werden wie die Kinder der Mehrheit auch."
Weiterbildung für muslimische Lehrer
Graf initiierte ein Weiterbildungsprogramm für islamische Religionslehrer, das in dieser Form einmalig in Deutschland ist. Bislang unterrichten an den Schulen nur notdürftig fortgebildete muslimische Lehrkräfte und keine entsprechend ausgebildeten Lehrer.
Das Lehrprogramm in Osnabrück wird im Rahmen eines internationalen Hochschulnetzwerkes angeboten. Beteiligt sind die Partner-Universitäten in Hannover und Erfurt, an denen Lehrmodule für Islam- und Religionswissenschaft erarbeitet werden. Darüber hinaus bestehen auch Kontakte nach Kairo, Teheran, Ankara, Cannakale sowie Granada und Sarajevo. Dort sollen Sommerakademien und Konferenzen zum interreligiösen Dialog stattfinden.
Etablierter Religionsunterricht in Österreich
Die Islamische Religionspädagogische Akademie in Wien erarbeitet die islamische Fachdidaktik für den Kurs in Osnabrück. In Wien hat man schon seit 6 Jahren Erfahrung mit der Ausbildung von Islamlehrern für öffentliche Schulen.
Ihr Leiter ist der Islamwissenschaftler Elsayed Elshahed: "Die Rechtslage in Österreich ist anders als in Deutschland", sagt der aus Ägypten stammende Professor. "In Österreich ist der Islam schon seit 1912 anerkannt. 1978 hat sich die Islamische Glaubensgemeinschaft als Institution des öffentlichen Rechts gegründet. Seitdem setzt sie sich für islamischen Religionsunterricht an den Schulen ein."
Ausbildung muslimischer Lehrkräfte ist folgerichtig
Der Aufbaustudiengang in Osnabrück, für das das Bewerbungsverfahren noch bis zu 25. März läuft, beginnt am 1. April. Vorraussetzungen für die Teilnahme sind ausgezeichnete Deutschkenntnisse, das Bekenntnis zum islamischen Glauben und ein abgeschlossenes oder laufendes Lehramtsstudium. Auch PC Kenntnisse sollten vorhanden sein, da ein Grossteil der Inhalte über das Internet vermittelt werden soll. Ab 2006 soll dann der reguläre Masterstudiengang "Islamische Religionspädagogik" angeboten werden.
Die katholischen Bischöfe in Hildesheim und Osnabrück würden die Ausbildung der Islamlehrer befürworten, wenn der Versuch mit den Grundschulen erfolgreich verläuft: "Wir halten es für folgerichtig, bei der Weiterbildung im Islamischen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach auch für die Ausbildung der muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrer im Land zu sorgen."
Max Bönnemann
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