Eine Kultur des Exils
Orientteppiche liegen auf grauem Betonboden und deuten einen Kreis an. Auf den Teppichen stehen Hocker, auf denen sich wiederum kleine Fernseher befinden. Der Besucher, der in die Mitte der Installation tritt, setzt sich einer verstörenden Informationsflut aus.
Rechts läuft gerade eine Nachrichtensendung von Al-Arabija, links ein Beitrag von Al-Iraqiya. Auf einem anderen Bildschirm ist eine billig produzierte, nachgestellte Actionszene zu sehen, in der vermummte Kidnapper ein Opfer in ihre Gewalt bringen.
Nicht nur in dieser Installation taucht die Frage auf, aus welchen Informationen sich das eigene Bild der derzeitigen Situation im Irak speist. Ist es nicht ausschließlich die mediale Übermittlung, die uns einen Einblick in die vermeintliche Realität gewährt?
Die künstlerische Beschäftigung mit medialer Information, mit vermeintlich objektiven oder propagandistischen Inhalten und Formaten bildet einen Schwerpunkt der Ausstellung, die derzeit in Berlin zu sehen ist. Doch nicht nur als Untersuchungsmaterial, auch als Mittel des künstlerischen Ausdrucks sind die audiovisuellen Medien stark vertreten.
Ein Blick von außen
Mit Hilfe von Videoporträts, Dokumentationen, Videoinstallationen, Features oder Spielfilmcollagen nähern sich die hier vertretenen irakischen Künstler einer Heimat, die sie teilweise schon vor Jahrzehnten verlassen haben. Der Blick der Exilanten ist dabei zwangsläufig ein Blick von außen; ein Umstand, der auch als Sujet häufig thematisiert wird.
Wie die Kuratorin Catherine David betont, versteht sich die Ausstellung "The Iraqi Equation" nicht als ultimative Bestandsaufnahme irakischer Kultur der Gegenwart. Vielmehr soll sie als eine Plattform für kreative Leistungen irakischer Kulturschaffender betrachtet werden. Dabei sei es unausweichlich zu bemerken, dass sich ein großer Teil der irakischen Kulturproduktion seit Jahrzehnten im Exil abspiele.
Doch die Ausstellungsmacher haben sich auch um einen Blick von innen bemüht. Mit dem Filmemacher Oday Rasheed und dem durch sein Weblog bekannt gewordenen Salam Pax sind zwei jüngere Vertreter irakischer Kultur vertreten, die auch gegenwärtig im Irak leben und arbeiten.
Romantisierende Orientvorstellungen
Eine Sonderstellung in der Reihe der im Irak lebenden Künstler nimmt der Fotograf Latif el Ani ein. Er war jahrzehntelang als Chronist des irakischen Alltagslebens tätig. In der Ausstellung sind einige seiner dokumentarischen Schwarz-Weiß-Fotografien aus den 60er Jahren zu sehen. Die Aufnahmen verzichten scheinbar auf jegliche Inszenierung, um die Wirklichkeit zu fokussieren.
Im krassen Gegensatz zu dieser offensiven Wirklichkeitsverpflichtung stehen die Klischeevorstellungen, die anderen Künstlern Stoff für ihre Arbeit bieten. So beschäftigen sich einige Exponate und Bücher, die in der Ausstellung zu finden sind, vor allem mit romantisierenden Orientvorstellungen und dem westlichen Blick auf den Irak.
Die Video-lnstallation des Exil-Irakers Samir konfrontiert mit den Wechseln, die das Bild des Irak in der westlichen Wahrnehmung erfuhr. Samir kontrastiert die amerikanische Hollywoodphantasie "Der Dieb von Bagdad" aus dem Jahre 1924 nicht nur mit aktuellen Privataufnahmen einer Bagdader Mittelstandsfamilie, sondern auch mit widersprüchlichen historischen und aktuellen TV-Reportagen westlicher Produzenten.
Vielfach finden sich in Berlin Exponate, die die Positionierung in einem Zwischenraum beschreiben. Nicht nur bei den bildenden Künstlern, auch in den Werken von Schriftstellern und Dichtern wird die Auseinandersetzung mit der Lebenssituation im Exilland zum Bestandteil des Werkes.
So vermittelt die Ausstellung, die scheinbar willkürlich Malerei, Fotografie, Literatur und Medienkunst umfasst, in ihrer Gesamtheit vor allem eines: Die irakische Kulturszene befindet sich in einem zwangsläufigen und offensiven Dialogverhältnis mit der westlichen Welt.
Ariana Mirza
© Qantara.de 2005
Die Ausstellung Contemporary Arab Representations. The Iraqi Equation ist zu sehen in Berlin in den Räumen der "KUNST-WERKE-BERLIN e.V., Institute for Contemporary Art"
Qantara.de
Underexposure von Oday Rasheed
Liebesbriefe an Bagdad
"Underexposure" – Unterbelichtung heißt der erste irakische Film, der nach dem Sturz Saddam Husseins mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes im Irak entstanden ist. Silke Kettelhake über einen Film, der den Ausnahmezustand und die Angst darzustellen versucht.
www
Informationen über Ausstellung und Ausstellungsort auf der Website der KUNST-WERKE BERLIN e.V.