UN-Initiative zur globalen Verständigung

Eine "Allianz der Zivilisationen" - im Gegensatz zu dem so oft beschworenen "clash of civilizations" – soll eine Initiative zuwege bringen, die von UN-Generalsekretär Kofi Annan jüngst ins Leben gerufen wurde. Von Peter Philipp

Eine "Allianz der Zivilisationen" - im Gegensatz zu dem so oft beschworenen "clash of civilizations" – soll eine Initiative zuwege bringen, die von UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen wurde und an der seit einem Jahr 20 prominente Persönlichkeiten aus aller Welt beteiligt sind. Einzelheiten von Peter Philipp

Skulptur vor dem UN-Hauptquartier in New York; Foto AP
Mit ihrer Allianz der Zivilisationen wollen die Initiatoren religiöse Vorurteile abbauen und die gegenwärtige Spaltung zwischen der islamischen und westlichen Welt überwinden.

​​Unter der Leitung des ehemaligen Unesco-Chefs Federico Mayor und des türkischen Religionsministers Mehmet Aydin nehmen an der Arbeit der UN-Initiative "Allianz derZivilisationen" sehr unterschiedliche Personen teil: Unter anderem der ehemalige iranische Staatspräsident Muhamad Khatami, ein jüdischer Berater des marokkanischen Königs und auch Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika.

Lösung des Nahostkonflikts

Die Gruppe überreichte Kofi Annan vor wenigen Tagen in Istanbul ihren ersten Bericht, in dem sie hervorhob, die Probleme dieser Welt seien nicht ein Resultat eines "Kulturkampfes", und sie haben ihre Wurzeln auch nicht in der Religion. Die Gründe seien vielmehr politischer und wirtschaftlicher Art. Und die Welt sei aufgerufen, diese Gründe gemeinsam zu beseitigen, allen voran, den Nahostkonflikt.

Bischof Tutu gab sich optimistisch. Grund: "Die Gruppe, die diesen Bericht verfasst hat, war zwar sehr vielschichtig zusammengesetzt und dennoch in der Lage, beträchtliche Übereinstimmung in vielen diskutierten Punkten zu erreichen", so Tutu.

Dies sei ein sehr wichtiges Vorbild und ein Beispiel für den Rest der Welt, betonte der Erzbischof: "Außerdem glauben wir, dass keine Religion an sich gewalttätig ist oder zu Gewalttätigkeit ermuntert."

Instrumentalisierung der Religion

Es gebe viele Beispiele dafür, wie Angehörige unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich miteinander gelebt haben und dies auch noch tun. Aber natürlich gebe es auch immer wieder den Versuch, die Religion für andere Zwecke zu benutzen:

"Die Religion wird oft missbraucht – und das nicht erst seit heute", erzählt Tutu, "sie wurde zur Rechtfertigung der Sklaverei benützt, selbst den Holocaust zu rechtfertigen oder die Apartheid. Wir müssen uns daher bewusst sein, dass man die Öffentlichkeit zu manipulieren versucht."

Der Bericht der Allianz der Zivilisationen habe eine Reihe von Aufgaben aufgelistet, denen man – in der Politik, der Erziehung und auch in der Wirtschaft - mehr Aufmerksamkeit widmen müsse. Vor allem aber gehe es um die Grundlage des Miteinander-Umgehens und des gegenseitigen Respekts.

Gegen die Apartheid in seiner Heimat sei er mit einem Rabbiner zur Rechten und einem Imam zur Linken marschiert, erklärt Tutu. Alle hätten sie dasselbe Ziel und dieselben Interessen gehabt. Und von Seiten der Religion habe es keine Gegensätze gegeben.

Überhaupt mache ihn die Erfahrung aus Südafrika zuversichtlich: Wenn es gelungen ist, die Apartheid zu überkommen, dann werde es sicher auch gelingen, andere Probleme der Welt zu lösen.

Keine Reduktion auf Nahostkonflikt

Und diese anderen Probleme lägen keineswegs nur im Konflikt zwischen dem Westen und der muslimischen Welt:

"Es geht nicht nur um den Westen und die arabische Welt", meint Tutu, "denn Menschen in verschiedenen Teilen der Welt, die keine Muslime sind, fühlen sich auch ausgegrenzt. Menschen im so genannten 'globalen Süden' haben dasselbe Gefühl der Demütigung und Ohnmacht und sie teilen die Ablehnung, die Menschen in der muslimischen Welt fühlen."

Wenn man sich trotzdem in der Erklärung vor allem auf den Nahostkonflikt konzentriert habe, dann eher in der Hoffnung: Wenn es gelingen sollte, diesen Konflikt zu lösen, dann werden die anderen Probleme zwar nicht verschwinden, aber vielleicht doch in ihrer eigentlichen Dimension gesehen werden.

Für die nahe Zukunft hoffe man, dass der neue UN-Generalsekretär einen "hohen Repräsentanten" berufe, der sich der aufgeworfenen Fragen und Empfehlungen der Gruppe annehme. Empfehlungen, die nicht nur weit über theoretische Betrachtungen des Nahostkonflikts hinausgehen, sondern weite Bereiche der Erziehung, Bildung und auch der Medien umfassen.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

Anna-Lindh-Stiftung
Euro-Mediterrane Initiative für den Dialog der Kulturen
Zu den Klängen mediterraner Folklore und klassischer europäischer Musik begann die Anna-Lindh-Stiftung zur Förderung des interkulturellen Dialogs am 20. April im ägyptischen Alexandria offiziell ihre Arbeit. Nelly Youssef war dabei.

Dialog der Kulturen in der Krise
What went wrong?
Noch nie gab es so viel Kulturdialog wie heute, doch das gegenseitige Verständnis der Kulturen hat keineswegs zugenommen, wie der Karikaturenstreit gezeigt hat. Traugott Schoefthaler, Leiter der Anna-Lindh-Stiftung in Alexandria, über den Unsinn europäischer Werte und warum auch die "Anderen" Recht haben können.

Der Westen und die islamische Welt
Kulturdialog statt Kampf der Kulturen
Das Thema Kulturdialog wird immer dann aktuell, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Man will von den Wissenschaftlern dann wissen, was zu tun ist, um den Kampf der Kulturen aufzuhalten, beklagt die Politikwissenschaftlerin Naika Foroutan.

www

Webseite der Allianz der Zivilisationen (engl.)