Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit setzen
Genau eine Woche ist seit dem fürchterlichen Massaker eines weißen Rassisten in zwei Moscheen von Christchurch vergangen. Es gab beeindruckende Gesten der Solidarität. So sammelten Mitglieder der jüdischen "Tree of Life"-Synagoge im US-amerikanischen Pittsburgh, die im Oktober 2018 selbst vom Amoklauf eines Rassisten mit elf Toten getroffen wurde, 30.000 Dollar für die Hinterbliebenen der Opfer im fernen Neuseeland. Anrührend.
In Deutschland hingegen blieben die großen Gesten der Anteilnahme, wie sie nach manchen Terroranschlägen in Europa aus sich selbst heraus aufkamen, aus. Das ist verstörend. Christchurch - das war ein Anschlag auf Beter, auf Gläubige in einem Gotteshaus. Diesmal waren es muslimische Gotteshäuser.
In Pittsburgh und an anderen Orten waren es in den vergangenen Jahren jüdische Stätten mit wehrlosen jüdischen Betern. Und wiederholt in den vergangenen Jahren traf blutiger Terror koptische Kirchen in Ägypten. Auch in anderen Ländern, beispielsweise Pakistan oder Nigeria, schlug der tödliche Hass in christlichen Kirchen zu.
Solidarität mit den Kopten 2011
Im Jahr 2011 feierten die Kopten in Deutschland ihre Weihnachtsgottesdienste in Angst und unter Polizeischutz. Ein fürchterlicher Terroranschlag mit 23 Toten im ägyptischen Alexandria hatte zu Befürchtungen Anlass gegeben, dass in anderen Ländern, auch in Deutschland Attacken folgen könnten.
In Düsseldorf besuchten der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, den koptischen Gottesdienst. An der Feier in Berlin-Lichtenberg, die ich selbst mitfeierte, nahmen auch der damalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting und Muslime des Berliner Islamforums teil. Die Personenschützer des Politikers mischten sich mit den Polizisten, die für den Schutz der Weihnachtsliturgie sorgten.
Am vorigen Freitag, an dem der Terror von Christchurch die Welt entsetzte, war ich zum Freitagsgebet in der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln. Die Moschee war voll, Gläubige standen sogar noch im Innenhof. Vor der Tür keine Polizisten, keine anderen Berliner Bürger, keine Kerzen, keine Blumen. "Ein Anschlag auf Beter im Gottesdienst - das kann alle treffen", sagte mir ein erschütterter älterer Herr beim Hinausgehen.
Mittlerweile drängt der Zentralrat der Muslime auf einen besseren Schutz - auch auf polizeilichen Schutz - muslimischer Gotteshäuser in Deutschland. Nicht nur in Berlin, in vielen deutschen Städten ist es leider ein vertrautes Bild, dass vor zahlreichen jüdischen Gotteshäusern und Einrichtungen Polizeibeamte stehen - 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Und übrigens: Auch bei mancher Christmette 2018 in bekannten deutschen Kirchen waren Zivilpolizisten anwesend.
Jeder kann ein Zeichen setzen
Doch über den Schutz durch Sicherheitsbehörden hinaus kann jeder und jede Einzelne sein Zeichen setzen: Nichts spricht dagegen, freitags selbst einmal in eine Moschee oder eine Synagoge zu gehen und damit einer verängstigten oder auch bedrohten Gemeinschaft von Betenden Solidarität zu zeigen. Das müssen nicht viele Menschen tun. Nichts spräche auch dagegen, wenn sich Jugendliche religionsübergreifend zusammentun und vor den Gotteshäusern während der Gebetszeiten Präsenz zeigen. Es geht dabei allein um die Botschaft: "Ihr seid nicht allein!"
Aus dem Bistum Limburg kommt der Appell zu Solidarität mit Muslimen beim Freitagsgebet in dieser Woche. "Dabei muss nicht viel passieren, außer dass wir Empathie zeigen und unseren Nachbarn vermitteln, dass sie nicht alleine sind", heißt es. "Die Sicherheit aller Betenden in Synagogen, Kirchen, Moscheen und anderen religiösen Stätten ist unantastbar."
Darum geht es: ein Zeichen setzen, Menschen in Sorge nicht allein lassen. Und auch dafür einstehen, dass Gottesdienste und Gebetsstätten kein Ziel von Hass und Terror werden dürfen. An keinem Platz der Erde.
Christoph Strack
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