Pizzeria und Änderungsschneiderei
Noch immer ist es in den Köpfen - das Bild vom Gastarbeiter, der für ein paar Jahre in Deutschland schuftet und mit dem Geld dann in seiner Heimat ein Haus baut. Aber dieses Klischee aus den sechziger und siebziger Jahren entspricht schon lange nicht mehr der Realität. Viele Ausländer bauen sich in Deutschland eine Existenz auf und machen sich selbständig. Rund 257.000 ausländische Unternehmer gibt es inzwischen in Deutschland, und die Bereitschaft, eine eigenes Unternehmen zu gründen, ist bei Migranten deutlich höher als bei Deutschen.
Aber das wisse kaum jemand, und dieses Potential werde auch nicht gefördert, beklagt der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium: "Es wird thematisiert, dass wir eine hohe Zahl von Arbeitslosen unter den Migranten haben, aber die wirtschaftliche Eigeninitiative wird häufig übersehen. Die Fakten zeigen, dass uns die Migration eben nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmer, Investoren, Arbeitgeber und Ausbilder ins Land gebracht hat."
Gastronomie und Handel
Seit Ende der 80er Jahre machen sich immer mehr Migranten selbständig, vor allem in der Gastronomie und im Handel, weniger dagegen im produzierenden Gewerbe. Zwar handele es sich dabei häufig um sehr kleine Unternehmen mit zwei oder drei Mitarbeitern, erklärt Reinhold Stratmann von der Deutschen Ausgleichsbank, aber ihr Wirtschaftsfaktor sei nicht zu unterschätzen:
"Man hat ermittelt, dass die 10.000 Döner-Buden, ich sage jetzt mal ‚Buden', hierzulande einen jährlichen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro haben - das ist mehr als McDonalds!"
Ganz selbstverständlich gehen die Deutschen eine Pizza beim Italiener essen und bringen ihren Anzug zum türkischen Änderungsschneider. Will sich aber ein ausländischer Unternehmer selbständig machen, habe er es auf den Ämtern und in den Banken oft noch schwerer als deutsche Firmengründer, kritisiert Rezzo Schlauch:
"Ausländische Unternehmer verfügen in der Regel über wenig Eigenkapital, und - das macht die Sache noch dramatischer - sie haben einen erschwerten Zugang zu Fremdkapital. Ein hoher Anteil der Finanzierung erfolgt deshalb über Familienangehörige, was aber vielfach nicht ausreicht und häufig zur Unterkapitalisierung des Unternehmens führt."
Bessere Bedingungen schaffen
Zusammen mit den staatlichen Förderbanken wie der Deutschen Ausgleichsbank will die Bundesregierung bessere Bedingungen für ausländische Unternehmer schaffen. Doch wichtig sei auch die Haltung der gesamten Gesellschaft gegenüber Ausländern, mahnt Marieluise Beck, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, und die sei vielfach noch zu negativ: "Wir können es nicht weiter hinnehmen, dass in dieser Weise oft Resentiment geladen und mit dem Abwehrreflex auf diesen Anteil unserer Gesellschaft geschaut wird und auch so agiert wird."
Je besser Ausländer integriert seien, desto besser könnten sie ihr unternehmerisches Potential zum Wohl der ganzen Gesellschaft entfalten und auch Brücken bauen zu den Märkten im Ausland. Doch diese Erkenntnis sei in Deutschland noch nicht weit genug verbreitet.
Nina Werkhäuser, © Deutsche Welle, Juni 2003