Die Repliken des Pharaos
Selbst die, die von Berufs wegen eigentlich nicht begeistert seien sollten, waren von der deutschen Ausstellung "Tutanchamun – sein Grab und die Schätze" angetan. Die didaktische Aufarbeitung und die herausragende Qualität der Nachbildung des Grabschatzes des jüngsten Pharaos (1341 – 1323 v. Chr.) hat auch ägyptische Archäologen überzeugt. 2008 wurde die Ausstellung in Zürich eröffnet und tourt seitdem durch Europa.
Ein pharaonisches Disney World sind die Nachbildungen nicht geworden. Im Gegenteil: 1.000 Repliken der 5.000 Originalobjekte wurden maßstabsgerecht und minutiös von Dr. Mostafa El-Ezaby, einem der bekanntesten Bildhauer in Kairo, hergestellt. Zum Vergleich: Die berühmte Tutanchamun-Austellung Anfang der 1980 Jahre unter Schirmherrschaft von Anwar al-Sadat und Karl Carstens zeigte 55 Originalstücke. 1961 verlieh das Ägyptische Museum in Kairo zum ersten Mal Fundstücke ins Ausland.
Großer Publikumsmagnet
Seitdem sind Tutanchamun-Ausstellungen weltweit zu den großen Publikumsmagneten geworden. Die Angst des Menschen vor seinem rätselhaften Tod ist die eine große menschliche Konstante, die sich über die Kunst von damals zu uns vermittelt.
Fünf Jahre lang bereitete ein renommiertes internationales Team die Ausstellung vor, die aus drei Teilen besteht: sie führt kurz und übersichtlich in die pharaonische Geschichte ein, stellt anschließend die Fundsituation nach und erzählt dabei die spannende Geschichte der Entdeckung des Grabes durch Howard Carter 1922, wie sie von zeitgenössischen Fotos bekannt sind.
Über 2.800 erstklassige Glasnegative von der Öffnung des Grabes verdanken wir Harry Burton, dem Fotografen des Metropolitan Museum of Art. Im letzten Teil der Ausstellung wird ein Teil des spektakulären Grabschatzes ausgestellt: goldene Särge und gewaltige Schreine, die kaum in die Sargkammer passten – Masken, Beigaben für sein Leben im Jenseits, Schmuck, Streitwagen, Amulette, die Särge seiner Kinder, ein Thron und vieles mehr. Das Original der weltbekannten Grabmaske des jungen Pharaos ist aus 11kg Gold gefertigt.
Für die Nachbildungen wurden neben Epoxidharz und Gips Originalmaterialien wie Holz und Stein sowie Blattgold benutzt – nur kein reines Gold wie zu Lebzeiten Tutanchamuns. Trotzdem wirken die Exponate massiv und tatsächlich ist man von ihrer Schönheit ergriffen.
Dem Bildhauer wurde schon angeraten, seine Arbeiten zu signieren, um Verwechslungen mit dem Original zu vermeiden. Hier treten die modernen ägyptischen Kunsthandwerker hervor, die zum Teil alte Techniken nutzen und äußerst exakte Replikate fertigen können.
Nur eine Ausstellung von Kopien kann die Exponate aus nächster Nähe und ohne Glaskasten zeigen. Knapp fünf Millionen Euro wurden für die gesamte Ausstellung ausgegeben. Der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung Dr. Martin von Falck versteht die Repliken als didaktisches Anschauungsmaterial, das auch verteilte Funde wieder zusammenführt.
Künstler, Wissenschaftler und Freunde des alten Ägyptens werden jedoch immer das Original sehen wollen. So weisen die Macher der Ausstellung auch gleich zu Beginn der Audio-Führung sehr deutlich darauf hin, dass es sich allein um Kopien handelt und raten, wenn möglich, die Originalstätten zu besuchen.
Brücke zur Gegenwart
Die Macher der Ausstellung kommen aus dem "Edutainment"-Bereich. Produzent und Veranstalter ist ein deutscher Unternehmer, der insbesondere Popkonzerte sowie Musicals organisiert. Das beeindruckende Rahmenprogramm beschäftigt sich nicht nur mit der pharaonischen Vergangenheit, sondern schlägt eine Brücke zu aktuellen Künstlern und Entwicklungen im Land.
So las Khaled al-Khamissi, Autor des Bestsellers "Taxi", aus seinem neuen Buch "Arche Noah" und Khaled Hafez wurde zu einem Videoworkshop mit Studenten der Berliner Technischen Hochschule (BTK) zum Thema "Ägypten in Berlin" eingeladen.
Den ersten Preis gewann die Video-Installation "The Desire for Freedom" basierend auf 540 handgemalten Einzelbildern, der zweite Preis ging an einen Zeichentrickfilm mit dem Titel "Der Sahnetraum" und den dritten Platz belegte ein Stop-Motion-Film mit dem Titel "Google World View".
Überall findet derzeit ein Kampf über die Deutungshoheit über die Mubarak-Ära statt – auch in der Ägyptologie. Die ehemalige Leiterin des ägyptischen Nationalmuseums, Wafa Saddik, legte kürzlich ihre Erinnerungen als stramme Opponentin ab. Die Geschichte der Tutanchamun-Ausstellungen spiegelt auch immer die wechselhaften Beziehungen zwischen Europa, den USA und Ägypten wider.
Sonja Hegasy
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de