Mit Verschwörungstheorien gegen Islamisten
Manche seiner Befürchtungen, etwa der "Beginn eines neuen Kalifats" – so verständlich sie noch unter dem Eindruck der ersten Wahlerfolge islamistischer Parteien im arabischen Nordafrika gewesen sein mögen – sind nach dem Militärputsch in Ägypten und angesichts der andauernden Regierungskrise in Tunesien überholt. Andere seiner Betrachtungen wiederum sind so irritierend, dass sie auch nicht als Folge des algerischen Bürgerkriegstraumas zu entschuldigen wären.
Ende 1991 nämlich hatte in Algerien das Militär eine Regierungsbildung durch die fundamentalistische "Islamische Heilsfront" gewaltsam vereitelt, und als daraufhin ein Teil der anschließend massiv verfolgten Islamisten zu den Waffen griff, kosteten ihre Anschläge und die Gegengewalt der Regierung Abertausende das Leben.
Auch wenn Sansal einräumt, dass der "radikale Islamismus" im Land "militärisch besiegt" ist, sieht er ihn dennoch auf dem Vormarsch. Für diese befremdliche Einschätzung bleibt er den Beleg ebenso schuldig wie für seine plakative These, der algerische Islamismus sei Produkt eines "weltweiten Plans, den die Muslimbrüder und Saudi-Arabien ersonnen hatten, und der durch al-Qaida, eines ihrer Werkzeuge, in die Tat umgesetzt wurde".
Angekommen im Reich der Verschwörungstheorien
Für Sansal steht außer Zweifel, dass zwischen der "Krake" al-Qaida und den Muslimbrüdern "Querverbindungen" bestehen: "dieselben Menschen, dieselben Ideen, dieselben Netzwerke, tausendfach miteinander verbunden". Vergebens sucht man auch für seine Behauptung Beweise, der heutige Islamismus sei trotz aller inneren Rivalitäten ein global agierender "pulsierender Körper", der die "ganze Welt" islamisieren wolle. Dies ist nicht mehr nur Polemik, sondern gehört schon ins Reich der Verschwörungstheorien.
Und so überrascht auch nicht, dass Sansal Islamismus mit Faschismus gleichsetzt, wobei er hier offensichtlich zwischen reformorientierten demokratischen Akteuren und islamistischen Terroristen nicht unterscheiden will – für ihn ist alles ein "mörderischer Faschismus", dessen Verzweigungen nun auch bis zu den Muslimen in Europa reichten. Gegenüber den Umtrieben der Islamisten verhielten sich, so der Pauschalvorwurf, die wenigen aufklärerischen Kräfte in der arabischen Welt viel zu passiv.
Dass aber muslimische Publizisten schon seit Jahren der Argumentation des islamistischen Lagers entschieden entgegentreten, verschweigt Sansal. Zu einem besseren Verständnis des komplexen Phänomens Islamismus taugt sein Essay, der sich auch noch als eine Einführung in den Islam versteht, jedenfalls nicht.
Joseph Croitoru
© Qantara.de 2014
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
Boualem Sansal: "Allahs Narren. Wie der Islamismus die Welt erobert", Merlin Verlag 2013, 165 Seiten