Modische Polemik mit alten Wurzeln
Wie weit polemische Islam-Vergleiche im Westen zurückreichen, veranschaulicht in dieser Sonderausgabe der in Bern lehrende Islamwissenschaftler Reinhard Schulze. So war es bereits in der nach-napoleonischen Ära üblich, die Führer der französischen Revolution als Anhänger einer politischen Religion zu denunzieren, wobei sie in ihrem Fanatismus mit dem Islam assoziiert wurden – Robespierre wurde gar als "neuer Mahomet" bezeichnet.
In den Jahren des deutschen Kulturkampfes nutzten religiöse Publizisten solche Analogien, um politische Rivalen als Vorboten eines "neuen Islam" zu diffamieren. Auch im nationaldeutschen Diskurs der Zeit fehlte eine derartige Polemik nicht, sie zielte allerdings weniger auf den Aspekt der vermeintlichen Ketzerei und war eher als Despotie-Vorwurf gemeint.
Hitler und Mussolini als "Propheten"
Der deutsche Philosoph Constantin Frantz, ein Gegner der Deutschlandpolitik Preußens, setzte Bismarck mit Mohammed gleich und sein Regime mit dem Islam. Mit dem Aufkommen des Faschismus wurde bei der Verwendung von Islam-Analogien erneut das Thema religiöser Fanatismus virulent, den ausländische Beobachter bei Mussolini auszumachen glaubten.
Der italienische Diktator wurde wie auch später Hitler häufig "Prophet" genannt. "Man kann den Nationalsozialismus nicht verstehen", erläuterte im Dezember 1938 der schweizerische Theologe Karl Barth in einem Vortrag, "wenn man ihn nicht in der Tat als einen neuen Islam, seinen Mythus als einen neuen Allah und Hitler als dessen Propheten versteht".
Worin genau die Gemeinsamkeiten von Islam und Faschismus bestehen sollten, blieb bei solchen polemischen Analogien stets unklar. Der deutsche Theologe Hans Ehrenberg, Mitbegründer der Bekennenden Kirche, war einer der ersten, der in einem Aufsatz von 1941 auch handfeste Argumente für diesen Vergleich anführte.
Aus Reinhard Schulzes Sicht ist hier bereits fast das ganze argumentative Arsenal zu finden, aus dem Islamkritiker auch heute bei der Verwendung des Terminus "Islamofaschismus" schöpfen. Als erstes, so Schulze, werde der Islam als angeblich im Kern faschistisch entlarvt. Dann zitiere man sozusagen als repräsentativ einige positive Äußerungen von Arabern oder Muslimen über Hitler und Mussolini.
Vergleiche im Zusammenhang mit der islamischen Revolution
Schließlich werde auf das eine oder andere muslimische Land verwiesen, dessen repressives Regime dem faschistischen Staatsmodell entlehnt sein soll. Besonders letzterer Hinweis tauchte 1979 in westlichen Darstellungen der islamischen Revolution im Iran auf.
In diesem Kontext und als einer der ersten überhaupt soll der zeitweise in Deutschland als Orientalist wirkende Detlev Khalid Duran (1940–2010) den Begriff "Islamofaschismus" verwendet haben. Zum gängigen Schlagwort wurde er, als Duran ihn im Juli 2001 in einem Interview mit der konservativen Zeitung "The Washington Times" aufgriff und diesmal auf den Islamismus bezog.
Eine steile Karriere machte der Begriff nicht gleich nach 9/11, sondern, wie Schulzes Statistiken zeigen, erst in den Jahren 2005 bis 2008. Hochkonjunktur hatte er 2006, ausgelöst wohl durch die Äußerungen des damaligen amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush. So warnte Bush am 7. August vor dem Islamofaschismus als fester Ideologie, die sich des Nahen Ostens zu bemächtigen drohe und deshalb bekämpft werden müsse.
Zunehmende Verbreitung unter Rechtspopulisten
Vier Tage später sprach er von einem Krieg der amerikanischen Nation gegen die "islamischen Faschisten", denen jedes Mittel recht sei, den freiheitsliebenden Amerikanern und ihrer Nation zu schaden. Heute, wie Stefan Wild in seiner Einleitung anmerkt, findet der Begriff Islamofaschismus besonders in Europa – unter Rechtspopulisten und -extremisten – immer größere Verbreitung, was auch deshalb beunruhige, weil er von der Fachwelt bislang weitgehend unreflektiert geblieben sei.
Tatsächlich zeigt schon der Beitrag des deutschen Historikers Joachim Schlotyseck aus dem sehr lesenswerten Heft mit insgesamt zwölf Aufsätzen, wie problematisch die Übertragung des Phänomens Faschismus auf die arabische Welt ist. Denn dort hatte es nur oberflächliche Versuche – und dies bei nur vereinzelten und dazu noch politisch wenig erfolgreichen Gruppierungen – gegeben, faschistische Vorbilder zu imitieren.
Zudem fehlten die wichtigsten Faktoren, die die Forscher in Bezug auf Europa als Voraussetzungen für den Aufstieg faschistischer Bewegungen betrachten: ein zentralistischer Staat mit einer gut funktionierenden Bürokratie, ein hoher Grad an Urbanisierung und Säkularisierung sowie eine fest etablierte Demokratie, die sich die Faschisten zum Feind machten.
Joseph Croitoru
© Qantara.de 2013
"Islamofascism?", in: "Die Welt des Islams", Hg.: Stefan Wild, Bd. 52, H. 3-4, Winter 2012, Brill, Leiden
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de