Literarische Brücken
Der Transfer von Literatur zwischen den arabischen und deutschsprachigen Buchmärkten fällt bis heute leider spärlich aus. Hierzulande ist daher nach wie vor nur wenig bekannt, was derzeit zum Beispiel in der zeitgenössischen Literaturszene Syriens oder Ägyptens vor sich geht, worüber junge Autoren dort schreiben und diskutieren. Und umgekehrt verhält es sich genauso aus.
Die Zerrissenheit des arabischen Buchmarktes führt zudem dazu, dass, selbst wenn Titel von Elfriede Jellinek, Uwe Timm oder Feridun Zaimoglu in einem ungewöhnlich engagierten Verlag wie Merit in Kairo erscheinen, diese trotzdem noch längst nicht in Beirut, Damaskus oder Rabat zu haben sind. Einen wirklich organisierten Vertrieb gibt es in der arabischen Welt noch immer nicht.
Mit zahlreichen Initiativen versucht das Goethe-Institut in Kairo - als Zentrale im arabischsprachigen Raum - diese Mißstände nun zu beseitigen. Als wirklichen Höhepunkt dieser Bemühungen kann man wohl den in diesem Jahr erstmals verliehenen deutsch-arabischen Übersetzerpreis sehen – auch deshalb, weil in beiden Preis-Kategorien ("Etablierter Übersetzer" und "Nachwuchsübersetzer") zwei wirklich interessante Persönlichkeiten mit ungewöhnlichen Projekten von der Jury als preiswürdig erkannt wurden.
Sie entsprach damit (wie die Laudatoren der Preisträger, die Übersetzer Larissa Bender und Hartmut Fähndrich, in Leipzig betonten) durchaus den hochgesteckten Bedingungen der Ausschreibung, was Originaltreue, Angemessenheit der Wiedergabe und literarische Qualität betraf.
Nabil Haffar – Vermittler zwischen den Kulturen
Nabil Haffar hatte zu einem Kapitel aus Jenny Erpenbecks Roman "Heimsuchung" gegriffen und gewann mit dessen meisterlichen Übersetzung den Preis. Wohl zu Recht, denn ohne seine Übersetzungen gäbe es beispielsweise Theaterstücke von Bertolt Brecht, Roland Schimmelpfennig oder Heinar Kipphardt nicht auf Arabisch.
Dass es sich hauptsächlich um Bühnenwerke handelt, die Haffar bisher übersetzt hat, liegt an seinem Hauptberuf: Nach dem Germanistikstudium in Leipzig promovierte er 1988 an der Humboldt-Universität Berlin im Fach Theaterwissenschaften, wurde Prorektor der Theaterhochschule in Damaskus und ist bis heute in Syrien als Theaterkritiker bekannt, unter anderem als Redakteur der syrischen Theaterzeitschrift "Theaterleben".
Zugleich ist er auch Redakteur der Übersetzungszeitschrift "Brücken" – kurz: Nabil Haffar ist in der Tat ein Mann der Kultur und der Vermittlung zwischen den Kulturen.
Nach dem Brüder-Grimm-Übersetzerpreis 1982 und dem Kritikerpreis des internationalen Theatertages in Damaskus 2007 erhielt er wohl verdient den mit 7.500 Euro dotierten Hauptpreis des Goethe-Instituts.
Hala Ghoneim – Dozentin und Nachwuchsübersetzerin
Bei Hala Ghoneim gelang indessen das, was eine weitere Intention des Übersetzerpreises gewesen war: Die 1963 in Kairo geborene Germanistin wurde erst durch die Ausschreibung dazu gebracht, sich erstmals einen deutschen Roman zur Übersetzung vorzunehmen (sie wählte Stephan Mühldorfers "Tagsüber dieses strahlende Blau"). Dabei war sie schon lange dazu prädestiniert.
Ghoneim ging in Kairo, Tunis und Ost-Berlin zur Schule, studierte nach dem Abitur in der DDR Germanistik in Kairo, anschließend in den USA, woraufhin sie zunächst englischsprachige Kinderbücher übersetzte. Seit ihrer Promotion 1995 in Kairo hielt sie germanistische Seminare zur neueren deutschen Literatur und zum Thema Übersetzung.
Seit 2000 unterrichtet sie auch in der Sprachabteilung des Goethe-Instituts in Kairo und wurde 2009 in das Evaluationskomitee des "Documentation and Research Centre for Childrens Literature" in Ägypten berufen. Durch den Preis wird sie nun mit einem Stipendium als "Nachwuchsübersetzerin" den Roman in Deutschland zu Ende übersetzen können.
Übersetzer als Fährmänner zwischen den Sprachen
Bei der Verleihung der Preise im Rahmen der Leipziger Buchmesse konnte man die Begeisterung der beiden Preisträger für die deutsche Sprache und Literatur erleben. In einem kurzen Podiumsgespräch mit Stefan Weidner, der ebenso wie die Laudatoren (und auf arabischer Seite unter anderem Alaa al Aswani) der Jury angehört hatte, beschrieben Hala Ghoneim und Nabil Haffar ihre Arbeit an den Texten, ihren Enthusiasmus dafür und ihre Liebe zur deutschen Sprache.
Nabil Haffar warf zum Schluss allerdings auch die Frage auf, ob eine Beschränkung des Preises auf das Übersetzen von ausschließlich zeitgenössischer Literatur Sinn mache – schließlich dürften die Klassiker nicht in Vergessenheit geraten.
In der ersten Rede der Veranstaltung hatte Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Goethe-Instituts, das Bild vom Übersetzer "als Fährmann zwischen den Sprachen" eingeführt – der diesjährige deutsch-arabische Übersetzerpreis war ein schöner erster Schritt, weiteren "Fährmännern" wie Nabil Haffar und Hala Ghoneim die verdiente Ehrung oder fruchtbare Anregung zu verschaffen. Denn solche begeisterten Vermittler wie sie kann es nicht genug geben.
Axel von Ernst
© Qantara.de 2010
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
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Mehr Info zum Übersetzerpreis (beim Goethe-Institut Kairo)