Auf der Holperstrecke zur Demokratie

2011 begleitete die deutsch-iranische Regisseurin Fatima Geza Abdollahyan den "Freedom Bus" auf seiner Fahrt durch Ägypten und wurde Zeugin der vielen gescheiterten politischen Bildungsversuche auf dem Weg zur Demokratie am Nil. Entstanden ist daraus eine beeindruckende Dokumentation. Von Maha El Nabawi

Von Maha El Nabawi

Nach ihrem Debüt "Kick in Iran" aus dem Jahr 2010 widmet sich Fatima Geza Abdollahyans zweite Dokumentation erneut einem politisch höchst brisanten Thema: Es handelt sich um ein beeindruckendes Porträt eines Landes auf dem Weg zur Demokratie, das es bislang noch nicht erlebt hat. Die 90minütige Dokumentation "Freedom Bus" erzählt die Geschichte des 39-jährigen Ashraf Sharkawy, der sein bequemes Leben als erfolgreicher Manager in Deutschland hinter sich lässt, um kurz nach dem Sturz Mubaraks in Ägypten eine Demokratisierungskampagne vom Volk für das Volk ins Leben zu rufen.

Sharkawy, der in Deutschland in einer ägyptischen Familie geboren und aufgewachsen ist, entwickelt mit Unterstützung einiger Freiwilliger die Kampagne "Freedom Bus". Indem sie ein Bewusstsein für die grundlegenden Ideen und Begriffe der Demokratie schafft, will sie die Menschen in Ägypten ermutigen, und in die Lage versetzen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Von März bis Dezember 2011 begleitete Abdollahyan den "Freedom Bus" auf Schritt und Tritt auf seiner Fahrt durch Ägypten und wurde Zeugin der vielen gescheiterten Versuche und Blockaden, mit denen die unparteiische Demokratisierungs­kampagne in Ägypten konfrontiert wurde. Ihr Film dokumentiert vor allem die Realisierung des Projekts aus organisatorischer Sicht, schafft aber ebenso Verständnis für die emotionalen Konflikte, denen Sharkawy gegenüberstand. Die Dokumentation rückt aber auch die oft polarisierten Demokratiewahrnehmungen des ägyptischen Volks in den Fokus. Auf ihrer Reise von Stadt zu Stadt werden Sharkawy und sein Team immer wieder mit provozierenden Fragen nach Parteizugehörigkeit und Sponsoren konfrontiert und müssen sich der anhaltenden Debatte über die Möglichkeit eines liberalen Islams in Ägypten stellen.

Entfremdung von der eigenen Kultur

Fatima Geza Abdollahyan hat einem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften, einen Master in International Relations sowie einem zusätzlichen Abschluss als Dokumentarfilmerin. Auf die Frage, wie ihr die Idee zu "Freedom Bus" gekommen sei, antwortet sie: "Ashraf und ich sind alte Freunde. Wir haben vieles gemeinsam, da wir beide in Deutschland geboren wurden, aus Familien der Mittelschicht stammen und eine sehr gute Bildung sowie all die Privilegien genossen haben, die es mit sich bringt in Deutschland aufgewachsen zu sein."

Ashraf Sharkawy und Fatima Geza Abdollahyan hatten in den letzten Jahren häufig die Frage diskutiert, was man den Eltern und ihren Herkunftsländern schuldet für das, was sie für die beiden getan haben. "Doch wir fühlten uns gleichzeitig auch oft von unseren Kulturen entfremdet und haben Wege gesucht, zu unseren Wurzeln zurückzufinden", erzählt Abdollahyan.

Sharkawy habe kurz vor Mubaraks Rücktritt erstmals die Idee zu "Freedom Bus" gehabt, so die Regisseurin. Im März 2013 entschied er sich, alles stehen und liegen zu lassen und zurück nach Ägypten zu gehen, um seine Idee in die Tat umzusetzen. Abdollahyan sollte ihn auf seiner Reise mit dem "Freedom Bus" von Anfang bis Ende begleiten und das Projekt dokumentieren.

Während Abdollahyan das Film-Projekt "Freedom Bus" im Großen und Ganzen als Erfolg wertet, war das Ringen um mehr Demokratie am Nil jedoch eher eine holprige Angelegenheit. Davon zeugt beispielsweise eine Szene, die eine hitzige Auseinandersetzung zwischen zwei Männern zeigt, die darüber streiten, ob es so etwas wie einen "liberalen Islam" geben könne. Zu Konflikten kommt es auch immer wieder, als Besucher des Busses das Projekt und die Absichten der Organisatoren infrage stellen – Anzeichen einer stärker werdenden Fremdenfeindlichkeit im postrevolutionären Ägypten.

Steiniger Weg zur Demokratie

"Es war für uns als Filmteam schwierig, die Arbeit des 'Freedom Bus' zu dokumentieren", sagt Abdollahyan. "Irgendwann mussten wir aufhören vor Ort zu drehen und unsere Kamerafrauen zurückschicken. Wir mussten dann mit einem ägyptischen Kameramann zusammenarbeiten, um einige Schwierigkeiten zu vermeiden. Manchmal ließen uns Besucher des Busses nicht filmen, nannten uns 'Amerikaner' und fragten, was der Film mit der eigentlichen 'Freedom Bus'-Kampagne zu tun hätte", berichtet Abdollahyan.

Doch ihre kritischen Reaktionen seien zum Teil nachvollziehbar gewesen, so Abdollahyan. "Nach der Revolution klaffte im Land eine offene Wunde – die Menschen wussten nicht, wem sie vertrauen und glauben konnten. Deshalb verstand ich ihr Misstrauen."

Trotz der vielen positiven Erfahrungen im Verlauf der "Freedom Bus"-Kampagne und des insgesamt sehr erfolgreichen Filmprojekts erfuhr man weder über die ägyptischen Nachrichten noch über die Dokumentation selbst ausreichende Informationen über die genauen Ziele der Kampagne. Bedeutende politische Akteure, wie Pakinam Sharkawy, Mohammed Mursis Assistent während seiner einjährigen Amtszeit, oder der liberale Großindustrielle Ziad Ali, haben ihre Cameo-Auftritte in Abdollahyans Dokumentation, die jedoch völlig unkommentiert bleiben und somit Fragen nach der Orientierung und Intention des Films offen lassen.

Keine erweiterte Form des Journalismus

Gleichzeitig bietet der Film wenig relevante Hintergrundinformationen zu wichtigen politischen Ereignissen während des Drehs, wie beispielsweise die brutalen Zusammenstöße um die Mohamed-Mahmoud-Straße und das Maspero-Massaker in Kairo vom Herbst 2011.

Abdollahyan ist bekannt für ihren minimalistischen Stil. Sie vermeidet in ihren Filmen bewusst Hintergrundmusik und Narrative und lässt nur wenige Akteure zu Wort kommen.

"Ich glaube Dokumentationen können lediglich Sympathien wecken, sie sind keine erweiterte Form des Journalismus. Denn Journalismus beschäftigt sich nur mit Fakten. Wenn ich es also schaffe, einen Raum zu öffnen, indem ich meine ganz persönlichen Erfahrungen machen kann, wenn ich es schaffe, den Zuschauer emotional zu bewegen, dann wird man von ganz allein die Fakten ergründen wollen", erklärt die Dokumentarfilmerin.

"Ich würde nie einen Film machen und behaupten ich sei eine Expertin für das Thema – meine Expertise liegt in der Perspektive meines Protagonisten", so Abdollahyan.

Sharkawy lebt derzeit noch immer in Ägypten und bemüht sich um eine Erlaubnis, mit dem "Freedom Bus" auf eine zweite Tour gehen zu dürfen. Dies wäre eine hervorragende Gelegenheit für Abdollahyan und Sharkawy sich erneut zu treffen und die gesellschaftspolitischen Veränderungen in Ägypten seit Beginn der Kampagne von 2011 zu dokumentieren.

Maha El Nabawi

Aus dem Arabischen von Jana Duman

© Goethe-Institut Kairo 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de