Quo vadis Sarkozy?

Wie wird die Zukunft der französischen Nahostpolitik nach der Wahl Sarkozys aussehen? Die arabische Welt steht dem neuen französischen Präsidenten mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber, wie Hamid Skif berichtet.

Wie wird die Zukunft der französischen Nahostpolitik nach der Wahl Sarkozys aussehen? Die arabische Welt, gespalten zwischen Unsicherheit und Skepsis, steht dem neuen französischen Präsidenten mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber, wie Hamid Skif berichtet.

Jacques Chirac und sein Nachfolger Nicolas Sarkozy am Elysée-Palast; Foto: AP
Neuer und alter Präsident: Jacques Chirac (links) und Nicolas Sarkozy am Elysée-Palast in Paris

​​Nach dem Wahlsieg von Nicolas Sarkozy versuchen die Regierenden in der arabischen Welt die Folgen eines möglichen außenpolitischen Wandels Frankreichs abzuschätzen.

Während westliche Politologen keine großen diplomatischen Veränderungen erwarten, fürchten die arabischen Führer den neuen Präsidenten, den sie kaum kennen – der allerdings jüngst erklärte, dass es eine Kontinuität der vorherrschenden französischen Politik geben werde, die ausgewogen sei.

Und Sarkozy machte auch deutlich: "Ich werde die Sicherheit Israels garantieren, aber ich will auch eine Heimat für die Palästinenser, einen Staat für die Palästinenser, ich will die Unabhängigkeit für den Libanon, und ich will vertrauensvolle Beziehungen zu den verschiedenen arabischen Regierungen."

Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht, dürften die Dinge sich also nicht so schnell und umfassend ändern, wie von den arabischen Regierenden befürchtet. Der prognostizierte "Bruch" entspräche daher eher einer "korrigierten" Kontinuität, womit vermieden wäre, die Interessen Frankreichs in der arabischen Welt zu gefährden.

Bedauern über Chiracs Ausscheiden

Für manche Beobachter wird die Anwesenheit von Magnaten der "Chiracquie" an Sarkozys Seite, Leuten, die besser wissen, was außenpolitisch auf dem Spiel steht, für eine gewisse Kohärenz sorgen.

Jacques Chirac hat vierzig Jahre lang das politische Leben in Frankreich geprägt. Seine Herrschaft an der Spitze der Exekutive wird jedoch trotz der Sympathie, die der Mensch Chirac genießt, keine bleibende Erinnerung zurück lassen.

Der Abgang des Mannes, der versichert hatte, dass "Versprechen für diejenigen gemacht werden, die an sie glauben wollen", wird in der arabischen Welt ausdrücklich bedauert.

Chirac hatte so feste persönliche Verbindungen zu den arabischen Machthabern geknüpft, dass er, nachdem er den Elysée-Palast verlassen hat, in die ihm von der Familie Hariri überlassene Pariser Wohnung einzog.

Talal Salman, der Leitartikler der Beiruter Zeitung "Al-Safir", schrieb im März dieses Jahres: "Trotz der Kritik, die wir an bestimmten Positionen Jacques Chiracs üben können, ist die Wahrheit doch die, dass die Araber einen letzten Freund im Westen, sei es in Europa oder in Amerika, verlieren werden. Allenthalben heißt es, Frankreich sei unter Jacques Chirac ein Freund der arabischen Sache im allgemeinen und der palästinensischen Sache im besonderen gewesen. Seine Haltung zum Krieg der US-amerikanischen Besatzer im Irak war besonders couragiert."

Die Glückwunschtelegramme, die die arabischen Staatschefs an ihren neuen französischen Amtskollegen gesandt haben, mussten nicht tagelang formuliert werden, so wie das nach der Wahl François Mitterrands im Jahre 1981 der Fall war. Verwirrt und verunsichert über die Machtübernahme eines als israelfreundlich geltenden Sozialisten, benötigten die arabischen Staatschefs Zeit zum Reagieren.

Dieses Mal war sich sogar die libanesische Hisbollah des Gewichts Frankreichs im Libanon bewusst, die Monsieur Sarkozy gratulierte und sich eine ausgewogenere und "weniger nach einer Partei im Libanon oder in der Region ausgerichtete" Politik wünschte.

Verbundenheit mit dem Gaullismus

Trotz der von Nicolas Sarkozy deutlich bekundeten Sympathie für Israel, wo seine Wahl freudig begrüßt wurde, zeigten seine letzten Äußerungen, so die Zeitung "Al-Hayat", "dass er verstanden hat, dass das gaullistische Erbe Frankreichs geprüft werden musste".

Für die Pariser Korrespondentin der Zeitung hat Nicolas Sarkozy, dessen erste Auslandsreise als Präsidentschaftskandidat nach Israel führte, durchaus an seine Verbundenheit mit dem Gaullismus erinnert, die Politik seines Amtsvorgängers gewürdigt und "klar gemacht, dass die Freundschaft zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten nicht einer Unterwerfung gleichkommt noch bedeutet, dass es unmöglich ist, Meinungsverschiedenheiten zu artikulieren."

In Interviews der letzten Zeit hatte Sarkozy die vorrangige Bedeutung der Sicherheit Israels und seine "politische Verbundenheit mit der israelischen Demokratie" unterstrichen, eine leitmotivartige Formulierung, die er auch bei einem Essen mit den in Frankreich akkreditierten arabischen Botschaftern seinen Gästen gegenüber verwendet hat.

Politische Unausgewogenheit

Zum anderen betonte er fortwährend, dass er auf die Errichtung eines unabhängigen und lebensfähigen palästinensischen Staates hinwirken wird, der friedlich an der Seite Israels existiert. Und im letzten Sommer bezeichnete er den von Israel im Libanon geführten Krieg als "unangemessene Antwort".

In einem Interview mit einem israelischen Medium hat Sarkozy ferner darauf hingewiesen, dass er den Friedensplan Riads unterstützt, der Israel als Gegenleistung für die Beendigung der Okkupation der 1967 besetzten Gebiete den Frieden angeboten hat.

Der Zeitung "Le Monde" zufolge schrieb Nicolas Sarkozy 2001 in seinem Buch "Libre", seine Verbundenheit mit der israelischen Demokratie habe lange Zeit eine "Haltung des Unverständnisses und sogar eine gewisse Indifferenz“ gegenüber der arabischen Welt verstärkt, einem "Universum", das er wenig kenne und das ihm damals "fremd" gewesen sei.

Fünf Jahre später ist die Unausgewogenheit noch nicht korrigiert worden, wie der mit dem Titel "Die arabische Welt" überschriebene Abschnitt des im Sommer 2006 erschienenen Buches "Témoignage" zeigt, der mehr Zeilen über Israel als über die "arabische und muslimische Welt" enthält.

Hamid Skif

© Qantara.de 2007

Übersetzung aus dem Französischen von Heribert Becker

Qantara.de

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