Letzte Hindernisse für Ankara

Auf dem Gipfel Mitte Dezember werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU mit dem Beitrittswunsch der Türkei beschäftigen. Schon die Vorbereitungen des Treffens stellen sich als nicht unproblematisch dar.

Von Bernd Riegert

Heiß umstritten in Brüssel ist in diesen Tagen der Entwurf für das Abschlussdokument des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs am 17. Dezember 2004. Es geht zwischen den 25 EU-Botschaftern um die richtigen Worte für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die seit 40 Jahren um Aufnahme wirbt.

Nachdem die EU-Kommission im Oktober festgestellt hat, dass die Türken die politischen Beitrittskriterien des Gipfels von Kopenhagen aus dem Jahr 2002 erfüllen, zweifeln nicht mehr viele in Brüssel daran, dass das Zusammenfinden der ungleichen Partner nun auch offiziell bekannt gegeben wird.

Frankreich will eine Hintertür behalten

Allerdings hat eine Reihe von EU-Mitgliedsstaaten Bedenken angemeldet und möchte erreichen, dass die Gipfelerklärung Rücksicht auf nationale Empfindlichkeiten nimmt.

Frankreich möchte zum Beispiel als Endziel von Verhandlungen nicht nur den Beitritt der Türkei in zehn Jahren, sondern auch so etwas wie eine "privilegierte Partnerschaft" als Option festschreiben. Außerdem soll das Recht der Franzosen betont werden, in einer Volksabstimmung die politische Hochzeit mit der Türkei komplett abzulehnen.

Schließlich wünscht Frankreich, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erst im zweiten Halbjahr 2005 aufzunehmen, um Kollisionen mit dem für Juni geplanten EU-Verfassungsreferendum zu vermeiden. Dem französischen Präsidenten Jacques Chirac ist dieses Zurückrudern ein wenig peinlich.

Persönlich sei er nach wie vor für die Türkei als EU-Mitglied, aber er müsse Rücksicht auf die ablehnende Stimmung in seiner Regierungspartei UMP nehmen, heißt es von französischen Diplomaten.

Schröder gegen eine privilegierte Partnerschaft

Ein anderes Verhandlungsziel als volle Mitgliedschaft kommt für die EU-Kommission nicht in Frage, erklärte der neue Erweiterungskommissar Olli Rehn. Man könne ja auch nicht ein bisschen verheiratet oder schwanger sein.

Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnt Gedankenspiele um eine privilegierte Partnerschaft rundweg ab, auch im Hinblick auf die deutsche Opposition. CDU und CSU haben erst am ersten Dezember-Wochenende in einem Brief an den Kanzler heftig gegen eine Aufnahme der Türkei argumentiert.

Geradezu gereizt reagierte der türkische Außenminister Abdullah Gül Anfang Dezember auf die Frage, was er zu einer Mitgliedschaft zweiter Klasse sage. "Wir beginnen Verhandlungen nur mit dem Ziel der vollen Mitgliedschaft", sagte Gül. Etwas anderes komme gar nicht in Frage. Man habe schließlich alle Vorgaben erfüllt.

Wenn Türken, dann auch Kroaten

Auf der Zielgeraden zum Türkei-Gipfel hat auch Österreich seine Bedenken bekräftigt und mixt die Frage jetzt mit der von einigen Staaten kritisch gesehenen Aufnahme Kroatiens. Aus Wien heißt es, nur wenn die Österreich-nahen Kroaten einen Verhandlungstermin bekommen, sind auch die Türken willkommen.

Und dann wären da noch die schwer berechenbaren Zyprer. Der Präsident der überwiegend von griechischen Zyprern bewohnten Republik Zypern, Tasso Papadoupolos, hat indirekt erkennen lassen, dass er sich seines Vetorechts durchaus bewusst ist.

Zypern ist im Mai als geteilte Insel in die Union eingetreten. Der Nordteil wird seit dreißig Jahren von türkischen Truppen besetzt. Jetzt fordert die Republik Zypern die völkerrechtliche Anerkennung durch Ankara noch während des Gipfels.

Was wagt der zyprische Präsident?

Das wagt er nicht, mutmaßen viele EU-Diplomaten vorab. Das kleine Zypern werde sich nicht gegen den Willen der Mehrheit stellen. Oder doch? Schließlich hat die zyprische Führung im April auch die Wiedervereinigung der Insel durch eine negative Volksabstimmung der griechischen Zyprer verhindert.

So ringen die EU-Botschafter um jedes Komma im Gipfelpapier. Die endgültige Entscheidung wird wohl erst nach langen Beratungen der Staats- und Regierungschefs am 17. Dezember fallen.

Der konservative luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, kein begeisterter Türkei-Fan, hatte schon vor einem Jahr gesagt: "Keiner ist so recht begeistert über die Türken in der EU, aber keiner traut sich das laut zu sagen. Jetzt ist es zu spät, ernsthaft über Alternativen zum Beitritt nachzudenken." Diese Einschätzung gilt vielleicht immer noch.

Bernd Riegert

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004

Mehr Berichte über die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei finden Sie in unserem Web-Dossier