„Strikte Einhaltung des Völkerrechts“
Nach dem von der Hamas angeführten Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 dauert Israels Krieg in Gaza nunmehr seit über neun Monaten an. Gaza, ein palästinensisches Gebiet, das seit 1967 unter israelischer Besatzung steht, ist ebenso wie Israel und die palästinensischen Gebiete Ostjerusalem und Westjordanland etwa so weit von Europa entfernt wie Prag von Berlin. Dennoch ist die Europäische Union fast völlig abwesend, wenn es darum geht, tatsächliche Veränderungen vor Ort zu bewirken.
Vergleicht man diese Abwesenheit mit anderen Themenkomplexen der „europäischen Nachbarschaft“, zu der auch Israel und Palästina gehören, wird der Mangel an Engagement noch auffälliger: etwa dem Krieg in der Ukraine oder der Migration im Mittelmeerraum.
„Die Europäische Union ist fast völlig abwesend, wenn es darum geht, tatsächliche Veränderungen vor Ort zu bewirken.“
Daraus ergeben sich wichtige Fragen: Sollte die EU im Israel-Palästina-Konflikt eine aktivere Rolle übernehmen? Wie könnte die EU stärker einbezogen werden? Und was sind die Hindernisse, für ein solches Engagement?
Europäische Nachbarschaft und EU-Politik
Die Europäische Union erkennt bereits an, dass Israel und Palästina Teil der umfassenderen „Europäischen Nachbarschaft“ sind; seit zwanzig Jahren gibt es eine Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP), die darauf abzielt, „Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in den Nachbarregionen der EU, sowohl im Süden als auch im Osten“, zu fördern. Dies ist die eigene Beschreibung des Europäischen Auswärtigen Dienstes über die ENP.
Die ENP kann auf der Grundlage ihrer eigenen Grundsätze vielfach kritisiert werden: Zu den erklärten Zielen gehört die Verpflichtung, sich zu Partnerschaften zu bekennen, die „auf gemeinsamen Werten, der Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Achtung der Menschenrechte und des sozialen Zusammenhalts beruhen“. Eine Verpflichtung, die angesichts der EU-Politik in den letzten zwanzig Jahren leicht in Frage gestellt werden kann.
Dennoch ist es mehr als gerechtfertigt, dass sich die EU in der Israel- und Palästina-Frage auf der Grundlage der Kernkomponenten dieser Politik engagiert. Die Demokratie in Israel steht vor großen Herausforderungen, zum Teil wegen der Angriffe der derzeitigen Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu auf israelische Institutionen von Recht und Ordnung, aber auch wegen eines breiteren Trends, dem bisher nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird: Das israelische politische Spektrum hat sich in den letzten zwanzig Jahren konsequent nach rechts verschoben. Dies hat dazu geführt, dass Ultranationalisten wie der Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich, die im europäischen Kontext zur extremen Rechten gehören würden, in der israelischen Politik mehr oder weniger Mitte-Rechts sind. Es ist wahrscheinlich, dass solche Politiker oder zumindest ihre extremen Ansichten in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden.
Das Demokratiedefizit in den besetzten palästinensischen Gebieten, sei es in Gaza vor dem letzten Krieg oder im Westjordanland, stellt zudem eine Herausforderung für die Stabilität eines zukünftigen palästinensischen Staates dar. Wenn wir „Rechtsstaatlichkeit“ oder „Achtung der Menschenrechte“ in Israel und Palästina vor dem Hintergrund der israelischen Besatzung hinzufügen, wächst die Liste der zu lösenden Probleme dramatisch.
„Das Demokratiedefizit in den besetzten palästinensischen Gebieten, sei es in Gaza vor dem letzten Krieg oder im Westjordanland, ist eine Herausforderung für jegliche Stabilität in einem zukünftigen palästinensischen Staat.”
Aber hier geht es um eine übergeordnete noch wichtigere Frage: der nach Sicherheit. Auch ohne eine Europäische Nachbarschaftspolitik wäre die EU gut beraten, ihren Einfluss geltend zu machen, um das Israel-Palästina-Problem anzugehen. Das war noch nie so offensichtlich wie in diesem Jahr, in dem der Konflikt in Israel und Palästina nicht nur das Leben der Palästinenser und Israelis, sondern auch die gesamte arabische Welt und den Nahen Osten im Allgemeinen zu destabilisieren droht.
Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Gefahr eines regionalen Konflikts an mehreren Orten zugenommen – mit täglichem Eskalationspotenzial. Ein Konflikt, der sich auf vielfältige Weise gravierend auf Europa auswirken würde. Einfach ausgedrückt: Eine stabile arabische Welt liegt im langfristigen Interesse Europas; eine arabische Welt und eine Nahost-Region in Aufruhr sind genau das Gegenteil.
Auch sollte die EU dem Schritt, den die spanischen und norwegischen Staats- und Regierungschefs bereits getan haben, Rechnung tragen: Wenn Europa in der internationalen Gemeinschaft glaubwürdig sein will, muss es entschlossen handeln, wenn es um Israelis und Palästinenser geht, oder es riskiert den Vorwurf, bei der Verteidigung der Ukraine gegen die russische Aggression mit zweierlei Maß zu messen. Das europäische Vorgehen in Bezug auf Israel und Palästina wirkt sich direkt auf die Fähigkeit Europas aus, internationale Unterstützung für seine eigenen Sicherheitsinteressen zu gewinnen.
Die Grundlage eines europäischen Ansatzes: Recht
Die Frage ist dann, wie und zu welchem Zweck die EU stärker einbezogen werden könnte. Auch in dieser Hinsicht ist die Antwort einfach, aber dennoch komplex. Die Europäische Union beruht im Wesentlichen auf der Rechtsstaatlichkeit; ein solcher Satz ist in zahlreichen Instrumenten der eigenen Verträge der Europäischen Union sowie in der aktuellen Politik enthalten.
Die Entwicklung und Integration der Union hing in hohem Maße von diesem Grundprinzip ab, und die erklärte Position der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist, dass sie im Wesentlichen auf der „Achtung internationaler Regeln“ beruht. Darüber hinaus zielt sie darauf ab, „die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu entwickeln und zu festigen“. Zu den Zielen der EU in der übrigen Welt gehört nämlich die „strikte Einhaltung des Völkerrechts“, wie es in Artikel 3 des Vertrags von Lissabon heißt.
„Die EU sollte dem Schritt, den die spanischen und norwegischen Staats- und Regierungschefs bereits getan haben, Rechnung tragen: Wenn Europa in der internationalen Gemeinschaft glaubwürdig sein will, muss es entschlossen handeln, wenn es um Israelis und Palästinenser geht, oder es riskiert den Vorwurf, mit zweierlei Maß zu messen.”
Angesichts dieser Grundprinzipien sollte die Leitlinie der EU die Wahrung des Völkerrechts sein. Wenn es um die Israel- und Palästina-Frage geht, sollte und wird dies die Unterstützung für die Beendigung der israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete und die Gründung eines palästinensischen Staates in diesen Gebieten bedeuten. Es ist ein einfacher Vorschlag, aber die Komplexität entsteht, wenn man das Haupthindernis für eine solche Vorgehensweise betrachtet; die Weigerung Israels, ein Ende seiner Besatzung zuzulassen, geschweige denn die Gründung eines palästinensischen Staates.
Einige EU-Staaten sowie europäische Nicht-EU-Staaten haben erkannt, dass die Besatzung nicht als Ergebnis freiwilliger Schritte des israelischen Staates enden wird, und haben daher einen umgekehrten Plan vorgelegt, obwohl dies nicht ausgesprochen wird. Die Strategie ist klar: einen palästinensischen Staat anerkennen, ein Vorstoß, der dann Druck auf die Israelis ausüben wird, die Gründung eines solchen Staates zu ermöglichen, was die Beendigung der Besatzung erfordert.
„Die Strategie ist klar: einen palästinensischen Staat anerkennen, ein Vorstoß, der dann Druck auf die Israelis ausüben wird, die Gründung eines solchen Staates zu ermöglichen, was die Beendigung einer Besatzung erfordert.“
In dieser Hinsicht schließen sie sich einem internationalen Konsens an; 144 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkennen den Staat Palästina bereits an, darunter eine Mehrheit der europäischen Staaten. Bei genauerer Betrachtung der Situation ist zu beachten, dass es in Europa bereits elf EU-Staaten (Schweden, Irland, Spanien, Slowenien, Tschechische Republik, Zypern, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Polen) und elf Nicht-EU-Staaten (Norwegen, Island, Serbien, Bosnien, Albanien, Ukraine, Weißrussland, Montenegro, Türkei, Georgien, Vatikanstaat) gibt, die volle diplomatische Beziehungen zum Staat Palästina unterhalten und dessen Anerkennung genießen.
Weitere acht EU-Staaten (Dänemark, Frankreich, Griechenland, Belgien, Portugal, Luxemburg, Malta und Estland) stimmten Anfang des Jahres für die UN-Vollmitgliedschaft Palästinas, ebenso wie ein Nicht-EU-Staat (Liechtenstein). Da eine Mehrheit der europäischen Staaten den Staat Palästina anerkennt, ist es nicht verwunderlich, dass die EU eine Vertretung in Ramallah unterhält, die bei der Palästinensischen Autonomiebehörde akkreditiert ist, wenn auch nicht beim Staat Palästina, da die EU-Mitgliedstaaten diese Entscheidung noch nicht getroffen haben.
Blockierung EU-weiter Beschlüsse zu Israel
Die EU steht jedoch vor zwei großen Hindernissen, wenn es darum geht, die Ziele dieser Strategie in vollem Umfang zu verwirklichen. Erstens ist sich die EU in der Frage der Anerkennung Palästinas nicht einig. Es gibt mehrere Mitgliedstaaten, die enge Verbündete Israels sind, wie die Tschechische Republik und Ungarn, die EU-weite Entscheidungen über Israel blockieren, insbesondere in Krisensituationen. Zweitens reicht der Einfluss, den die EU auf Israelis und Palästinenser im Allgemeinen und Israelis im Besonderen hat, nicht aus, um Verhandlungen voranzutreiben oder ihr Verhalten zu ändern.
„Der Einfluss, den die EU auf Israelis und Palästinenser hat, reicht nicht aus, um Verhandlungen voranzutreiben oder ihr Verhalten zu ändern.“
Zum einen steht die EU vor einem strukturellen Problem, das seit Jahrzehnten enorme Schwierigkeiten bereitet; dies wirkt sich auf seine Schritte in Bezug auf Israel und Palästina aus, aber auch auf viele andere Themen, wie z. B. die Ukraine. Ungarn war bekanntermaßen ein großes Hindernis bei der Verfolgung einer kohärenten und starken europäischen Haltung zur Invasion Russlands in der Ukraine, da Ungarn Moskaus Positionen innerhalb der EU immer wieder vertritt.
Trotz dieser Schwierigkeit ist es der EU gelungen, die Ukraine sowohl gemeinsam als auch auf bilateraler Basis zwischen den Mitgliedstaaten und der Ukraine erheblich zu unterstützen. Wenn es genügend politischen Willen gibt, werden die EU-Staats- und Regierungschefs Wege finden, ähnliche Hürden zu minimieren, wenn es darum geht, eine europäische Position zu Palästina und Israel zu verfolgen.
Dennoch ist offensichtlich, dass die Differenzen innerhalb der EU bezüglich Palästinas und Israel ausgeprägter sind als in Bezug auf die Ukraine: So gab es zu Beginn des jüngsten Krieges in Gaza deutliche Abweichungen zwischen der Position von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der Europäischen Kommission, und Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Letzterer kritisierte die Kommissionspräsidentin für eine „absolut pro-israelische Haltung“, und ihre Reise nach Israel im Oktober 2023 habe „einen hohen geopolitischen Preis für Europa“ gehabt. Die Unterschiede zwischen den beiden haben sich jedoch seit den ersten Tagen des Krieges erheblich verringert.
Natürlich ist die Entscheidung über das weitere Vorgehen eine politische. Europa ist da keine Ausnahme, und EU-Politiker auf verschiedenen Ebenen werden ihre Einschätzungen und Abwägungen entsprechend vornehmen. Wenn die Europäische Union jedoch konsequent in Bezug auf ihre eigenen Werte handeln will, sollten alle Entscheidungen auf der Achtung des Völkerrechts beruhen. Ist dies nicht der Fall, macht es wenig Sinn, eine „EU-Haltung“ zu einem dieser Themen zu diskutieren, da das Völkerrecht eine zentrale Rolle bei der Formulierung der EU-Außenpolitik gemäß den eigenen Verträgen der EU spielt.
Wenn die zentrale Stellung des Völkerrechts aufrechterhalten wird und der politische Wille innerhalb der EU stark genug ist, um ihre eigenen strukturellen Blockaden zu überwinden, muss die ultimative Frage nach der Hebelwirkung angegangen werden. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Arten von Hebel, die die EU in Betracht ziehen sollte: indirekte und direkte. Auch hier kommt es auf den politischen Willen und die Entschlossenheit der europäischen Politiker an, das Völkerrecht in den Mittelpunkt ihrer eigenen Politik zu stellen – nicht nur gemäß ihren eigenen Verpflichtungen gegenüber dem Völkerrecht, sondern auch gemäß dem Text und Geist der Gründungsverträge der Europäischen Union.
Instrumente und Hebel Europas
Es gibt direkte Einflussmöglichkeiten auf Israelis und Palästinenser, wobei diese bei letzteren viel stärker sind als bei ersteren. Die Hebelwirkung ist ein Schlüsselaspekt für die europäische Entscheidungsfindung. Borrell selbst hat erklärt, dass die internationale Gemeinschaft eine Zwei-Staaten-Lösung durchsetzen muss, selbst wenn Israel nicht bereit ist. Er hat damit indirekt argumentiert, dass Einfluss genutzt werden muss, um eine Verhaltensänderung voranzutreiben.
„Hier kommt es auf den politischen Willen und die Entschlossenheit der europäischen Politiker an, das Völkerrecht in den Mittelpunkt ihrer eigenen Politik zu stellen.“
In dieser Hinsicht sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Partner, da sie den größten Einfluss auf die Israelis ausüben, insbesondere bei den Vereinten Nationen, wo sie konsequent ihr Veto einlegen, um die Israelis vor Kritik zu schützen, und bei der Lieferung von Waffen an Israel, ohne die das israelische Verteidigungsestablishment gelähmt wäre. Verschiedene EU-Staaten, besonders Deutschland, spielen eine bedeutende Rolle in diesem Zusammenhang, aber immer noch weit weniger als Washington, D.C.
Es stehen der EU jedoch noch andere Instrumente zur Verfügung, die in Betracht gezogen werden sollten:
Anwendung des Sanktionsregimes gegenüber militanten palästinensischen Gruppen und der breiteren israelischen Siedlerbewegung: Der Europäische Rat hat das Sanktionsregime bereits auf eine kleine Anzahl israelischer Personen und Organisationen und eine größere Anzahl von Palästinensern angewendet. Es gibt bereits sehr restriktive Maßnahmen gegen diejenigen, die beispielsweise gewalttätige Aktionen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad unterstützen, erleichtern oder ermöglichen.
Anfang dieses Jahres hat die EU Sanktionen gegen eine Handvoll israelischer Siedler verhängt, die für Angriffe auf palästinensische Gemeinden in den besetzten Gebieten verantwortlich sind. Wenn die EU jedoch tatsächlich das Völkerrecht zur Grundlage ihrer Außenpolitik macht, dann sollten weitaus umfassendere Sanktionen gegen das breite Konglomerat der Siedlerbewegung in Betracht gezogen werden, das per definitionem gegen das Völkerrecht verstößt, indem es sich in den besetzten Gebieten niederlässt.
„Wenn die EU das Völkerrecht zur Grundlage ihrer Außenpolitik macht, dann sollten umfassendere Sanktionen gegen das breite Konglomerat der Siedlerbewegung in Betracht gezogen werden, das per definitionem gegen das Völkerrecht verstößt.“
Dazu gehören israelische Minister, so unangenehm das in manchen Kreisen auch sein mag, und alle Importe, die aus diesen besetzten Gebieten kommen, wie es beispielsweise Belgien gefordert hat.
Konsequenzen durch die Schritte des IGH (Internationaler Gerichtshof) und des IStGH (Internationaler Strafgerichtshof) für israelische und palästinensische Beamte und Persönlichkeiten: Es ist nicht nur die Siedlerbewegung, die in dieser Hinsicht zur Diskussion gestellt werden sollte. Als Gruppierung, die sich auf die Aufrechterhaltung des Völkerrechts konzentriert, sollten Israels Handlungen, die die Urteile des Internationalen Gerichtshofs ignorieren oder ablehnen, wo Israel derzeit wegen des Vorwurfs des Völkermords auf der Anklagebank sitzt, ein Grund für Sanktionen gegen andere israelische Beamte und Politiker sein. Das Gleiche sollte für den Internationalen Strafgerichtshof gesagt werden, wenn Haftbefehle gegen Hamas- und israelische Beamte ausgestellt werden; es sollte keine Frage sein, dass alle derartigen Haftbefehle von allen europäischen Staaten aufrechterhalten werden müssen.
Überprüfung des Assoziierungsabkommens: Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel enthält eine Reihe von Bestimmungen, die sich auf die Menschenrechte beziehen, deren Verletzung gut dokumentiert ist. Dies sollte allein schon ein ausreichender Grund für die Verhängung von Sanktionen sein. Eine Überprüfung des Abkommens, wie sie Spanien und Irland im Februar dieses Jahres gefordert haben, ist nicht nur angebracht, sondern es sollte angesichts der aktuellen Situation auch eine Aussetzung in Betracht gezogen werden, es sei denn, die israelische Regierung unternimmt wesentliche Schritte. Dies erfordert einen erheblichen politischen Willen innerhalb der EU, da die Mitgliedstaaten in dieser Frage gespalten sind.
Wirtschaftliche Maßnahmen: Andere wirtschaftliche Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden, wie z. B. die Aussetzung von Investitionen in Israel durch staatliche Einrichtungen, EU- und Nicht-EU-Staaten gleichermaßen. Der Druck der EU auf Israel in dieser Hinsicht ist nicht unerheblich, insbesondere wenn es um den Handel geht, wenn man bedenkt, dass die EU mit fast einem Drittel seiner Exporte der größte Handelspartner Israels ist.
Einfluss auf die Palästinenser: Die EU hat wenig Einfluss auf die Hamas, jedoch gibt es bereits ein System von Beschränkungen und Sanktionen in dieser Hinsicht. Angesichts der Hilfspakete, die die EU derzeit den Palästinensern zur Verfügung stellt, hat sie einen erheblichen Einfluss auf die Palästinensische Autonomiebehörde. Die EU sollte sich in dieser Hinsicht auf „mehr für mehr“ konzentrieren – nicht durch die Androhung eines Rückzugs der Hilfe, insbesondere in Zeiten enormen Leids, sondern durch das Angebot eines verbesserten Zugangs zu den europäischen Märkten für den palästinensischen Handel im Austausch für Verbesserungen der Regierungsführung durch die palästinensischen Behörden.
Humanitäre Hilfe: Eine verstärkte Unterstützung für das UNRWA, die wichtigste UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge, wäre von erheblicher Bedeutung, insbesondere zu einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten die Finanzierung eingestellt haben. Ebenso wichtig wäre eine umfassende humanitäre Unterstützung, da insbesondere Gaza infolge des Krieges mit Hunger und Nahrungsmittelknappheit konfrontiert ist.
Anerkennung des Staates Palästina: Darüber hinaus sollten die EU-Mitgliedstaaten die Anerkennung des Staates Palästina vorantreiben. Belgien und Portugal würden in dieser Hinsicht auf die weit verbreitete öffentliche Meinung im Inland reagieren, und Malta würde einfach seine Beziehungen zu den Palästinensern formalisieren, die ein Diplomat als bereits zu 90 Prozent vorhanden beschrieb, wobei die De-facto-Anerkennung bereits im Spiel ist.
Die EU müsste dem Druck Washingtons widerstehen, der Berichten zufolge bereits auf Malta ausgeübt wurde, um nicht für die palästinensische Mitgliedschaft in der UNO zu stimmen, aber dies ist an sich schon ein Test für die europäische Solidarität, wenn man bedenkt, dass die Anerkennung in und außerhalb Europas weit verbreitet ist.
„Die EU müsste dem Druck Washingtons widerstehen, der bereits auf Malta ausgeübt wurde, um nicht für die palästinensische Mitgliedschaft in der UNO zu stimmen.“
In diesem Zusammenhang sollten sie Norwegens Einsicht zur Anerkennung berücksichtigen, die darin bestand, dass es trotz seines eigenen Beitrags zum Oslo-Abkommen „nicht länger auf die Lösung des Konflikts warten kann“, bis Palästina anerkannt wird. Das ist die Realität vor Ort.
Indirekte Hebel: Wie bereits erwähnt, sind die Möglichkeiten der EU als Ganzes, sowie einzelner Mitgliedstaaten, politische Effekte in Bezug auf Israel zu erzielen, im Vergleich zu den USA begrenzt. Ebenso sind die Einwirkungsmöglichkeiten der arabischen Staaten auf die Palästinenser letztendlich limitiert. Direkte Einflussnahme ist jedoch nur eine Art von Hebel. Es gibt auch indirekte Einflussmöglichkeiten.
Die Beziehungen der EU zu den Vereinigten Staaten sowie zu den arabischen Staaten (hier insbesondere Ägypten, Jordanien und Katar) sind von großer Bedeutung. Wenn die Vereinigten Staaten ihren Einfluss auf Israel geltend machen und gleichzeitig die arabischen Staaten ihren auf die Palästinenser nutzen würden, wären die Aussichten auf eine echte und dauerhafte Friedensregelung in Israel und Palästina erheblich verbessert. Dies betrifft nicht nur den aktuellen Konflikt in Gaza, sondern auch eine weitreichendere Lösung für einen Konflikt, der seit vielen Jahrzehnten anhält.
Es ist nicht so, dass die EU nicht in der Lage wäre, eine wirkungsvolle Rolle im israelisch-palästinischen Konflikt zu spielen. Vielmehr hat die EU bisher nicht das vorhandene Potenzial ausgeschöpft, das sie hat. Es stehen ihr Instrumente zur Verfügung, die die EU nutzen könnte, um in ihrer weiteren europäischen Nachbarschaft einen sinnvollen Wandel herbeizuführen, der sowohl den Israelis als auch den Palästinensern zugutekommt. Die Frage ist, ob sie den politischen Willen dazu hat.
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H.A. Hellyer ist auf Geopolitik, Sicherheitsstudien und politische Ökonomie spezialisiert. Er berät Regierungen und Unternehmen, forscht und lehrt im Westen, im Nahen Osten und in Südostasien. Zurzeit ist er Wissenschaftler am Carnegie Endowment for International Peace (USA) und Senior Associate Fellow für internationale Sicherheitsstudien am Royal United Services Institute for Defence and Security (UK).