Spielball im Golf-Konflikt
Der anhaltende Konflikt am Golf findet vor allem zwischen zwei megalomanen Golfstaaten statt: den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Qatar. Ausgetragen wird er auf den europäischen Fußballfeldern, in den Vorstandsetagen westlicher Think Tanks und Hochschulen sowie in den Medien. Um die Besetzung der Rollen wird mit allen Mitteln gerungen.
Qatar und die VAE versetzten den europäischen Fußball in Aufruhr, als sich das Fenster für den Kauf und Verkauf von Spielern in dieser Woche schloss, indem sie die Preise in astronomische Höhen trieben und das UEFA-Reglement für Financial Fairplay infrage stellten.
Der von Qatar gehaltene französische Verein Paris Saint-Germain (PSG) gab 476 Millionen US-Dollar für zwei Spieler aus: Neymar vom FC Barcelona und Kylian Sanmi Mbappé von Monaco. Eine beachtliche Leistung für ein Land mit 300.000 inländischen Einwohnern, das sich einen Existenzkampf mit einer von den VAE und Saudi-Arabien geführten Allianz aus Stellvertretern liefert, die über einen diplomatischen und wirtschaftlichen Boykott versuchen, Qatar an die Kandare zu nehmen.
Doch auch die Vereinigten Arabischen Emirate ließen sich mit ihrem Club Manchester City nicht lumpen und investierten eine Transfersumme von 203 Millionen US-Dollar. Damit landeten sie allerdings weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz.
Ringen um "Lufthoheit" in der Sportpresse
Der Wettbewerb zwischen Qatar und den UAE um die "Lufthoheit" in der Sportpresse ist jedoch weit mehr als eine Jagd nach Trophäen und Erfolgen auf dem Fußballplatz. Indem Qatar den Preis für Fußballspieler nach oben treibt, zeigt das Land seinen Widersachern am Golf demonstrativ den Stinkefinger und macht deutlich, dass es den Boykott abzuschütteln vermag wie eine lästige Fliege.
Das ist unbezahlbar angesichts der Tatsache, dass die von den VAE und Saudi-Arabien geführte Allianz bislang keine umfassende Unterstützung für den Boykott einzuwerben vermochte – weder in der muslimischen Welt noch in der größeren internationalen Gemeinschaft.
Ebenfalls unbezahlbar ist dies in einem Umfeld, wo Qatar und die VAE jenseits sportlicher Aktivitäten gewaltige Beträge zur Beeinflussung der Forschung an einflussreichen Think Tanks und renommierten westlichen Universitäten ausgeben. Manche ließen sich sogar auf das lukrative Angebot ein, ihren Campus in Doha und Abu Dhabi zu errichten und dabei im Gegenzug auf die Durchsetzung der akademischen Freiheit und Meinungsfreiheit zu verzichten.
Punktsieg für Qatars rekordverdächtige Fußball-Akquisitionen
Qatar hat mit seinen rekordverdächtigen Fußball-Akquisitionen zweifellos gepunktet. Das Land profitiert davon, dass die meisten muslimischen und nicht-muslimischen Länder eine Parteinahme in der Golfkrise scheuen. Ihr Ruf nach einer Verhandlungslösung entspricht weit mehr der Position Qatars als der kategorischen Forderung der Allianz nach einer bedingungslosen Annahme aller Auflagen.
Für Qatar sind die Fußballtransfers Teil einer weitaus breiter angelegten Soft-Power-Strategie am Golf, die sich als besonders gut durchdacht erweisen könnte. Sport wird dabei als eine Säule der nationalen Identität und als wichtiges Standbein zur Anhäufung von Soft Power betrachtet. Die Weltmeisterschaft 2022 ist dabei das Kronjuwel.
Allerdings hat diese Strategie bislang eher gemischte Ergebnisse produziert. Mit ihrer Performance auf dem Spielfeld war die Regierung Qatars nicht so erfolgreich wie verschiedene andere arabische Autokraten, wenn es darum geht, das eigene Image aufzupolieren. Qatar ist seit fast einhundert Jahren der erste Gastgeber einer Fußballweltmeisterschaft, der sich nicht selbst für die WM qualifizieren konnte.
Im jüngsten Beispiel zur politischen Ausbeutung der schönsten Nebensache der Welt hat der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salam dieses Wochenende für Publicity gesorgt: Er lud kurzerhand zum kostenlosen Besuch des WM-Qualifikationsspiels gegen Japan ein. Das Spiel wird entscheiden, ob sich das saudische Königreich für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland qualifiziert. Dieser Schachzug gelang Prinz Mohammed nur wenige Tage nach dem Sieg der VAE über die Saudis in einem weiteren WM-Qualifikationsspiel. Ein Sieg, der die saudische Teilnahme an der Weltmeisterschaft gefährden könnte.
Prinz Mohammed ist in der Bevölkerung durchaus beliebt. In Erwartung wirtschaftlicher Reformen und mehr sozialer und kultureller Freiheiten sehen viele in ihm eine Chance auf mehr Jobs, was auch den fußballverrückten Saudis entgegenkommt, die in der Mehrzahl jünger als 30 Jahre sind. Die Einladung zu einem kostenlosen Besuch eines WM-Qualifikationsspiels schürt solche Erwartungen. Diese müssen allerdings erst noch eingelöst werden.
Kritik an Qatars Arbeitnehmer-Bürgschaftssystem
Zur eigenen Überraschung musste das kleine Emirat Qatar feststellen, dass es nicht dafür gefeiert wurde, als erstes arabisches Land eine Fußball-Weltmeisterschaft auszutragen. Im Gegenteil. Es wurde an den Pranger gestellt wegen der undurchsichtigen Ausschreibung und der unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen seiner Wanderarbeiter, die die Mehrheit der Bevölkerung des Golfstaates ausmachen.
Anstatt Qatar wegen der Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft auf den Sockel zu heben, sah sich das Land in der Schusslinie wegen seines Kafala- oder Arbeitnehmer-Bürgschaftssystems, das allerdings nicht nur in Qatar herrscht, sondern in den Golfstaaten allgemein üblich ist.
[embed:render:embedded:node:20267]Man muss Qatar jedoch zugutehalten, dass das Land positiv auf die Kritik reagiert und mit seinen Kritikern im Dialog steht – im krassen Gegensatz zu anderen Golfstaaten. Mit einer Reihe rechtlicher Reformen wurde versucht, die Kritik am System zu entschärfen. Herausgekommen ist allerdings eher eine Optimierung als eine Beseitigung des Systems, das die Arbeitnehmer der Gnade ihrer Arbeitgeber ausliefert.
Wie weit es Qatar gelungen ist, seinen Kritikern entgegenzukommen, wird sich im November zeigen, wenn die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) die Reformen des Golfstaates überprüft. Die IAO drohte bereits im vergangenen Jahr damit, eine Untersuchungskommission aufzustellen, wenn es Qatar nicht gelänge, sein System mit internationalen Standards in Einklang zu bringen.
Solche Kommissionen zählen zu den mächtigsten Waffen der IAO im Kampf um die Einhaltung internationaler Verträge. So hat das UN-Gremium in seiner fast einhundert Jahre alten Geschichte bislang nur 13 derartiger Kommissionen eingerichtet. Die letzte nahm 2010 in Simbabwe ihre Arbeit auf, um das Land zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu drängen.
Unter dem Strich lässt sich feststellen, dass sich die massiven Investitionen von Qatar und den VAE in Soft Power und öffentliche Diplomatie nur begrenzt ausgezahlt haben und dass sich Autokratien mit Geld allein keine Empathie oder Legitimität kaufen können.
Dazu müssten die Bilder, die sie gerne von sich vermitteln, im Einklang mit politischen Maßnahmen im In- und Ausland stehen und das bezeugen, was Politikern, Lobbyisten und Öffentlichkeitsarbeitsexperten so geschickt verbreiten. Hier haben sowohl Qatar als auch die VAE noch einiges zu tun.
James M. Dorsey
© Qantara.de 2017
Aus dem Englischen von Peter Lammers