Klassische persische und jüdische Musik: Eng verbunden

Das Album "Monajat“ der amerikanisch-iranischen Sängerin und Songwriterin Galeet Dardashti erinnert an die kulturelle Verbundenheit zwischen Muslimen und Juden im Iran – und überwindet dabei scheinbar unüberwindbare Grenzen.
Das Album "Monajat“ der amerikanisch-iranischen Sängerin und Songwriterin Galeet Dardashti erinnert an die kulturelle Verbundenheit zwischen Muslimen und Juden im Iran – und überwindet dabei scheinbar unüberwindbare Grenzen.

Das Album "Monajat“ der amerikanisch-iranischen Sängerin und Songwriterin Galeet Dardashti erinnert an die einstige kulturelle Verbundenheit zwischen Muslimen und Juden im Iran. Von Richard Marcus 

Von Richard Marcus

Die Ahnentafel der iranischen, in der amerikanischen Diaspora lebenden Jüdin Galeet Dardashti ist durchdrungen von Musikgeschichte. Ihr Großvater, Younes Dardashti, war nicht nur ein berühmter, im ganzen Iran gefeierter Sänger klassischer persischer Musik, sondern auch ein bekannter Kantor in den Synagogen seines Heimatlandes, der bei religiösen Zeremonien, insbesondere in den Monaten um die hohen Feiertage im Judentum, Rosch Haschana und Jom Kippur, gesungen hat. 

In einer der wenigen Aufnahmen, die ihr Großvater seiner Familie hinterließ, hört man ihn beim Rezitieren der Slichot, der poetischen jüdischen Gebete, die vor und während dieser Feiertage gesungen werden. 

Obwohl Dardashti ihren Großvater kaum kannte und sich zudem nur schlecht mit ihm verständigen konnte, da er nur Farsi sprach, war es genau diese Aufnahme, die sie zu ihrer eigenen musikalischen Karriere inspirierte und eine anhaltende Faszination für die jüdisch-iranische Musik und die sephardische Kultur im Allgemeinen bei ihr auslöste.

Das Album "Monajat“ ist eine Würdigung dieser Inspiration. Der Titel bedeutet "Kommunikation mit Gott“. Auf dem Album sind sowohl Lieder ihres verstorbenen Großvaters zu hören, in deren Verlauf sich seine Stimme mit ihrer vermischt, als auch Tracks, die Dardashti, den musikalischen Traditionen ihres Großvaters folgend, selbst geschaffen hat. 

In ihrer Familie könnte Dardashti die erste Frau sein, die musikalisch die Tradition weiterführt. Doch neben ihr und dem Erbe ihres Großvaters sind auch andere Familienmitglieder an der Produktion von "Monajat“ beteiligt. Auch ihr Vater Hazzan Farid Dardashti ist bei einigen der Songs als Bearbeiter oder Interpret aufgeführt.

Cover des Albums "Monajat" von Galeet Dardashti (Foto: Brian Tamborello; copyright: Galeet Dardashti)
Verbundenheit über Generationen: Obwohl Galeet Dardashti ihren Großvater kaum kannte und sich zudem nur schlecht mit ihm verständigen konnte, da er nur Farsi sprach, waren es seine Aufnahmen, die sie zu ihrer eigenen musikalischen Karriere inspirierten und eine anhaltende Faszination für die jüdisch-iranische Musik und die sephardische Kultur im Allgemeinen bei ihr auslösten. 

Enge Verbundenheit

Galeet Dardashti sagt, ein Hauptgrund für die Aufnahme dieses Albums sei für sie das Gefühl gewesen, man müsse die Menschen an die engen Beziehungen erinnern, die es einst zwischen den muslimischen und jüdischen Gemeinschaften im Iran und in anderen Ländern gab. 

Da ihr Großvater sowohl mit sakraler jüdischer Musik in der Synagoge als auch mit klassischer persischer Musik im Radio und in Konzertsälen zu hören war, hat sie ein Album geschaffen, in dem beide Genres vertreten sind.

Es ist faszinierend, den Songs auf dem Album zuzuhören. Ohne Brüche verbinden die Lieder traditionelle Klänge mit modernen und digital erzeugten Sounds. 

Dardashti lässt die alten Aufnahmen ihres Großvaters, die sie für die Tracks gesampelt hat, unbearbeitet und damit unverfälscht, was ihnen einen Hauch von Authentizität verleiht, der sonst vielleicht fehlen würde. 

Younes Dardashtis wunderbare Stimme, ob nun vom gesampelten iranischen Nationalorchester begleitet oder von modernen Musikern, wirkt auf dem Album wie eine Stimme aus einer vergangenen Zeit. Besonders unter die Haut geht einem ihre Stimme im titelgebenden zehnten Track des Albums, "Monajat“. 

Großvater Dardashti stellt auf dem Album den historischen Kontext her, den seine Enkelin braucht, um ihre eigenen Interpretationen klassischer persischer Musik zu präsentieren. Wie schon bei früheren Alben zieht sie für einige Stücke persische Quellen heran. "New Year Invitation“, der achte Song des Albums, basiert beispielsweise auf einem Gedicht des berühmten Sufi-Mystikers und Dichters Rumi.

Die Hingabe an Gott verbindet 

Im Text des Songs spiegelt sich die Hingabe an Gott wider, die sowohl Rumis als auch Younes Dardashti miteinander teilen, verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft: 

"Die Lilie spricht zu ihrer Knospe: / Wach auf! Warum schläfst du noch? / Da ist der Wein / Und der schöne Jüngling / Das süße Basilikum und / Die Tulpen erheben auch die Gläser! / Die Hyazinthe flüsterte / diskret, aber süß / In das Ohr einer verborgenen Blume / Wessen Geschenk ist das alles / Wenn nicht von Gott gegeben?“

Zahlreiche Verbindungen, sowohl in den Iran als auch zur Familiengeschichte der Künstlerin, liefert die Musik eines Songs, den Hazzan Farid Dardashti aus dem Lied "Nooroz“ von Ataollah Khorram, einem iranischen Zeitgenossen von Dardashti senior, adaptiert hat. Gesungen wird auf dem Album entweder auf Farsi oder Hebräisch. Für einige der Titel sind auch englische Übersetzungen beigefügt, damit die wunderbare Poesie der Texte zur Geltung kommt und die Hörer nachvollziehen können, wie sie die Musik inspiriert hat.  

 

 

Der vierte Song des Albums "Wine Song For Spring“ stammt von Moses ibn Ezra, einem jüdischen Dichter und Philosophen aus dem 11. und 12. Jahrhundert in Granada. Vertont wurde es von Galeet Dardashti nach einem Lied von Virguen, einem anderen iranischen Zeitgenossen ihres Großvaters:

"Die kalte Jahreszeit ist wie ein Schatten entschwunden / Der Regen ist fort, mitsamt seiner Wagen und Reiter / Die Hügel sind geschmückt mit Turbanen und Blumen / Und die Ebene gehüllt in Tuniken aus Kräutern / Sie grüßt unsere Nasen mit dem Weihrauch / Der verborgen lag in ihrem Schoß den ganzen Winter lang.“ 

Moderner Jazz trifft auf persische Klassik 

Musikalisch fesselt der Song. Sein flottes Tempo und die kunstvolle Perkussion sind Elemente des modernen Jazz. Doch er enthält auch Elemente, die unzweifelhaft der klassischen persischen Musik entlehnt sind. Lässt man sich melodisch mitreißen und lauscht den eingesetzten Instrumenten, wie dem Hackbrett und der Handperkussion, stellt man fest, dass dieses Stück gleichermaßen im Iran wie im nordamerikanischen Jazz zuhause ist. 

Es ist beeindruckend, wie gut das funktioniert. Auch hier, wie bei den Tracks, in die Dardashti die Stimme ihres Großvaters gemischt hat, vollzieht sich die Verschmelzung von Altem und Neuem nahtlos. Ihre Kunst wie die ihrer Band besteht darin, sehr überzeugend den Text eines jüdischen Dichters aus dem 11. Jahrhundert und die Musik einer iranischen Sängerin aus dem 21. Jahrhundert wie füreinander geschrieben erscheinen zu lassen. 

"Monajat“ ist ein fantastisches Album, das gleichzeitig das Leben des Mannes feiert, der einst als die "Nachtigall des Iran“ bekannt war – Younes Dardashti – und die enge Verbindung zwischen klassischer persischer und jüdischer Musik. Die Zeitgenossen von Dardashti senior im Iran fanden nichts Ungewöhnliches daran, dass er samstags Kantor in seiner Synagoge war und den Rest der Woche auf Bühnen im ganzen Land auftrat, mit einem Repertoire, das Lieder von Rumi und anderen persischen Mystikern umfasste. 

Man wollte uns glauben machen, dass Iraner und Juden sehr verschieden wären. Doch dieses Album beweist, wie viele Gemeinsamkeiten auf kultureller Ebene Iraner und Juden teilen. Mit ihrem neuesten Album unterstreicht Galeet Dardashti eindrucksvoll die kulturelle Verbundenheit von Juden und Iranern. 

Richard Marcus

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