Das Königshaus als Zielscheibe

Eine mit dem Terror-Netzwerk Al Kaida verbundene Extremistengruppe hat sich zu dem Bombenanschlag von Riad bekannt. Peter Philipp analysiert die Rolle Saudi-Arabiens in der Region.

Autobombenanschlag in Riadh, Foto: AP
Autobombenanschlag in Riadh

​​In einem am Donnerstag (22.4.2004) im Internet veröffentlichten Text erklärten die "Haramain-Brigaden", das Autobombenattentat auf das Hauptquartier der Sicherheitskräfte in der saudiarabischen Hauptstadt am Vortag verübt zu haben. Bei dem Anschlag wurden vier Menschen getötet und 145 weitere verletzt. Saudische Offizielle erklären nach dem jüngsten Selbstmordanschlag in ihrer Hauptstadt Riad, alle Bürger seien nun Mitglied der Sicherheitskräfte. Mit erhöhter Wachsamkeit müsse und werde man sich gegen weitere Angriffe der Terroristen schützen. Jetzt herrsche ein totaler Krieg gegen den Terrorismus.

Hilfloser Versuch

Vielleicht sind diese Äußerungen ein etwas hilflos wirkender Versuch, den bisherigen Kurs zu ändern. Denn in der Vergangenheit hatte Saudi-Arabien sich ganz bewusst gegenüber radikalen Gruppen und radikalem Gedankengut zurückgehalten. Und es hatte solche Gruppen sogar unterstützt - wenn sie im Gegenzug bereit waren, ihren Kampf anderswo zu führen und das Königreich zu verschonen.

Anderswo, das war in erster Linie Afghanistan, das waren aber auch Pakistan und Palästina. Saudi-Arabien glaubte sich freikaufen zu können von Terroranschlägen, indem es die radikalen Gruppen anderswo unterstützte. Eine wahnwitzige Idee, denn diese Gruppen werden unterstützt von erzkonservativen Kreisen im Lande selbst - Kreise, die in wachsender Opposition zum regierenden Königshaus stehen.

Lebensstil im Widerspruch zum Islam?

Sie werfen diesem nicht nur ausschweifenden und verschwenderischen Lebensstil vor, der im Widerspruch stehe zur Lehre der wahabbitischen Lesart des Islam. Diese Lehre hat ihren Ursprung auf der Arabischen Halbinsel genommen und sie hat hier ihre stärkste Basis. Aber die Opposition akzeptiert auch - und vor allem - nicht die weiterhin sehr enge Liaison zwischen Riad und Washington und die Anwesenheit amerikanischer "Ungläubiger" auf saudischem Boden.

Eine "Brigade der beiden heiligen Stätten" reklamiert die Verantwortung für den jüngsten Anschlag in Riad - dieselbe Organisation hatte sich bereits letztes Jahr zwei anderer schwerer Anschläge gerühmt, bei denen in erster Linie Ausländer umgekommen waren. Für saudische Offizielle steht fest, dass es sich hier um einen Zweig der Al Kaida Osama Bin Ladens handelt, die damit an den Ursprung ihres Kampfes zurückgekehrt zu sein scheint. Der von Riad, Washington und Islamabad geförderte Einsatz von Leuten wie Bin Laden in Afghanistan war für diese nur eine Vorbereitung für den eigentlichen Kampf. Dieser sollte der Befreiung des "heiligen Bodens" von den "Ungläubigen" und so auch dem ihnen ergebenen saudischen Königshaus gelten.

Kritik an "saudischer Untätigkeit"

In Washington war man offenbar früher aufgewacht als in Riad, und man kritisierte auch die saudische Untätigkeit gegen den Terrorismus. Riad wurde außerdem zu Reformen gedrängt und reduzierte die US-Präsenz im Königreich. Aber es war zu spät: Eine Abkehr vom Königshaus hätte möglicherweise dessen Sturz provoziert, den Sieg radikaler Elemente auf der Halbinsel und den Zugriff auf die größten Erdölvorkommen der Welt.

Um diese geht es ja letztlich. Nicht um Demokratie oder Freiheit in Saudi-Arabien. Zwar macht Kronprinz Abdallah - der eigentliche Herrscher im Land - in letzter Zeit große Anstrengungen, den Radikalen des Wasser abzugraben, den Kampf gegen den Terrorismus zu intensivieren und gleichzeitig innere Reformen voranzutreiben, aber dies gestaltet sich immer mehr zu einem Wettlauf gegen die Uhr. Bei Diesem Wettlauf wird immer deutlicher, dass das Königshaus die eigentliche Zielscheibe der Terroranschläge ist, und dass ein - längst überfälliges - hartes Durchgreifen der Sicherheitsorgane die Opposition nur noch in ihrer Entschlossenheit bestärken dürfte.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004