Politik des Aussitzens
Seit Monaten finden sich in den internationalen Nachrichtenagenturen fast täglich die Appelle und verbalen Drohungen der Staatengemeinschaft an die sudanesische Regierung, dem Bürgerkrieg in Darfur im Westsudan endlich ein Ende zu setzen. Wirkung entfalten sie nicht. Das Leid in der Krisenregion geht weiter und der Konflikt hat sich sogar noch zugespitzt.
Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Bericht des UN-Sondergesandten für den Sudan, Jan Pronk, der kürzlich (6.10) in New York vorgestellt wurde. Khartum habe keine Fortschritte im Bemühen gemacht, die Angriffe der regierungstreuen Reitermiliz Dschandschawid auf die Zivilbevölkerung zu stoppen. Die Gewalttaten hätten sogar noch zugenommen, eine Entwaffung der Milizionäre habe nicht - wie in zwei Resolutionen gefordert - stattgefunden.
Viele Worte, keine Taten
Seit Monaten spricht die UNO von der aktuell "schlimmsten humanitären Krise der Welt". Von mindestens 50.000 Toten und zwischen 1,3 und 1,6 Millionen Flüchtlingen ist die Rede. Das mangelnde Engagement der Staaten zur Lösung des Konflikts weckt bei vielen Beobachtern die Erinnerung an den Genozid von Ruanda 1994. Damals hatte die Welt lange weggeschaut, griff erst ein als das große Töten - 800.000 Menschen wurden niedergemetzelt - schon vorbei war.
"Seit Sommer 2003 weiß die Völkergemeinschaft um die katastrophale Lage in Darfur", sagt Ulrich Delius, Sudan-Experte bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. "Doch ihren dramatischen Worten haben die Staaten bislang keine Taten folgen lassen", kritisiert Delius. "Die unterschiedlichsten Staaten schickten humanitäre Hilfe. Die ist zweifellos notwendig. Doch politisch haben die Regierungen nicht wirklich etwas unternommen, um den Konflikt zu lösen."
In der Krisenregion Darfur, die in etwa so groß wie Frankreich ist, sind zurzeit gerade einmal 68 Beobachter und 308 Soldaten der Afrikanischen Union (AU) stationiert. Die Zahl der Soldaten soll zwar auf 3.500 aufgestockt und 800 Polizisten sollen entsendet werden. Ob sich dadurch das in weiten Teilen nicht eingehaltene Waffenstillstands-Abkommen durchsetzen lässt, bezweifeln die meisten Experten.
Blairs Plan "wenig seriös"
Der jüngste Vorstoß zu einer Lösung des Konflikts stammt vom britischen Regierungschef Tony Blair. Bei seinem Besuch am Mittwoch (6.10) in Khartum legte er der sudanesischen Regierung einen 5-Punkte-Plan vor, wie die katastrophale Lage in der Krisenregion Darfur verbessert werden soll. Blairs Konzept sieht unter anderem vor, dass bis zum 31. Dezember ein umfassendes Friedensabkommen mit den Rebellen in Darfur und im Südsudan geschlossen werden soll.
Delius hält wenig von der Initiative Blairs. "Hier hat man dem Sudan einmal wieder eine neue Zeitschiene gegeben, mal wieder hat die Regierung Zeit gewonnen". Auch Rainer Tetzlaff, Afrika-Experte an der Universität Hamburg, hält Blairs Plan für "nicht wirklich seriös". "Blair tut hier lediglich so, als ob die ehemalige Kolonialmacht Verantwortung übernehmen wolle", so Tetzlaff.
Sanktionen unwahrscheinlich
Delius ist überzeugt: "Die sudanesische Regierung reagiert nur auf gemeinsamen internationalen Druck". Angesichts der katastrophalen Situation in der Region will Delius eine militärische Intervention zur Lösung des Konflikts nicht mehr ausschließen.
Auch Stefan Mair von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) glaubt, dass man für eine wirksame Lösung des Konflikts um diese Option nicht herumkommt. "Um wirklich Druck auszuüben braucht man aber Konsens im Sicherheitsrat", sagt Mair. Der ist derzeit nicht gegeben. Sanktionen oder eine Intervention gelten im Sicherheitsrat als nicht durchsetzbar, da China und Russland wahrscheinlich von ihrem Vetorecht Gebrauch machen würden.
Länder wie China, Russland oder Malaysia wollen vor allem ihre großen Erdölinteressen im Süden des Landes nicht aufs Spiel setzen. Auch die Mitgliedstaaten der arabischen Liga würden nach Ansicht von Tetzlaff Sanktionen gegen einen ihrer Mitgliedstaaten verweigern.
Innenpolitische Ziele der Bush-Regierung
Auch von der Supermacht USA ist wohl keine größere militärische Intervention zu erwarten, obwohl die Bush-Regierung aus innenpolitischen Erwägungen heraus dem Sudan-Konflikt verstärkte Aufmerksamkeit widmet. "Es geht im Präsidentschaftswahlkampf auch darum, Stimmen von schwarzen und konservativen Christen zu werben, die die Verfolgung der christlichen schwarzafrikanischen Bevölkerung in Darfur anprangern", sagt Delius.
Nach Ansicht von Afrika-Kenner Tetzlaff haben die USA der sudanesischen Regierung aber zumindest ein wichtiges Signal zukommen lassen. Präsident Bush persönlich hatte von "Völkermord" in Darfur gesprochen. "Das ist zumindest eine wichtige symbolische Drohung an die Adresse der sudanesischen Regierung", so Tetzlaff. Beim Tatbestand des Völkermords ist die internationale Gemeinschaft quasi zu einer Intervention gezwungen.
Steffen Leidel
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004