Ein Leuchtturm in der Altstadt von Tunis

Das "Institut de Belles Lettres Arabes" (IBLA) und seine Zeitschrift sind aus dem kulturellen Leben Tunesiens nicht mehr wegzudenken.

Von Beat Stauffer

Das Institut mit dem altmodisch klingenden Namen in einem schönen Haus am Rand der Altstadt von Tunis stammt noch aus der Zeit der französischen Protektoratsherrschaft. Viele halten das Institut für eine der wertvollsten Hinterlassenschaften aus dieser Epoche, die dem Land zwar eine neue Infrastruktur, aber auch leidvolle Erfahrungen brachte.

Das Zentrum an der Rue Jamaa el Haoua wurde im Jahr 1926 von Ordensbrüdern der "Pères Blancs" gegründet, die sich der Missionierung Nordafrikas verschrieben hatten. Doch schon von Anfang an stand für die Ordensbrüder das Kennenlernen und Vermitteln der für sie fremden Kultur und Sprache ganz im Vordergrund.

Nur auf diese Weise – so die Überlegung – könnte es gelingen, Einheimische mit der christlichen Botschaft vertraut zu machen. So erhielten Ordensbrüder aus verschiedenen europäischen Ländern eine fundierte Einführung in die arabische Sprache und tunesische Kultur.

Begegnung statt Missionierung

Schon bald aber rückten in der Geschichte des IBLA ganz andere Zielsetzungen als die Missionierung in den Vordergrund: Zum einen ging es darum, einen Ort zu schaffen, wo sich christliche Europäer und muslimische Tunesier begegnen und austauschen konnten. Zum andern setzten sich die Verantwortlichen des IBLA zum Ziel, die vielfältige Wirklichkeit ihres Gastlandes zu dokumentieren.

Dies war die Geburtsstunde der "Revue de l'IBLA", deren erste Nummer 1937 erschien und die seither erstaunlicherweise alle Stürme der Zeit überdauert hat.

Anfänglich war die "Revue" ein schlichtes Bulletin aus vervielfältigten und gehefteten Blättern, welches vornehmlich von französischen "Colons" gelesen wurde, die so die Welt ihrer tunesischen Landarbeiter oder Angestellten besser verstehen wollten.

Bereits in den vierziger Jahren öffnete sich die Revue aber zunehmend den Ideen der nationalistischen Bewegung Tunesiens, was immer wieder zu Spannungen mit den Kolonialbehörden führte.

So wurde damals der Vorwurf laut, die "Revue" versuche den Tunesiern ungute Ideen "einzupflanzen". Doch die IBLA-Verantwortlichen ließen sich nicht beirren und stellten mit ihrer "Revue" ein Forum für den Austausch von Ideen zur Verfügung. Daneben dokumentierten sie getreulich sämtliche Publikationen und Periodika, die auf tunesischem Boden erschienen.

Renommierteste Zeitschrift des Landes

Diese Ausrichtung erlaubte es dem IBLA, auch nach der Erlangung der Unabhängigkeit weiterhin in Tunesien zu wirken. Der Umstand, dass schon an der ersten Nummer der Revue im Jahr 1937 Tunesier mitgearbeitet hatten, aber auch die Bedeutung, welche das IBLA als Bibliothek und Studienzentrum längst erlangt hatte, garantierte dem Institut das Weiterbestehen.

Schon bald erwies sich auch, dass die Unabhängigkeit, welche die IBLA und ihre Revue gegenüber den Kolonialbehörden an den Tag gelegt hatte, auch unter den neuen Verhältnissen von Nutzen war. So wurden in der "Revue" immer wieder Bücher oder wissenschaftliche Studien besprochen, deren Inhalt den tunesischen Zensurbehörden nicht passte.

Doch die Redaktionskommission hielt an ihren hohen ethischen und wissenschaftlichen Maßstäben fest. Die "Revue de l'IBLA" ist heute nicht nur die älteste, sondern auch die renommierteste Zeitschrift des Landes. Wer in Tunesien eine akademische Karriere im Bereich der Geistes- oder der Humanwissenschaften machen will, so ist zu erfahren, sollte in der "Revue " publizieren.

Wissenschaftliche Studien und Rezensionen

Die Redaktion der Zeitschrift besteht heute aus sieben tunesischen Akademikern – darunter vier Frauen -, einer spanischen Ordensfrau sowie zwei "Pères Blancs" vom IBLA.

Die jeweils rund 200 Seiten umfassende Zeitschrift erscheint zweimal jährlich. Die Texte sind teils in Arabisch, teils in Französisch und gelegentlich auch in Englisch verfasst. Sie beinhalten zum einen wissenschaftliche Studien über literarische, historische oder soziologische Themen, zum anderen ausführliche Rezensionen über Neuerscheinungen.

In den meisten Fällen haben die Texte einen (direkten oder indirekten) Bezug zu Tunesien. Im Dezember dieses Jahres soll die 200. Nummer der "Revue" erscheinen.

Ein Kenner der tunesischen Literatur

Die jahrzehntelang praktizierte "positive Neutralität" sei vielleicht eines der Geheimnisse des Erfolgs der IBLA und ihrer "Revue", sagt Jean Fontaine, der langjährige Leiter der IBLA. Darunter versteht Fontaine den strikten Verzicht auf Einmischung in die tunesische Politik, aber auch die klare Distanz gegenüber allen Vereinnahmungsversuchen seitens politischer Parteien wie auch der Behörden.

​​In Tunesien ist es auch ein offenes Geheimnis, dass der ausgezeichnete Ruf der IBLA zu einem großen Teil das Werk von Jean Fontaine ist.

Der vor mehr als 70 Jahren im Norden Frankreichs geborene Ordensbruder hatte ursprünglich Mathematik studiert. Später wandte er sich immer mehr der arabischen Welt zu und befasste sich ausführlich mit deren Sprache und Literatur. Nach Studienaufenthalten im Nahen Osten lebt Fontaine nun seit über 45 Jahren in seiner Wahlheimat Tunesien, der er sich stark verbunden fühlt.

Wissenschaftlich hat sich der vielseitige Ordensbruder in erster Linie mit der neueren tunesischen Literatur in arabischer Sprache befasst; mehrere Standardwerke stammen aus seiner Feder. Daneben gilt Fontaine als einer der bestinformierten Persönlichkeiten des Landes.

Kein anderer Ausländer in Tunesien wisse so gut Bescheid über Alltagsleben und Sorgen der Menschen, aber auch über die Verhältnisse im Land, erklärten uns übereinstimmend mehrere Gewährsleute.

Trotz seines Alters beteiligt sich Jean Fontaine immer noch sehr rege an öffentlichen Debatten, verfasst Beiträge und hält regelmäßig Vorträge. Im IBLA nimmt er zwar keine offiziellen Funktionen mehr wahr. Doch im Hintergrund agiert der engagierte Ordensbruder weiter, und wer eine Auskunft von ihm erhalten möchte, wird freundlich empfangen.

Beat Stauffer

© Qantara.de 2007

Qantara.de

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