Gesetzliche Regelung zum Kopftuch nicht zwingend

Gegen ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen hat sich das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin ausgesprochen. Sabine Ripperger berichtet.

Fereshta Ludin, Foto: AP
Fereshta Ludin

​​Wenn islamistische Kreise das Kopftuch politisch aufladen wollten, so sei das eine Sache - eine andere sei aber, dass sich Staat, Kirchen und andere gesellschaftliche Gruppierungen nicht von diesem Versuch beeindrucken lassen und stattdessen das Kopftuch entpolitisieren sollten, so der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt.

Das 2001 gegründete Institut für Menschenrechte wird aus Mitteln der Bundesministerien für Justiz und Entwicklungszusammenarbeit und des Auswärtigen Amtes finanziert. Das Institut befasst sich auch mit innenpolitischen Fragen wie dem so genannten Kopftuchurteil.

Auch das Institut gibt zu, dass das Kopftuch einerseits für die Unterdrückung der Frau im Namen religiöser und kultureller Tradition stehen, aber gleichzeitig auch Ausdruck freier religiöser Selbstbestimmung sein kann.

Deswegen möchte das Institut für gerichtlich überprüfbare Einzelfallentscheidungen im Konfliktfall plädieren und spricht sich gegen ein pauschales Kopftuchverbot für die Lehrerinnen.

Zwischen Religionsfreiheit und Menschenrechten

Es gehe hier um eine sorgfältige Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der Lehrerin und anderen menschenrechtlichen Ansprüchen wie zum Beispiel der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, so der Direktor Heiner Bielefeldt:

"Wir glauben, dass es nicht sinnvoll ist, bereits im Vorfeld einen solchen Konflikt zu unterstellen. Nicht jedes Kopftuch steht für die Unterdrückung der Frau. Es kommt letzten Endes darauf an, was die entsprechende Person denkt, was sie praktiziert, wie sie sich insgesamt darstellt.

Das heißt also, man muss der Person einer Lehrerin dann insgesamt gerecht werden und kann sich nicht allein am Kopftuch orientieren und von dorther Verbotsentscheidungen begründen."

Konflikte nicht vorprogrammiert, aber möglich

In diesem Zusammenhang verwies Bielefeldt darauf, dass es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen eine ganze Reihe von Kopftuch tragenden Lehrerinnen gebe, ohne dass dies zu Protesten von Eltern, Schulleitung oder Schulverwaltung geführt habe. Es müsse also gar nicht zu Konflikten kommen, sondern hänge vom Verhalten und der Kompetenz der entsprechenden Lehrerin ab.

Als den schwierigsten Konflikt in diesem Zusammenhang bezeichnete Bielefeldt den zwischen der Religionsfreiheit der Lehrerin und der Religionsfreiheit von Schülerinnen und Schülern.

Denn diese haben das Recht, im Rahmen der staatlichen Pflichtschule nicht gegen ihren Willen religiöser Einflussnahme ausgesetzt zu werden.

Hinzu komme das elterliche Erziehungsrecht. Da könnten unterschiedliche Ansprüche aufeinanderprallen, auch bei der Einhaltung des Prinzips der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, wie Institutsdirektor Bielefeldt einräumt.

Daher sei es denkbar, dass das Recht der Lehrerin auf Tragen des Kopftuchs in bestimmten Fällen zugunsten anderer Rechte zurücktreten müsse. Doch dass muss im Einzelfall entschieden werden.

"Es wäre ja denkbar, dass die Lehrerin sich so verhält, dass Schülerinnen und Schüler tatsächlich religiöser Indoktrination ausgesetzt werden, dass möglicherweise Druck, den Schülerinnen aufgrund ihres Milieus sowieso erfahren, noch von der Schule verstärkt wird. All das ist ja denkbar", so Heiner Bielefeld.

"Es kann aber auch sein, dass sie als Kopftuch tragende Lehrerin das Gespräch mit Eltern sucht, auch mit muslimischen Eltern, um neue Freiheitschancen für Schülerinnen herauszuhandeln, vielleicht sich auch einsetzt für Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht unter bestimmten Bedingungen."

Kontrolle an öffentlichen Schulen ausreichend

Erst kürzlich hatte der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Mahrenholz davor gewarnt, Kopftuch tragenden Lehrerinnen pauschal Verfassungsuntreue zu unterstellen. Die Debatte dürfe nicht auf das Kopftuch eingeengt werden.

Die Gefahren müssten vielmehr in Koranschulen oder in islamischen Privatschulen gesucht werden. An öffentlichen Schulen in Deutschland sei die öffentliche Kontrolle ausreichend, so der Jurist. Das Deutsche Institut für Menschenrechte rät ebenfalls, von pauschalen Kopftuchverboten abzusehen. Im Moment bewegen sich die Bundesländer laut Bielefeldt in unterschiedliche Richtungen.

"Es gibt eine Tendenz, das Kopftuch zu verbieten, per Gesetz. Eine zweite Tendenz - dafür steht Berlin - ist, religiöse Symbole für Lehrerinnen und Lehrer möglichst ganz zu entfernen.

Eine dritte Tendenz ist, Verbote mit Erlaubnisvorbehalt einzuführen. Da wird im Moment in Nordrhein-Westfalen experimentiert. Und eine vierte Tendenz geht dahin, gar keine Gesetze zu machen.

Das ist ja auch möglich. Das ist nicht ausgeschlossen durch dieses Urteil - also Rheinland-Pfalz etwa. Das heißt, man wartet ab, ob es ein Problem gibt.

Und wenn es Probleme geben sollte, hat man ja mit dem Disziplinarrecht immer noch Möglichkeiten, auch dringend notwendige schulische Belange zur Geltung zu bringen oder auf Ausgleich zu setzen. Also, es ist nicht zwingend, dass man hier etwas regelt."

Sabine Ripperger

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