Teheran will das Kopftuch wieder durchsetzen

Der Hidschab hat im Iran große kulturelle und politische Bedeutung. Dem Regime zufolge müssen Frauen ihn jederzeit in der Öffentlichkeit tragen. Viele Frauen verzichten aber mittlerweile ganz darauf. Von Shora Azarnoush

Von Shora Azarnoush

Während der Protestwelle im September 2022 hatten Frauen im Iran ihre Kopftücher zunehmend abgelegt. Die Proteste waren nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam entstanden. Mahsa Amini war wegen eines zu lässig sitzenden Kopftuchs festgenommen und misshandelt worden. Seit langem befolgen viele Frauen die Pflicht zum Tragen eines Hidschab im Iran eher symbolisch als strikt.

In klaren Worten hat die Autorin Sepideh Rashno ihre Wut über die Politik der Islamischen Republik formuliert: "Im 21. Jahrhundert – während die NASA ihre Teleskope zur Erforschung schwarzer Löcher in die Milchstraße schickt und künstliche Intelligenz den menschlichen Schlaf nachahmt – finde ich mich im Iran in einem Verhörraum wieder und werde gezwungen, auf Gefängnispapier zu schreiben, dass ich als Bürgerin gegen die Zwangsverschleierung protestiert habe.“



Rashno war im Gefängnis, weil sie gegen die vom Staat auferlegten Vorschriften zum Tragen eines Hidschab protestierte. Sie war ohne Kopftuch im Bus auf dem Weg zur Arbeit, als eine andere Frau sie filmte und anzeigte. Im Gefängnis wurde Rashno misshandelt und ein "Geständnis“ von ihr erzwungen, bevor sie auf Kaution freigelassen wurde. Unzählige Frauen teilen ihren Ärger und ihre Wut.

Im männerdominierten Iran symbolisiert das Kopftuch die Unterdrückung der Frau. Das autokratische Regime beruft sich dabei auf den Islam. Mit der Pflicht zum Tragen eines Kopftuchs schränkt es nicht nur das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit von Frauen ein, sondern es betont auch die Ungleichheit der Geschlechter. Das Regime versucht, Frauen zu kontrollieren – in einer Zeit, in der im Iran mehr Frauen als Männer studieren, und zwar auch Fächer, die im Westen noch männlich dominiert sind.

Frauen, unter ihnen eine ohne Kopftuch, laufen eine Sraße in teheran entlang (Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/picture alliance)
Iranian state media reported this week that the country's morality police began partoling the streets again on Sunday, 16 July in response to a growing number of women leaving their hair uncovered in public in defiance of Iran's strict dress code. The news came exactly 10 months after 22-year-old Jina Mahsa Amini died in police custody after being arrested for not wearing her hijab tight enough. Her death triggered nationwide protests and saw morality police largely disappear from the streets



Der Protest ist mehr als nur Widerstand gegen ein Kleidungsstück: Es geht um die grundlegenden Rechte von Frauen und um ihren Platz in der Gesellschaft. Iranerinnen lehnen sich gegen ein theokratisches System auf, das sie unterdrückt und ihre Menschenrechte missachtet.

Frau, Leben, Freiheit

Begonnen hatten die Proteste, nachdem die junge iranische Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung durch die Sittenpolizei gestorben war. Im Protest gegen die Umstände ihres Todes und gegen die staatlichen Vorschriften für Frauen entstand der Slogan "Frau, Leben, Freiheit“. Seitdem tragen in den iranischen Städten viele Frauen in der Öffentlichkeit überhaupt kein Kopftuch mehr.

Der Staat reagierte auf brutale Weise: Schätzungen zufolge starben von September bis April 2023 mehr als 500 Menschen bei Protesten. Zudem wurden vier Todesurteile vollstreckt. Mit den Demonstrationen vollauf beschäftigt, konnten die Sicherheitskräfte aber im Alltag die Kopftuchpflicht nicht mehr durchsetzen. Viele Frauen begannen, gewohnheitsmäßig ganz ohne Hidschab auszugehen. Lange taten die Behörden so, als würde sie es nicht bemerken.

Jetzt hat das Regime aber angekündigt, die Hidschabpflicht wieder durchzusetzen. Ob und wie ihm das gelingt, ist offen. Es fürchtet sicherlich, neue Proteste auszulösen, will aber gleichzeitig seine Macht demonstrieren.

Zunächst haben die Behörden Überwachungskameras im öffentlichen Raum installiert, um Frauen ohne Kopftuch zu identifizieren. Per Handy werden sie dann auf Verstöße gegen die Regeln hingewiesen und verwarnt. Hart trifft es auch Geschäfte und Restaurants, welche die Vorschrift zur Verschleierung nicht von ihren Kunden einfordern.

Boykott von Geschäften mit Hidschabpflicht

Die Polizei hat schon mehrere Geschäfte geschlossen, was die Eigentümer in der aktuellen Wirtschaftskrise hart trifft. Andererseits boykottieren aber manche Iranerinnen und Iraner nun jene Geschäfte, die sich streng an die autoritäre Kleiderordnung halten, so dass auch ihr Umsatz leidet.

Der Kampf gegen die Kopftuchpflicht ist noch nicht zu Ende. In den vergangenen Monaten sind immer mehr Initiativen zur Unterstützung der Frauen entstanden. So werden etwa Männer aufgefordert, sich mit den Frauen zu solidarisieren, indem sie kurze Hosen oder Kopftücher tragen.



Damit können sie das Risiko verringern, dass protestierende Frauen ausgegrenzt werden. Manche gehen noch weiter und stellen sich auf die Seite von Frauen, wenn diese verbal oder körperlich angegriffen werden, weil sie ihr Haar nicht bedecken.

Selbst traditionell und konservativ eingestellte Iranerinnen und Iraner sehen inzwischen, dass die staatliche Unterdrückung maßlos übertrieben und ungerecht ist. Sie zeigen sich zunehmend solidarisch, und das schließt religiöse Menschen mit ein. In der iranischen Bevölkerung setzt sich allmählich ein Umdenken durch. Das Regime will diesen Trend nach Kräften bremsen. Stoppen kann es ihn nicht.

Shora Azarnoush

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