Roadmap zur Stabilisierung
Es war ein wichtiger symbolischer Akt: Abdelhamid Dabeiba, der erst im Februar zum Premier der neuen libyschen Einheitsregierung ernannt worden ist, stieg auf einen Bulldozer und winkte den applaudierenden Beistehenden. Dann setzte sich die Baumaschine in Bewegung und räumte einen Erdhügel weg, der bis letzten Sonntag (20.06.) die wichtigste Verbindungsstraße entlang des Mittelmeers zwischen dem Westen und Osten des Landes blockiert hatte.
Damit sind die beiden einst kriegsführenden Teile des Landes nun auch wieder verkehrstechnisch miteinander verbunden. "Heute erklären wir die Ära der Spaltung und Teilung unseres Landes als für immer beendet. Wir sind wie ein Körper. Wenn ein Organ nicht richtig funktioniert, beginnen auch die anderen Organe zu versagen“, zelebrierte und warnte Dabeiba zugleich, so als ob er selbst noch nicht ganz an den Aufbruch seines Landes in die neuen Friedenszeiten glaubt.
Das Ganze passte auch zur politischen Roadmap, die am 23. Juni auf einer weiteren internationalen Libyen-Konferenz in Berlin ausgehandelt werden soll. Dort treffen sich auf Einladung der deutschen Regierung und der UNO die gleichen Teilnehmer wie bei der ersten Libyen-Konferenz Berlin Anfang letzten Jahres, also Russland, die Türkei, Frankreich, Ägypten, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vertreter der Europäischen Union. Auch US-Außenminister Anthony Blinken hat sich angekündigt.
Neu ist auch, dass die libysche Seite diesmal zumindest vordergründig mit einer Stimme spricht, in Form der erst im Februar 2021 gebildeten neuen Einheitsregierung. "Das Treffen in Berlin ist für uns Libyer eine Gelegenheit, als seine Hauptpartei daran teilzunehmen. Libyen als Ganzes war bisher aufgrund der Spaltung des Landes nicht bei diesen Treffen anwesend. Jetzt haben wir die Chance, als eine Regierung der Nationalen Einheit mit einer geeinten Vision und einer klaren Strategie daran teilzunehmen, und die Entscheidungen der Berlin-Konferenz und des UN-Sicherheitsrates zu unterstützen“, erklärte die neue libysche Außenministerin Najla Mangoush bei einem Besuch letzten Samstag (19.6.) in Kairo.
Viel ist seit der letzten Libyen-Konferenz in Berlin im Januar 2020 erreicht worden. Der Waffenstillstand hält, es gibt erstmals eine Einheitsregierung und für den 24. Dezember sind Parlamentswahlen angesagt. Auch große regionale Player wie die Türkei und Ägypten haben sich in den letzten Monaten angenähert, um die Lage in Libyen endlich zu stabilisieren. Nun gilt es, die bisherigen Fortschritte in Berlin weiterzudrehen. Dabei werden drei große Themen vorherrschen.
Im Vordergrund stehen die Vorbereitungen der Parlamentswahlen, die für den 24. Dezember dieses Jahres angesetzt sind, und die Schaffung eines legalen Rahmens für ihre ordnungsgemäße Durchführung. Das zweite große Thema ist der Rückzug aller ausländischen Söldner und Militärberater. Er war zwar schon bei der letzten Berliner Libyen-Konferenz beschlossen worden, hat aber noch nicht stattgefunden. Keine ausländische Macht will auf ihren militärischen Einfluss in dem ölreichen Land verzichten.
Bei den Milizen im Westen des Landes und in der Hauptstadt Tripolis mischen türkische Militärberater mit. Der Osten des Landes wird von russischen Söldnern, der Kreml-nahen Wagner Sicherheitsfirma dominiert sowie von sudanesischen Kämpfern, die auf der Gehaltsliste der Vereinigten Arabischen Emirate stehen.
Noch schwieriger dürfte es werden, den libyschen Sicherheitsapparat selbst wieder zu einen und ein einziges staatliches Gewaltmonopol herzustellen. Die Konferenz in Berlin wird sicherlich erneut viele Absichtserklärungen hervorbringen. Richtig spannend wird es aber erst danach – bei der Frage, ob die guten Absichten dann auch tatsächlich umgesetzt werden.
© Qantara.de 2021
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