Brisantes Material

Die irakischen Geheimdienste haben Millionen von Akten gesammelt. Was soll nun damit geschehen? Exil-Iraker wollen sich bei der Auswertung Rat von der deutschen Stasi-Unterlagen-Behörde holen.

Stasi-Archiv in Berlin, Foto: AP
Stasi-Archiv in Berlin

​​Wie groß die Hinterlassenschaft der irakischen Geheimdienste ist, weiß niemand genau. Nur so viel ist bekannt: die Akten sind weit verstreut. Und es dürfte schwer, wenn nicht gar unmöglich sein, die Bestände zusammenzuführen.

Die von Kanan Makiya und anderen Exil-Irakern in den USA gegründete "Iraq Memory Foundation" verfügt eigenen Angaben zufolge über rund sechs Millionen Aktenseiten. Etwa die Hälfte davon soll aus Beständen stammen, die beim ersten Golfkrieg 1991 von Kurden im Nord-Irak oder nach dem Rückzug irakischer Truppen aus Kuwait erbeutet wurden.

Akten aus den Kellern Saddam Husseins

Hinzugekommen sind umfangreiche Akten-Sammlungen, die laut Kanan Makiya von Mitarbeitern seiner Organisation im Keller des Hauptquartiers der Baath-Partei von Saddam Hussein aufgespürt wurden. Mit Akten, die anderen in die Hände gefallen sind, würden unterschiedlichste Interessen verfolgt, davon ist Makiya überzeugt: "Man muss davon ausgehen, dass Akten teilweise verloren gegangen sind. Zum Teil wird dieses Material auch für politische Absichten benutzt. Akten werden verkauft." Viele Dokumente seien brisant. "Leute müssen ihre Posten räumen, weil Akten gegen sie verwendet werden", sagt Makiya.

Die "Iraq Memory Foundation" sucht nun Rat in Deutschland. So erhofft sie sich von der Stasi-Unterlagen-Behörde, Anregungen und Ratschläge, wie man das Geheimdienst-Erbe auswerten und wie man damit künftig umgehen soll. Kanan Makiya glaubt, die Mehrheit seiner Landsleute befürworte eine ähnliche Lösung wie in Deutschland: "Eine große Mehrheit würde wohl sagen, die Akten müssen geöffnet und zugänglich gemacht werden." Mit Hilfe der Akten müssten Personen identifiziert werden. Allerdings bestehe noch längst keine Einigkeit darüber, was mit dem brisanten Material geschehen soll.

Hilfe aus dem Ausland nötig

Von amerikanischer Seite hat die "Iraq Memory Foundation" eine Million Dollar erhalten, um erste Strukturen, darunter ein Büro in Bagdad, aufzubauen. Doch das reiche bei weitem nicht aus. Kanan Makiya appelliert deshalb an Deutschland, sich im Irak zu engagieren: "Kommen Sie jetzt, warten Sie nicht auf die Vereinten Nationen!", lautet sein Aufruf. Marianne Birthler, die Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde, sagte ihren Gästen jegliche ideelle Unterstützung zu. Alles weitere müsse auf der politischen Ebene entschieden werden:

"Natürlich gibt es unsererseits ein großes Interesse daran, solche wichtigen Initiativen zu unterstützen", sagte Birthler. Sie wolle sich um Partner bemühen. Dabei denkt Marianne Birthler unter anderem an die parteinahen Stiftungen. Über eigene finanziellen Mittel zur Unterstützung irakischer oder anderer Institutionen verfüge sie nicht. Vielleicht gibt es ja Unterstützung von anderer Seite: die Vertreter der "Iraq Memory Foundation" hatten nämlich noch einen Termin im Auswärtigen Amt.

Marcel Fürstenau

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004

Iraq Memory Foundation