Kultur in Trümmern

Wie sieht es aus mit der Kultur im Irak – ein Jahr nach dem Ende der "offiziellen" Kampfhandlungen? Nach Angaben des irakischen Kulturministers, Mufid al-Djasairi, liegt sie in Trümmern.

Von Werner Bloch

Mufid al-Djasairi, der sich zurzeit auf Einladung des Goethe-Instituts in Berlin aufhält, ist führendes Mitglied der Kommunistischen Partei. Ein unbequemer Mann, der die Amerikaner offen kritisiert und der überhaupt gegen den letzten Irakkrieg war. Der Kulturminister nimmt kein Blatt vor den Mund und zeichnet die Lage der Kultur in seinem Land in düstersten Farben:

"Die Kultur im Irak liegt in Trümmern - wie alles andere auch. Nicht nur wegen des Krieges im vergangenen Jahr und der Plünderungen und Brandschatzungen, sondern auch wegen der drei Jahrzehnte Diktatur unter Saddam Hussein, der die Kultur systematisch zerstört hat. Wir müssen die gesamte kulturelle Infrastruktur wieder aufbauen, unseren Künstlern, Schriftstellern und Wissenschaftlern die Tür öffnen, damit sie wieder frei, ohne Angst arbeiten können. Der Irak hat viele hoch gebildete Menschen. Sie haben unter Saddam für die Schublade geschrieben."

Wenig Kompetenzen, wenig Geld

Mufid al-Djasairi ist der Minister mit der wohl schwächsten Position im 25-köpfigen Regierungsrat. Denn für Kultur interessiert sich dort kaum jemand. Und das Budget, das ihm zur Verfügung steht, beträgt gerade mal 2-3 Millionen Dollar. Ganze zwei Erfolgsgeschichten hat der Kulturminister vorzuweisen: Die Eröffnung eines Kinos für anspruchsvolle Filme in Bagdad und die Ausbildung einer Truppe, die den Schutz der archäologischen Stätten vor Plünderungen übernehmen soll.

Das war's auch schon. Das ist praktisch die gesamte Leistungsbilanz des Kulturministers - eines Mannes, der nicht aufhört zu betonen, dass es Demokratie ohne Kultur nicht geben könne. Die Verbrechen, die seit dem Einmarsch der Alliierten an der Kultur begangen wurden, sie sind noch immer unaufgeklärt. Zum Beispiel die Plünderung des Nationalmuseums im April letzten Jahres.

"Wie die Plünderung des Nationalmuseums geschehen konnte, wird zurzeit noch untersucht" erzählt al-Djasairi. "Wir werden unsere Ergebnisse bald veröffentlichen. Rund 5.000 Objekte wurden inzwischen wieder aufgefunden. Von den 30 wertvollsten, unersetzlichen Stücken haben wir zwei oder drei wieder bekommen."

Alte und neue Katastrophen

Auch über den Brand in der Nationalbibliothek weiß der Kulturminister nichts Genaues zu berichten. Warum sind Bücher gezielt zerstört worden? Wer tut so etwas? Und wer hat die wertvollsten Exemplare gestohlen? Wieso wurden bei der Verbrennung militärische Mittel eingesetzt? Alles noch unklar.

Zusätzlich zu den alten Katastrophen kommen neue hinzu. Im Südirak werden Kinos vor den Augen der britischen Besatzer zerstört. Bibliotheken wurden durchwühlt, unliebsame Bücher entfernt und nur noch religiöse Bände aufbewahrt.

"Das sind nicht religiöse Gruppen, die so etwas tun, sondern Extremisten", meint al-Djasairi. "Die Schlachtlinie verläuft nicht zwischen den Religiösen und den Laizisten, sondern zwischen denen, die eine Demokratie wollen, und denen, die zur Diktatur zurückkehren wollen. Sunniten, Schiiten und Kurden finden sich auf beiden Seiten dieser Linie."

Weitermachen trotz der Gefahr

Am 30. Juni wird die Macht von den Alliierten an eine Übergangsregierung abgegeben. Dann möchte er dabei sein, den angefangenen Job weitermachen, obwohl auch Mufid al-Djasairi weiß, wie gefährlich das ist. Aber einer müsse die Arbeit nun mal machen, um Saddam Hussein keinen späten Triumph zu gönnen.

Der Kulturminister erwartet sogar einen Anstieg der Gewalt bis zum 30. Juni. Denn nach der Machtübergabe würden die Aufständischen ja nicht mehr gegen die Alliierten kämpfen, sondern gegen Iraker. Und damit wird es für sie viel schwerer, ihren Kampf zu legitimieren.

Keine Teilnahme auf der Frankfurter Buchmesse

Im September will al-Djasairi eine große Konferenz aller wichtigen irakischen Intellektuellen ausrichten. An der Buchmesse in Frankfurt aber, wo die arabischen Länder Schwerpunktthema sind, werde sich sein Land kaum beteiligen - kein Geld, keine Mittel, keine Infrastruktur:

"Ich habe mit Freunden gesprochen, die in Europa leben und an der Messe teilnehmen wollen. Und sie haben zugesagt, unser Land zu vertreten."

Werner Bloch

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