Provokateur und Volkstribun
"Selbst wenn unser Finanzministerium, unsere Bankkonten und unser Haushalt eines Tages leer sein sollten … Gott sei mein Zeuge: Ahmadinedschad und seine Regierung sind bereit, hierher zu kommen und als Landarbeiter mit der Spitzhacke zu arbeiten, um Lorestan aufzubauen. Ihr könnt Euch darauf verlassen: Wir werden stolz darauf sein", versicherte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad im vergangenen März vor einer Volksversammlung in der Provinz Lorestan.
Wie kein anderer versteht es der Vierzigjährige, die einfache Bevölkerung zu packen und mitzureißen. Das Rezept ist einfach: Er stellt sich als ein Mann aus dem Volk hin, und man nimmt ihm dies ab.
Denn Ahmadinedschad stammt tatsächlich aus einfachen Verhältnissen, er pflegt keinen aufwendigen Lebensstil und hat den Ruf, jeder Korruption fern zu sein - ganz im Gegensatz zu den meisten der anderen bekannten Politiker seines Landes.
Diese Eigenschaften waren es denn wohl auch in erster Linie, die Ahmadinedschad am 25. Juni 2005 den Wahlsieg bescherten. Zwar erst im zweiten Wahlgang, dafür aber mit 61 Prozent der Stimmen - einem so großen Abstand vor dem eigentlichen Favoriten, Ali Akbar Rafsandschani, dass der ebenfalls unterlegene ehemalige Parlamentspräsident Mehdi Karroubi öffentlich von Wahlbetrug sprach.
Solche Vorwürfe sind längst verstummt, seit Ahmadinedschad am 3. August 2005 sein Amt als sechster Präsident der Islamischen Republik übernahm. Dafür hält der Präsident sein Land - und mehr noch die Welt - in Atem.
Populismus und antiwestliche Rhetorik
Mit populistischen Erklärungen, einer virulent anti-israelischen und anti-amerikanischen Rhetorik und einer selbstbewusst-provozierenden Haltung im Atomstreit hat Ahmadinedschad seinem Land innerhalb nur eines Jahres mehr außenpolitische Probleme eingehandelt als alle seine Vorgänger. Unter anderem, indem er die Angriffe gegen den Westen – ganz speziell gegen die USA – verschärfte:
"Die kommen und beschuldigen unser Volk, Menschenrechte und Freiheit zu verletzen. Wenn Gott es will, werden wir sie vor Volks-Gerichte stellen. Unser Volk hat eine Kultur des Märtyrertums und der Selbstaufopferung. Unser Volk hat Kultur und Zivilisation, es ist ein freies und revolutionäres Volk".
Wahlbetrug oder nicht: Der Wahlsieg Ahmadinedschads war einerseits auf die Politikverdrossenheit der Iraner zurückzuführen, andererseits auf die unerfüllten Hoffnungen der Unterprivilegierten, die es auch in der Islamischen Republik zu nichts gebracht hatten.
Der studierte Ingenieur Ahmadinedschad, der erst zwei Jahre zuvor Oberbürgermeister von Teheran geworden war, versprach Abhilfe. Und in der Tat: Er machte sich daran, den kleinen Leuten billige Kredite zu verschaffen, ihnen den Erwerb von Wohnungen zu erleichtern und auch Krankenversicherungen anzubieten.
Kein problemloser Präsident
Innenpolitisch zeichnete sich freilich bald ab, dass Ahmadinedschad kein problemloser Präsident sein würde: Er berief alte Weggefährten aus seiner Zeit bei den Revolutionsgarden in Minister- und andere Posten - manche musste er wegen Inkompetenz wieder austauschen -
und er begann, sich auch auf außenpolitischem Gebiet zu profilieren. Während eines Auftritts vor der UN-Vollversammlung sagte er:
"Gerechtigkeit sollte das oberste Gebot in dieser Organisation sein und nach ihrer Charta sollen alle Mitgliedsstaaten die gleichen Rechte haben. Größere Macht oder größerer Reichtum sollten keinem Mitglied mehr Rechte geben."
Der Stolz der Iraner auf so viel Selbstbewusstsein wurde bald getrübt: Der Präsident berichtete nach seiner Heimkehr, er habe während seiner Rede in New York einen grünen Lichtschein gesehen und die UN-Delegierten seien fasziniert von seiner Rede gewesen. Man begann im Iran, Witze über den Präsidenten zu machen, bald aber wurde vielen klar, dass mit Ahmadinedschad nicht zu spaßen war:
Der Präsident verschärfte die Gangart im Atomstreit, indem er resolut jeden Kompromiss als unzumutbare Kapitulation ablehnte. Demonstrativ ließ er eine erste Anreicherung von Uran bejubeln und verkündete, man werde nie auf das Recht verzichten, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
Leugnung des Holocaust
Gleichzeitig aber eröffnete Ahmadinedschad eine zweite Front: Er verschärfte die Angriffe auf Israel: Dieses solle von der Landkarte ausradiert werden - so zitierte er Revolutionsführer Khomeini – und überhaupt. Wenn der Holocaust denn überhaupt stattgefunden habe, dann müssten doch die Schuldigen dafür die Verantwortung tragen und sie nicht den Palästinensern aufbürden:
"Wenn ihr Europäer sagt, dass ihr im Zweiten Weltkrieg sechs Millionen Juden umgebracht habt, wenn ihr wirklich sechs Millionen Juden in den Krematorien verbrannt habt …, und es scheint ja zu stimmen, weil ihr das immer wieder behauptet und jeden bestraft, der anderer Meinung ist … Ihr verurteilt ja sogar eure Gelehrten, die anderer Meinung sind. Deswegen fragen wir euch: Wenn ihr dieses große Verbrechen wirklich begangen habt – warum sollte das unterdrückte palästinensische Volk dafür bestraft werden?
"Wenn ihr ein Verbrechen begangen habt, dann solltet ihr selbst dafür zahlen. Unser Vorschlag bleibt unverändert: Wenn ihr ein Verbrechen begangen habt, dann ist es nur angemessen, dass ihr einen Teil eures Landes zur Verfügung stellt – in Europa, den USA, Kanada oder Alaska –, damit die dort ihren eigenen Staat errichten können. Ihr könnt versichert sein, dass das iranische Volk nichts dagegen hat", so Ahmadinedschad.
Ein internationaler Sturm der Empörung setzte ein. Mit der Folge, dass Ahmadinedschads sich bestätigt fühlte und seine Attacken steigerte: Nachdem er die USA zum Beispiel bereits mit Dschingis Khan verglichen hatte, bezeichnete er nun Israel als Hitler.
Anerkennung bei Muslimen weltweit
In der muslimischen Welt punktete er damit, besonders in den arabischen Ländern, wo man trotz allen Misstrauens gegenüber dem Iran in dessen Präsidenten einen aufrechten Mann zu sehen begann, der bereit ist, den USA und Israel die Stirn zu bieten.
Verhängnisvoll, dass Abscheu und Verärgerung des Westens sich dort mit der Atomfrage verquickten und die Haltung gegenüber Iran verhärten ließ. Obwohl der Atomstreit schon vor Ahmadinedschad Amtsantritt begonnen hatte und obwohl auch seine Vorgänger eine israelfeindliche und antiamerikanische Politik verfolgten.
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist es Mahmud Ahmadinedschad zwar gelungen, Massenversammlungen zu begeistern, politisch hat er den Iran aber in die Ecke manövriert. Sucht man nach einer logischen Erklärung hierfür, dann findet sich nur eine: Ahmadinedschad möchte die Atmosphäre der frühen islamischen Republik wiederherstellen.
Aber nur in solch einer selbst auferlegten Isolation kann solch eine Theokratie auf Dauer überleben. Nicht aber, wenn sie sich gleichzeitig gegenüber der Außenwelt öffnet.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
Porträt Mahmud Ahmadinedschad
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