Neuer Studiengang an der Universität Frankfurt

Dank eines neuen türkisch-deutschen Kooperationsprojekts können Interessierte ab dem Sommersemester 2005 in Frankfurt Islamische Religionswissenschaft studieren – bei muslimischen Dozenten. Vedat Acikgöz mit Einzelheiten

Dank eines neuen türkisch-deutschen Kooperationsprojekts können Interessierte ab dem Sommersemester 2005 in Frankfurt am Main Islamische Religionswissenschaft studieren – bei muslimischen Dozenten. Vedat Acikgöz mit Einzelheiten

Im neuen Studiengang Islamische Religionswissenschaft soll ein wissenschaftlicher Diskurs über Religionen geführt werden. Foto: AP
Im neuen Studiengang Islamische Religionswissenschaft soll ein wissenschaftlicher Diskurs über Religionen geführt werden

​​Allen Sparmaßnahmen und Stelleneinsparungen an den Universitäten zum Trotz kann man nun in einer weiteren deutschen Stadt Islamische Religionswissenschaft studieren. Die Universität Frankfurt am Main und das staatliche türkische Religionsamt in Ankara haben kürzlich einen entsprechenden Stiftungsvertrag unterzeichnet.

Der Studiengang soll sich mit der Entwicklung des Islam im europäischen Kontext und mit dem interreligiösen Dialog befassen, so die Verantwortlichen. Deshalb ist im Rahmen des Studiums auch die Beschäftigung mit Christentum und Judentum obligatorisch.

Entspannt und ruhig sitzt der türkische Theologieprofessor Mehmet Emin Köktas in seinem Zimmer am Ende des Gebäudes der Theologischen Fakultät der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt. Doch die Ruhe trügt, denn Köktas hat vor dem Semesterbeginn noch viel zu tun.

Es sind nur noch wenige Wochen, dann beginnt das Semester - und damit der neue Studiengang für Islamische Religionswissenschaft. Zwei Jahre lang arbeitete der 52-Jährige mit zwei Professoren des Fachbereichs Evangelische Theologie an den Lehrinhalten.

Kritik aus der deutschen Öffentlichkeit

Dass der Türke Köktas nun in Frankfurt unterrichten kann, wird ermöglicht durch einen Stiftungsvertrag zwischen der Universität Frankfurt und dem Türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten(Diyanet).

Kritik aus der deutschen Öffentlichkeit folgte prompt: Die Türkei wolle mit dem neuen Studiengang direkten Einfluss auf die Ausbildung zum Islamwissenschaftler in Deutschland nehmen, so die Kritiker.

Mehmet Köktas kann dies nicht verstehen: "Die Reaktionen verfolge ich sehr interessiert. Aber diejenigen, die kritisieren, wissen nicht, was hier gemacht wird. Und wenn die Kritiker mich mal anrufen und fragen würden, könnte ich ihnen genauestens die Inhalte der Vereinbarung erklären. In dem Vertrag steht ganz offen, welche Verantwortung Diyanet hat. Der türkische Staat ist in keiner Weise in irgendeiner Form damit verbunden, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Es gibt nur eine Vereinbarung - und zwar zwischen der Universität und Diyanet."

Wie ein Chemiekonzern, der Chemiker unterstützt

Was Köktas lieber verschweigt: Diyanet ist eine staatliche Behörde und steht für den sunnitischen Islam, wie er in der laizistischen Türkei gelehrt wird: ein moderner, nicht-fundamentalistischer Islam zwar – aber auch ein Islam unter strenger staatlicher Kontrolle.

Stefan Alkier, Dekan des Fachbereichs der Evangelischen Theologie, kann die Kritik an der Kooperation mit dem türkischen Religionsamt ebenfalls nicht verstehen. Im Gegenteil - er ist froh, mit der Stiftungsprofessur jetzt einen renommierten Islamwissenschaftler aus der Türkei in seinem Fachbereich zu haben.

Das sei genauso in Ordnung wie ein Chemiekonzern, der Chemiker unterstütze, findet Alkier: "Ich freue mich sehr, dass wir die Mittel von Diyanet zur Verfügung gestellt bekommen haben. Denn man könnte den Studiengang zwar auch aus eigenen Mitteln bestreiten, es ist aber viel interessanter für die Studierenden, dass wir hier muslimische Professoren haben. Ich finde das ausgezeichnet. Man muss wissen, dass bei den Stiftungsprofessuren oder Gastprofessuren die Geldgeber keinen Einfluss darauf haben, wer die Stelle ausübt. Also hat auch Diyanet keinen direkten Einfluss darauf, wer diese Stellen bekommt - das wird hier in Frankfurt entschieden."

Eine Ausbildungsstätte für dialogfähige Imame?

Im Gegensatz zu einem ebenfalls relativ neuen Studiengang in Münster, in der die Ausbildung zum Islam-Lehrer im Mittelpunkt steht, ist der Frankfurter Studiengang ein reiner Magisterstudiengang.

Hier soll ein wissenschaftlicher Diskurs über Religionen geführt werden. Die Ausbildung von Imamen sei kein offizielles Ziel, aber durchaus möglich, erklärt Stefan Alkier: "Es sind Gerüchte entstanden, wir würden hier Imam-Ausbildung betreiben. Das ist natürlich alles Quatsch. Was wir hier vorhaben, ist ein Magisterstudiengang, der sich an alle richtet, die in irgendeiner Weise Interesse daran haben, Religionen wissenschaftlich zu erforschen."

Jedoch wird man keinem die Tore verschließen, fährt Alkier fort: "Wenn junge Menschen, die Imame werden wollen, auch diesen Studiengang wählen wollen, würde mich dies natürlich freuen. Denn sie hätten so eine wissenschaftliche Ausbildung, die sie dialogfähig macht. Wer diesen Studiengang studiert, weiß, dass es sich um einen Teilstudiengang handelt - das ist in der Studienordnung so festgeschrieben. Und man muss in diesem Rahmen auch jüdische und christliche Religionswissenschaft studieren."

Wichtig für die Zukunft der deutschen Gesellschaft

Auch für Mehmet Köktas ist es durchaus denkbar, dass Absolventen des Frankfurter Studienganges später Imame werden können - auch wenn dies nicht das eigentliche Anliegen des neuen Angebots sei. Köktas sagt, dies würde sich positiv für die ganze Gesellschaft auswirken.

"In Deutschland leben viele Türken und Muslime - und die haben viele Probleme. Normalerweise kommen die Imame aus der Türkei. Das sind sehr gute Imame, die in der Türkei auch eine gute Ausbildung genossen haben. Doch sie kennen weder Deutschland noch die deutsche Kultur und haben deshalb Probleme bei der Kommunikation. Natürlich ist unser Studiengang hier keine echte Alternative", so Köktas.

Imame mit solider theologischer Ausbildung und guten deutschen Sprachkenntnissen seien angesichts der über 3 Millionen Muslime hierzulande sehr wichtig für die Zukunft der deutschen Gesellschaft:

"Wir wollen hier in Deutschland eigentlich nur Studierende den Islam lehren. Aber: In Zukunft werden sowohl Deutschland wie auch die Türken in Deutschland solche gut ausgebildeten Leute dringend brauchen. Unsere Absolventen werden gewiss keine Sprachprobleme haben. Sie werden Experten für den Islam sein, Islamwissenschaftler, die sich auch mit Deutschland auskennen. Deshalb denke ich, dass letztlich auch wir in dieser Hinsicht einen großen Beitrag leisten werden."

Denkbar ist für Köktas auch, dass Absolventen des neuen Studienganges später in deutschen Schulen Islam unterrichten - vorausgesetzt islamischer Religionsunterricht wird überhaupt angeboten. Bisher gibt es nur wenige Bundesländer, die islamischen Religionsunterricht in ihrem Unterrichtsplan haben.

Aber auch das Modellprojekt "Islamische Unterweisung in deutscher Sprache", wie es zur Zeit in über 100 Schulen in Nordrhein-Westfalen praktiziert wird, wäre eine Anlaufstelle für die Absolventen. Doch bis die ersten Studierenden aus Frankfurt soweit sind, müssen die Schulen mindestens vier Jahre warten: So lange dauert die Regelstudienzeit.

Vedat Acikgöz

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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Stiftungsprofessur für Islamische Religion, Frankfurt

Centrum für Religiöse Studien, Münster