Verpasste Chance
Über den Iran wird derzeit wieder viel gesprochen. Ein Präsident, der die Provokation liebt, und ein Atomprogramm, das von der internationalen Gemeinschaft mehr als skeptisch beäugt wird, haben den Iran in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt, wie seit 1979 nicht mehr. Umso neugieriger ist man dann auf Bücher, die den Anspruch erheben, einen Einblick ins aktuelle Innenleben dieses von außen recht undurchschaubar wirkenden Landes zu geben.
Jason Elliots Anfang 2007 im Malik/Piper-Verlag erschienenes Buch "Persien – Gottes vergessener Garten" klingt da vielversprechend. Der Autor, der Ende der 1990er Jahre einen vielbeachteten Reisebericht über das kriegsgeplagte Afghanistan vorgelegt hat(2003 im Piper-Verlag erschienen), hat jedenfalls die besten Absichten: Sein persönlicher Reisebericht will "Generationen von Lesern mit dem Reichtum und der Mannigfaltigkeit der iranischen Kultur vertraut" machen.
Rückblick statt Einblick
So weit, so gut. Man freut sich also darauf, den Iran aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen. Doch leider schlägt Jason Elliot den falschen Weg ein. Der Titel der deutschen Ausgabe lässt es schon ahnen – nicht vom heutigen Iran ist hier die Rede, sondern von Persien, der alten und mittlerweile abgelegten Bezeichnung des Landes. Elliot will uns die kulturellen Errungenschaften vor Augen führen, die die Welt dem alten Persien zu verdanken hat, und die liegen nun einmal in der Vergangenheit.
Politik, so lässt er uns wissen, interessiert ihn ohnehin nicht wirklich. Er holt also mächtig weit aus. Bereits im ersten Kapitel dieses 445 Seiten umfassenden Berichts werden 4500 Jahre Geschichte angerissen. Dabei, so sei angemerkt, schleichen sich, ebenso wie im weiteren Verlauf des Buches, auch ein paar Fehler ein. Nur zwei Beispiele: Ktesiphon, die Hauptstadt der Dynastie der Parther, liegt auf dem Gebiet des heutigen Irak und nicht Irans, und der sechste schiitische Imam hat im zehnten Jahrhundert auch nicht die ägyptische Fatimidendynastie begründet – da war er selbst nämlich schon längst tot.
Ermüdender Detailreichtum
Diese Ungenauigkeiten sind um so ärgerlicher, als Elliot außer Ausflügen in die Historie des Landes nicht viel zu bieten hat. Er reist natürlich pflichtschuldig fast alle Städte des Landes ab und legt in sieben Kapiteln, schöngeistig eingeleitet mit Versen des Dichters Hafez, darüber Zeugnis ab. Doch sein Bericht bleibt blutleer, fade und bruchstückhaft. Herr Elliot, so entnehmen wir dem Umschlagstext, spricht Persisch und hat das Land zwischen 2002 und 2005 bereist.
Nach und nach wird klar, dass es sich bei seinen Reisen um mehrere, zu unterschiedlichen Zeitpunkten unternommene Exkursionen handelt, was den holprigen Erzählrhythmus des Buchs erklären mag. Sein Herzensthema ist die Kunst- und Architekturgeschichte des Landes. So schildert er uns jedes Bauwerk, das er besichtigt – und eigentlich macht er nichts anderes – bis ins letzte Detail und gliedert seine Betrachtungen in kunstphilosophische Theorien ein, denen selbst ein gut gewillter Leser irgendwann nicht mehr folgen will. Dabei erhebt Elliot den Anspruch, im Gegensatz zur kunstgeschichtlichen Lehrmeinung, die persische Kunst in ihrer ganzen Komplexität begriffen und auch das architektonische Rätsel des Königsplatzes in Isfahan gelöst zu haben.
Nur ein Kratzen an der Oberfläche
Auf seinen Reisen trifft er durchaus auch mal Menschen. Taxifahrer vor allem, die ihn immer über den Tisch ziehen wollen und daher zur Weißglut treiben; europäische Touristen, die er mit Herablassung und Gehässigkeit beschreibt, als habe er das alleinige Patent auf Iranreisen; auch ein paar iranische Frauen, die fast alle "sehr schön" sind und ein paar sonstige Reisebekanntschaften, die glücklicherweise fast immer eine Flasche Whiskey zur Hand haben und sich alle darin einig sind, dass früher, also zur Zeit des Schahs, sowieso alles besser war.
Diese Begegnungen bleiben leider immer an der Oberfläche. Nach ein paar Sätzen ist die Unterhaltung eigentlich auch schon am Ende und Elliot wendet sich wieder seitenlangen Beschreibungen historischer Ereignisse oder architektonischer Schätze zu. Wen, so fragt man sich spätestens nach dem ersten zähen Viertel des Buches, will Elliot mit diesem Buch ansprechen? Wer soll das lesen? Wer will das lesen?
Reiseberichte leben von der Originalität ihrer Autoren, deren Fähigkeit, mit Menschen und Orten in Kontakt zu kommen, einen Erzählrhythmus aufzubauen und ihre Leser mit ihren Eindrücken zu fesseln. Einem spannenden, unterhaltsamen Reisebericht über den Iran, in dem es weniger um die große Politik geht als um persönliche Eindrücke, wäre eine interessierte Leserschaft heute sicher. Doch nichts von alldem findet sich in "Persien – Gottes vergessener Garten".
Also ein Buch für Kunst- und Architekturliebhaber oder gar Historiker? Nicht einmal das – denn über den künstlerischen und historischen Reichtum des Landes sind bereits viele bessere und weniger langatmige Bücher erschienen. Elliots vergessenen Garten kann man somit – leider – getrost vergessen.
Susan Javad
© Qantara.de 2007
Jason Elliot: "Persien – Gottes vergessener Garten. Meine Reisen durch den Iran". Malik/Piper, 2007