Street Art gegen den Krieg

Im Jemen herrscht die derzeit schlimmste humanitäre Krise der Welt. Der jemenitische Street-Art-Künstler Murad Subay beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Horror des Krieges. Zu sehen war seine Kunst auf dem Berliner Human Rights Film Festival im Septmber. Elizebeth Grenier informiert.

Von Elizabeth Grenier

Schwarz-Weiß-Porträts auf rotem Hintergrund. Die Augen der abgebildeten Figuren bestehen aus großen schwarzen Löchern. "Kriege sind eine der Wurzeln des Bösen, sie machen Menschen zu Monstern, zu Opfern, und andere schauen zu und ignorieren sie", schreibt der Künstler Murad Subay in einer Bildunterschrift neben seinem Wandbild. Der jemenitische Street-Art-Künstler hat sein jüngstes Werk auf eine Gebäudefassade des Berliner Union Film Ateliers (BUFA) gemalt. 

Die BUFA ist der Hauptstandort des Berliner "Human Rights Film Festivals", das noch bis zum 3. Oktober läuft. In seinem vierten Jahr stand das Festival unter dem Motto "The Art of Change" - die Kunst des Wandels.

Für Wandel steht auch Murad Subay. Er wurde von den Veranstaltern eingeladen, an einer Gruppenausstellung während des Festivals teilzunehmen und dieses Werk zu schaffen. Die Figuren sind Teil seiner Serie "Gesichter des Krieges", die zeigen soll, wie die "Schrecken des Krieges alles verschlingen", so der Künstler im Gespräch mit der Deutschen Welle.



Street Art als Symbol der Hoffnung

Murad Subay ist 1987 in Dhamar, Jemen, geboren. 2011 schuf er seine ersten Wandmalereien vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings, der auch im Jemen zu Protesten führte. Die jemenitischen Demonstrantinnen und Demonstranten forderten zunächst bessere wirtschaftliche Bedingungen, Reformen und das Ende der Korruption. Innerhalb weniger Monate jedoch schlossen sich bewaffnete Anhänger der Opposition an. Aus den zunächst friedlichen Demonstrationen wurden gewalttätige Auseinandersetzungen, die zu heftigen Straßenkämpfen mit den Sicherheitskräften führten, vor allem in der Hauptstadt Sana'a.

Murad Subays Arbeit "The Faces of War" (Foto: HRFFB)
Der Horror des Krieges verschlingt alles: Sieben schwarz-weiß Porträts stehen vor einem roten Hintergrund. Die Augen der abgebildeten Figuren bestehen aus großen schwarzen Löchern. "Kriege sind eine der Wurzeln des Bösen, sie machen Menschen zu Monstern, zu Opfern, und andere schauen zu und ignorieren sie", schreibt der Künstler Murad Subay in einer Bildunterschrift neben seinem Wandbild.

Die von Raketen und Gewehrfeuer zerstörten Fassaden wurden zu Murad Subays Leinwand. "Ich wollte zeigen, dass es an diesen Orten Kunst gibt, dass es Hoffnung gibt, dass die Menschen auch in einem sehr düsteren Moment, in dem ein Land über seine Geschichte entscheidet, noch kämpfen", erklärt er.

Vergleich mit Banksy

Subay wird gerne mit seinem berühmten Street Art-Kollegen Banksy verglichen. Er jedoch arbeitet nicht alleine und bleibt nicht anonym. Im Gegenteil: Er bezieht die Menschen in seiner Umgebung mit in seine "Kampagnen" ein - so nennt er seine Street-Art-Projekte. 2012 hatte er eine Kampagne unter dem Motto "Macht die Wände eurer Straße bunt" gestartet. Dazu lud er Passanten ein, sich mit Künstlern und Freunden zusammenzutun, um einen gemeinsamen Raum zu schaffen, in dem jeder entweder einen Pinsel in die Hand nehmen oder sich einfach nur treffen und unterhalten konnte.

Er wollte damit erreichen, dass "die Kunst nie weit weg von den Menschen ist", sagt er. "Im Jemen haben wir keine Galerien oder Museen, also muss die Kunst zu den Menschen auf der Straße gehen." Es folgten weitere Kampagnen. Als der Künstler seine fünfte Serie "Ruins" (Ruinen) startete, erfasste Anfang 2015 der Bürgerkrieg das Land.



Die schlimmste humanitäre Krise weltweit

Der immer noch andauernde Mehrfrontenkrieg im Vielvölkerstaat Jemen begann Ende 2014, als schiitische Huthi-Rebellen die Kontrolle über Sanaa übernahmen. Kurze Zeit später nahmen die Huthi auch den Präsidentenpalast ein, die Regierung trat zurück. Daraufhin schaltete sich eine von Saudi-Arabien angeführte, mehrheitlich sunnitische Koalition von Golfstaaten in den Konflikt ein. Die Auswirkungen des Krieges auf die Bevölkerung sind katastrophal. "Die schlimmste humanitäre Krise der Welt verschlimmert sich weiter, und der Hilfsbedarf ist so groß wie nie zuvor", heißt es in einer am 22. September veröffentlichten Pressemitteilung der Generaldirektion für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (GD ECHO) der Europäischen Union.

Murad Subays Kommentar zur ausländischen Einmischungn im Jemen; Foto: dpa/picture-alliance
Ein Stellvertreterkrieg mit fatalen Folgen: Der Krieg im Jemen, befeuert von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Iran, das hinter den Huthi-Rebellen steht, ist verheerend. "Die schlimmste humanitäre Krise der Welt verschlimmert sich weiter, und der Hilfsbedarf ist so groß wie nie zuvor", heißt es in einer am 22. September veröffentlichten Pressemitteilung der Generaldirektion für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (GD ECHO) der Europäischen Union. Bei einer Gesamtbevölkerung von 32,5 Millionen (2020) müssen fast vier Millionen Binnenflüchtlinge in Lagern versorgt werden. Nach Angaben der GD ECHO sind im Jemen 20,7 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, mehr als 16,1 Millionen von ihnen sind akut von Hunger bedroht.

Bei einer Gesamtbevölkerung von 32,5 Millionen (2020) müssen fast vier Millionen Binnenflüchtlinge in Lagern versorgt werden. Nach Angaben der GD ECHO sind im Jemen 20,7 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, mehr als 16,1 Millionen von ihnen sind akut von Hunger bedroht.



Kritik an der Internationalen Gemeinschaft

Inmitten des Konflikts musste Murad Subay den Jemen verlassen. Von Aktivisten und Meinungsmachern würde erwartet, dass sie Partei ergreifen, sagt der Künstler. "Aber ich habe alle Parteien kritisiert, weil sie alle Verbrechen begehen." Einer seiner Brüder ist Journalist. Ihm wurde zweimal ins Knie geschossen. Murad wurde mehrmals observiert, seine Arbeit als Künstler konnte er so nicht mehr ausüben. Vor zwei Jahren kam er mit Hilfe eines internationalen Schutzprogramms für verfolgte Künstler nach Paris. Dort machte er weiter.

Er schuf unter anderem ein Wandgemälde, das den Verkauf französischer Waffen an Saudi-Arabien anprangert. Auch Deutschland trägt zu dem Stellvertreterkonflikt bei, indem es Waffen an Länder exportiert, die in der von Saudi-Arabien angeführten Koalition kämpfen.

"Leider profitieren viele Unternehmen in Europa vom Krieg", sagt Subay, der auch das Schweigen der internationalen Gemeinschaft kritisiert. "Die Jemeniten sind diejenigen, die den Preis dafür zahlen."

Elizabeth Grenier

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