Journalisten leben gefährlich

Jährlich am 3. Mai wird der Internationale Tag der Pressefreiheit begangen, der auch an die Verletzung von Informations- und Freiheitsrechten in vielen Staaten der Welt erinnert. Miodrag Soric von der Deutschen Welle kommentiert.

​​In Diktaturen leben kritische Journalisten gefährlich. Sie werden verfolgt, verhört, ins Gefängnis geworfen oder gar ermordet. Ihre so genannten "Vergehen"?

Sie berichten über korrupte Politiker oder Wirtschaftsführer. Sie recherchieren, wie Militärs Zivilisten drangsalieren. Sie prangern islamistische Prediger an, die zu Hass und Verfolgung von Andersdenkenden aufrufen. Sie decken auf, wie das organisierte Verbrechen die Gesellschaft zersetzt.

Zum internationalen Tag der Pressefreiheit legen Menschenrechtsorganisationen eine traurige Bilanz vor: Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres kamen 13 Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit ums Leben, Hunderte wurden verhaftet, bedroht, angegriffen.

Nach wie vor missachten autoritäre Herrscher das Recht der verfolgten Journalisten auf eine faire Verteidigung. Ob in Russland und in anderen Staaten der GUS, ob in den meisten Ländern Afrikas, ob in der arabischen Welt, im Iran, in Indonesien oder in China: Journalisten, die sich nicht als Schoßhündchen der Mächtigen, sondern als Wachhund der Bürger verstehen, leben gefährlich.

Die Argumente totalitärer Herrscher ähneln sich, wenn es darum geht, der heimischen Presse einen Maulkorb anzulegen: Sie hätten im Prinzip nichts gegen Demokratie und unabhängige Medien, heißt es etwa in den Präsidentenpalästen Usbekistans, Chinas oder Tunesiens. Nur die Menschen in den jeweiligen Staaten seien eben noch nicht reif für die Freiheit. Unruhen und Chaos drohten, wenn die Menschen sich selbst überlassen wären.

Folglich solle der Westen froh sein, dass ein gestrenger Führer oder eine Partei der Macht wie Chinas KP die Geschicke des Landes lenke und damit für Stabilität sorge, heißt es. Im Grunde genommen fürchten totalitäre Regime lediglich den Verlust der Macht. Sie entmündigen das Volk, um selbst zu herrschen.

Die jüngsten Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen wie "Reporter ohne Grenzen", "Human Rights Watch" oder "Amnesty International" belegen: Nach wie vor lebt zwei Drittel der Menschheit in Staaten mit eingeschränkter Meinungs- und Pressefreiheit. Eine Besserung zeichnet sich nicht ab, leider.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hofften viele, dass Journalisten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion mehr sein dürften als nur Claqueure der jeweiligen Präsidenten. Inzwischen ist diese Hoffnung verflogen. Keine Nachrichtensendung im russischen Fernsehen, die nicht Wladimir Putin direkt oder indirekt lobt. Hofberichterstattung, wohin man auch sieht: ob im ersten, zweiten oder im dritten Fernsehkanal. Die Despoten in den anderen GUS-Republiken folgen diesem Beispiel, ob in Kiew, in Minsk oder in Aschachbad.

Argumente, die Medien zu knebeln, finden sich immer. Inzwischen wird der Kampf gegen den internationalen Terrorismus vorgeschoben, um die einheimischen Medien zu zensieren. Das ist vor allem in den arabischsprachigen Ländern der Fall, etwa in Marokko oder in Tunesien.

Auch 2004 ist die Pressefreiheit weltweit bedroht - wohin man auch blickt: In Simbabwe darf seit dem vergangenen Herbst die "Daily News" nicht mehr erscheinen, die letzte unabhängige Tageszeitung des Landes. In China durchforsten die staatlichen Zensoren das Internet, um kritische Texte aus dem Netz zu verbannen. Kuba darf sich rühmen, das Land zu sein, in welchem die meisten Journalisten - insgesamt 30 - im Gefängnis festgehalten werden. In Bangladesch registrierten internationale Menschenrechtsorganisationen die meisten Übergriffe auf Journalisten.

Auch westliche Staaten müssen sich vorwerfen lassen, am Tod von Journalisten Schuld zu sein. So starben im Irak mehrere Journalisten. Einige kamen um, weil amerikanische Soldaten nicht in der Lage waren, zwischen einem Kameraobjektiv und einem Granatwerfer zu unterscheiden. Allzu oft verliefen Untersuchungen, welche das amerikanische Militär zu solchen so genannten "Kollateralschäden" durchführte, im irakischen Wüstensand. Die Liste der Angriffe auf die Pressefreiheit ließe sich beliebig fortsetzen.

Was also tun? Menschenrechtsorganisationen müssen weiterhin Verletzungen der Pressefreiheit publik machen, um so Druck auf die Regime auszuüben. Oft arrangieren sich westliche Regierungen mit halbautoritären Regimen, ob nun aus sicherheitspolitischen oder aus wirtschaftlichen Gründen.

Ein trauriges Beispiel hierfür sind die angeblich hervorragenden Beziehungen zwischen der deutschen und der russischen oder der deutschen und der chinesischen Regierung. Mögen so genannte Realpolitiker ihre Fahne auch noch so hoch in den Wind hängen: Couragierte Journalisten und Menschenrechtler, ja alle politisch interessierten Bürger in freien Staaten müssen diesem Beispiel nicht folgen.

Die Pressefreiheit und damit die Freiheit des Menschen überhaupt ist ein zu hohes Gut, als dass man es den Zynikern auf dem diplomatischen Parkett alleine überlassen sollte, darüber zu befinden.

Miodrag Soric

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004