Bildung und Schönheit im orientalischen Kontext

Zum zweiten Mal wurde in Kairo der Wettbewerb um die "vorbildliche junge Frau der arabischen Welt”, der Miss Arab World, ausgetragen. Zu den Wettbewerbskriterien gehört in erster Linie die Schönheit des Verstands und nicht des Körpers. Von Nelly Youssef

Wafaa Yaakoub, Miss Arab World 2007; Foto: Hanan Nasr
Die aus Gold gefertigte und mit Edelsteinen besetzte Siegerkrone der Miss Arab World vereint die Nationalfahnen der am Wettbewerb beteiligten arabischen Länder

​​Wafaa Yaakoub, 25 Jahre alt, Jurastudentin an der Universität Bahrain, ist die neue Miss Arab World. Gemeinsam mit 20 anderen Bewerberinnen aus 15 arabischen Ländern wetteiferte sie um den Titel der "vorbildlichen jungen Frau der arabischen Welt 2007".

Kopftuch ist kein Hindernis

Anders als beim ersten Wettbewerb, an dem keine einzige Bewerberin mit Kopftuch beteiligt war, nahmen in diesem Jahr drei verschleierte Kandidatinnen teil: die Gewinnerin aus Bahrain und je eine Teilnehmerin aus Kuwait und Marokko.

Nach Bekanntgabe der Jury-Entscheidung erklärte Wafaa Yaakoub gegenüber Qantara, sie sei von Beginn an zuversichtlich gewesen, den Titel zu gewinnen, da sie sich in den Vorqualifikationsrunden gegen 25 Mitbewerberinnen aus Bahrain durchsetzen konnte.

Auf die Frage, wie sie sich erkläre, dass sie trotz ihres Kopftuchs gesiegt habe, erklärte Wafaa Yaakoub, dass der Wettbewerb nichts mit dem Tragen eines Kopftuchs zu tun habe und nicht ein Schönheitswettbewerb im herkömmlichen Sinne sei.

Es sei vielmehr eine kulturelle Veranstaltung, bei der es primär um die Intelligenz der jungen Frauen gehe, und nicht um deren Körperformen und –maße. Dabei betonte sie, dass sie nicht am Wettbewerb teilgenommen hätte, wenn allein die Schönheit für die Wahl ausschlaggebend gewesen wäre.

Für sie sei das Kopftuch ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubens, ihrer kulturellen Identität und modernen Lebenseinstellung. Ihrer Meinung nach ergänze gerade das Kopftuch den Grundgedanken des Wettbewerbs, Vorbild zu sein. Es hindere sie nicht zu tun, was sie – wie alle jungen Frauen in ihrem Alter – tun möchte.

Soziales Engagement

Die Idee für die "Miss Arab World" geht auf die Initiative der sozial engagierte Hanan Nasr zurück. Sie setzt sich in zahlreichen Frauenprojekten und wohltätigen Programmen für die Kinderfürsorge ein.

Laut Hanan Nasr werde heutzutage hauptsächlich der Körper der Frau in den Vordergrund gestellt, während dem eigentlichen Menschen keinerlei Beachtung geschenkt werde.

Vor diesem Hintergrund habe sie diesen Wettbewerb für junge Frauen veranstaltet, der diese als denkende Menschen mit einer Persönlichkeit betrachte. Sie lehne Wettbewerbe ab, die junge Frauen sexualisiere und deren Körper – wie es in üblichen Miss-Wahlen der Fall sei – als Ware zur Schau stelle.

Bildung hat Vorrang vor Schönheit

Solche Miss-Wahlen seien, so die Gewinnerin Wafaa Yaakoub, seien für die arabische Region nicht geeignet, da sie Bedingungen stellten, die mit der arabischen Kultur und der dortigen Religion nicht vereinbar seien, wie etwa das Tragen von Badeanzügen.

Hanan Nasr zufolge bestehe das Hauptziel eines solchen Wettbewerbs darin, die Bildung und Schönheit in einen Kontext zu setzen, der den orientalischen Traditionen und Bräuchen Rechnung trage und der arabischen Welt ein positives Bild vermittelte.

Aus diesem Grund habe sie zur Bedingung gemacht, dass die jungen Frauen die Nationaltracht ihrer Länder tragen sollten, um das kulturelle Erbe der arabischen Länder zu betonen und somit der Imitation westlicher Vorstellungen entgegenzutreten.

Teilnahmevoraussetzungen

Voraussetzung für die Teilnahme war, dass die Bewerberinnen zwischen 18 und 24 Jahren alt und ledig seien, über einen Universitätsabschluss und ein gewisses Maß an Allgemeinbildung verfügen.

Zudem sollten sie mindestens 167 cm groß sein und 50 Kilogramm nicht unterschreiten. Darüber hinaus müssten sie eine Fremdsprache beherrschen, die Staatsbürgerschaft eines arabischen Landes besitzen und dürften sich keiner Schönheitsoperation unterzogen haben.

Die Kandidatinnen durchliefen verschiedene Tests, welche die Jury – bestehend aus arabischen Geschäftsfrauen, Modedesignerinnen, Kosmetikexpertinnen sowie Universitätsdozentinnen – bewerteten. Die Jurymitglieder achteten auf soziales Verhalten, Disziplin, Allgemeinbildung und das Einhalten der Etikette.

Zu den Wettbewerbskriterien gehörten auch die geistige Reife der jungen Frauen und ihre Bereitschaft zum sozialen Engagement. Denn Aufgabe der Gewinnerinnen wird es sein, ein ganzes Jahr das Leid bedürftiger, elternloser und obdachloser Kinder in den von Unglück heimgesuchten Teilen der arabischen Welt zu lindern versuchen.

Gewinnerpreise waren Geschenke in Form von Parfüms, Kosmetika und Reisen im Wert von 15.000 US-Dollar.

Ablehnung durch Religionsgelehrte

Der Wettbewerb verlief jedoch nicht reibungslos. Ablehnende Stimmen waren zu vernehmen und Diskussionen wurden entfacht, nachdem eine Reihe konservativer Religionsgelehrter die Initiative verurteilte und sie als eine "neue Angriffsform" (auf die islamische Moral, Anm.d.Ü.) bezeichnete.

Die Religionshüter begründeten dies damit, dass die Verantwortlichen des Wettbewerbs denselben Modeunternehmen und Fernsehanstalten angehörten, die auch Wettbewerbe mit nackten Körpern ausrichteten. Derartige Veranstaltungen lehne das islamische Recht strikt ab.

Die Veranstalter hätten bei den Miss-Arab-World-Wahlen lediglich das Etikett geändert, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Die Geistlichen betonten, eine vorbildliche junge Frau zeichne sich aus islamischer Sicht durch schamhaftes Verhalten aus und nicht dadurch, dass sie ihre Reize zur Schau stelle und das Kopftuch als neues verführerisches Modeaccessoire benutze.

Nelly Youssef

Übersetzung aus dem Arabischen von Raoua Allaoui

© Qantara.de 2007

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