Aufstand gegen rechtsextreme Demagogen
Rechtspopulisten planen in vier Wochen in Köln einen Kongress gegen die angebliche Islamisierung Europas. Nun will ein breites Bündnis diesen "Antiislamisierungskongress" mit einer großen Gegendemonstration verhindern. Handelt es sich dabei um den Aufstand der Demokraten, der anständigen Bürger gegen diese rechtsextremen Demagogen?
Lale Akgün: So kann man das nennen. In Köln hat der Deutsche Gewerkschaftsbund sehr schnell nachdem bekannt wurde, dass Rechtspopulisten diesen unsäglichen Rassistenkongress planen, ein breites Bündnis von Demokraten unter dem Motto "Wir stellen uns quer – kein Rassismus" auf die Beine gestellt. Ich habe als eine der ersten den Aufruf des Bündnisses unterzeichnet, und mittlerweile haben über 600 Persönlichkeiten – Politiker, Künstler und Unternehmer – aus Köln das Gleiche getan. Das Bündnis wird am 19. und 20. September mit Demonstrationen und Veranstaltungen gegen den Kongress der Rechtspopulisten protestieren.
Werden Sie an dieser Gegendemonstration teilnehmen?
Akgün: So wie es für mich selbstverständlich war, den Aufruf des Bündnisses sofort zu unterzeichnen, so werde ich auch an der Demonstration teilnehmen. Ich hoffe, dass viele Kölner Bürgerinnen und Bürger dabei sein werden und damit Deutschland und der Welt zeigen: Köln ist und bleibt eine weltoffene Stadt – Rassismus hat in unserer Stadt keinen Platz!
Unter dem Motto "Wir stellen uns quer" haben Vertreter von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen gemeinsame Aktionen gegen diese Veranstaltung geplant. Die Bürger Köln treten für ein friedliches Miteinander ein – und vor allem für Toleranz. Was möchten Ihrer Ansicht nach diese Veranstalter mit diesem Kongress erreichen?
Akgün: Die Veranstalter nehmen den Moscheebau zum Anlass für ihre populistisch, rechte Politik eine Bühne zu bekommen. Sie haben den Islam als neues Feindbild entdeckt und versuchen nun die öffentliche Debatte um die Kölner Moschee als Mittel für ihre Zwecke zu nutzen, also um Aufmerksamkeit zu erregen.
Nun wir haben in Köln eine sachliche und gute Debatte und die Entscheidung für den Bau ist im Rat der Stadt Köln gefallen. Der Bau der Moschee wird Anfang nächsten Jahres beginnen und Ende 2010 werden die ersten Gläubigen in der Moschee beten können. Damit hat Köln ein Zeichen gesetzt, dass zur gelungenen Integration auch die Möglichkeit zu einer angemessenen Religionsausübung gehört. Trotzdem werden die Rechten in den zwei Tagen ihres so genannten Kongresses versuchen, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und gegen den Islam Stimmung zu machen. Aber ich bin überzeugt, dass sie dabei unter sich bleiben werden.
Es ist zu erwarten, dass bekannte rassistische Rechtesextreme wie der Vorsitzende der rechtsextremen französischen "Front National", Jean-Marie Le Pen, an diesem Kongress teilnehmen wird. Haben die europäischen Rechtextreme den "Islam" und die Muslime als neuen Feind auserkoren?
Akgün: Ja, leider. Rechtsextreme leben von ihren Feindbildern: Sie sind allem "Fremden", also den Ausländern und Migranten, aber zum Beispiel auch den Homosexuellen gegenüber, feindlich eingestellt und versuchen daraus politischen Nutzen zu ziehen. Seit einiger Zeit haben sie die Muslime und den Islam im besonderen Blickpunkt und damit ein neues Feindbild gefunden. Sie verbreiten dabei vielfach Unwahrheiten über den Islam. Das halte ich für eine gefährliche Tendenz, gegen die wir uns wehren müssen, durch Proteste, durch Bündnisse von Demokraten und durch Aufklärung der Bevölkerung.
Die Bundesregierung hat diesen Kongress scharf kritisiert und betont, die Veranstaltung der Rechtsextermen stehe im Gegensatz zu den Bemühungen der Bundesregierung, den interreligiösen und interkulturellen Dialog zu fördern. Wen repräsentieren die Veranstalter überhaupt?
Akgün: Das frage ich mich auch. Die Veranstalter versuchen gezielt einen falschen Eindruck zu erwecken, als würden sie für eine große Gruppe von Menschen aus ganz Europa sprechen. Das ist aber falsch! Ich denke, die Veranstalter und Teilnehmer des Kongresses sprechen hauptsächlich für sich selbst. Die ganz große Mehrheit der Kölner Bürger steht uneingeschränkt hinter dem Moscheebau in Köln, daran wird auch so ein Rassistenkongress nichts ändern. Den Rechtsextremen geht es ohnehin nicht um irgendwelche Inhalte, sie wollen hier nur auf sich aufmerksam machen.
Obwohl die Veranstalter gesellschaftlich isoliert sind und praktisch keinen Einfluss auf den politischen Entscheidungsfindungsprozess hierzulande ausüben, erlangen sie große mediale Aufmerksamkeit, insbesondere in einigen islamischen Ländern. Wie können wir möglichen Irritationen zwischen Europa und der islamischen Welt zuvorkommen?
Akgün: Zum Einen müssen wir als Demokraten in Köln und in ganz Deutschland kraftvoll zeigen, dass wir Rassismus und Extremismus in unserer Mitte nicht dulden. Die Bundesregierung hat das sehr deutlich ausgedrückt. Zum Anderen halte ich es für wichtig, dass in den islamischen Ländern ausführlich und differenziert über die genauen Zusammenhänge des so genannten Antiislamisierungskongresses und eben auch über die Proteste dagegen berichtet wird.
Dann entsteht ein richtiges Bild und es wird deutlich: Die Veranstalter des Antiislamisierungskongresses sind eine kleine versprengte Gruppe von Extremisten und Rassisten, sie sind nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung, und es handelt sich auch nicht um eine europaweite Bewegung gegen den Islam. Ich denke, dass diese Aufklärung durch Medien in den islamischen Ländern einen ganz wichtigen Beitrag zur Deeskalation leisten kann.
Interview: Loay Mudhoon
© Qantara.de 2008
Lale Akgün ist Bundestagsabgeordnete und Islam-Beauftragte der SPD. Sie leitete von 1997 bis 2001 das dem nordrhein-westfälischen Sozialministerium unterstellte Landeszentrum für Zuwanderung (LzZ).
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