Ramadan in Uniform

Unter den rund 250.000 Bundeswehrsoldaten sind schätzungsweise 1.000 Muslime. Im Ramadan müssen sie Beruf und Fasten in Einklang bringen – eine Belastungsprobe, wie Ulrike Hummel berichtet.

Von Ulrike Hummel

Chaouki Aakil ist Oberfeldwebel im Logistikbataillon. Bei Materialtransporten trägt er auch Verantwortung für Soldaten. Ein Konzentrationsabfall in heikler Situation sei da einfach nicht zu verantworten, sagt der 30-Jährige.

Das droht aber gerade im Ramadan, der am Dienstag (9.7.2013) begonnen hat. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sind gläubige Muslime zum Fasten angehalten. Wenn der Fastenmonat – wie dieses Jahr – in die Sommerzeit fällt, ist der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit besonders hart.

Schwere Entscheidung

"Gerade im Auslandseinsatz ist es schwierig. Ich habe entschieden, dass ich es zum Beispiel in Afghanistan nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann zu fasten." Denn als Bundeswehrsoldat ist man dort nicht nur der unerträglichen Hitze sowie körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt – es gilt auch, immer noch sensibel gegenüber der fremden Kultur zu bleiben.

Bundeswehreinsatztruppe auf Minensuche in Nordafghanistan (Foto: © picture-alliance/JOKER)
Ein Minenräumkommando bei der Arbeit in Nordafghanistan: Unter hohem psychischem und körperlichem Druck verrichten die Bundeswehrsoldaten ihren Dienst. Chaouki Aakil entschied, dass er unter diesen Umständen nicht fasten sollte.

​​Fasten oder nicht - für muslimische Soldaten ist das oft eine schwere Entscheidung, die letztlich jeder für sich treffen muss. Einerseits gehört die Fastenzeit zu den fünf Säulen des Islam und ist unbedingte Pflicht. Andererseits kann Fasten in Extremsituationen aus medizinischer Sicht äußerst problematisch werden, weiß Michael Faust, leitender Oberarzt in der Uniklinik Köln: "Bei den zum Teil sehr anstrengenden Einsätzen ist ein hohes Maß an Konzentration erforderlich. Da ist zumindest die Wasserzufuhr essenziell."

Hingegen könne man auch mal eine längere Zeit ohne Essen auskommen, wenn man die Kalorien entweder vorher oder nachher zu sich nehme, sagt er. "Das ist gesundheitlich zwar nicht besonders förderlich, aber es ist auch nicht wirklich dramatisch."

Religiöse Pflicht – mit Ausnahmen

Der Islamwissenschaftler Erol Pürlü (Foto: © VIKZ)
"Fastenzeit soll der Gesundheit dienen - nicht schaden", sagt Islamwissenschaftler Erol Pürlü.

​​Die Gewissensentscheidung bleibt. In einigen Fällen sind für gläubige Muslime Ausnahmen vorgesehen: "Kranke und Reisende, schwangere Frauen, stillende Mütter und ältere Menschen dürfen das Fasten aussetzen und zu späterer Zeit nachholen", sagt der Islamwissenschaftler und Seelsorger Erol Pürlü. Das gleiche gelte auch für Menschen in besonders belastenden Berufen. "Die Fastenzeit soll der Gesundheit des Menschen dienen und nicht schaden", so Pürlü.

In diesem Jahr ist Oberfeldwebel Chaouki Aakil in der Kaserne in Unna im Einsatz. Zur Dienstpflicht gehören hier regelmäßiger Sport und Schießübungen. Bei einer täglichen Fastenzeit von etwa 18 Stunden in diesem Jahr ist auch das eine Herausforderung.

"Halal" – im gesetzlichen Rahmen

Im Ramadan muss auch der Tagesablauf angepasst werden. "Natürlich ist das Fasten bei der Bundeswehr etwas schwieriger, weil es Truppenküchen gibt", sagt Aakil. "Da müssen die Essenszeiten im Vorfeld abgesprochen werden." Und weil der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs täglich ein paar Minuten früher einsetzt, ist beim Kantinenpersonal Flexibilität gefragt. Das funktioniere aber gut, versichert der Oberfeldwebel.

Auch beim Speiseplan hat sich die Bundeswehr umgestellt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten: Muslime können islamisch erlaubte Kost – die als "halal" bezeichnet wird – zu sich nehmen. Das heißt zum Beispiel, dass Gerichte weder Schweinefleisch noch Alkohol enthalten dürfen. Auch Nebenprodukte, etwa Gelatine, sind tabu.

Eine Bundeswehrkantine, hier in Kinshasa (Foto: picture-alliance/dpa)
Bundeswehrkantinen berücksichtigen verschiedene religiöse Essensvorschriften. Geschächtetes Fleisch kann allerdings aufgrund des Tierschutzgesetzes nicht angeboten werden.

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Je nach Herkunft oder Glaubensauslegung beschränken sich manche Muslime auch bei den erlaubten Fleischsorten nur auf geschächtetes Fleisch – ein heikles Thema. Das könnten die Truppenküchen der Bundeswehr nicht bieten, sagt Chaouki Aakil, da das Schächten ja gesetzlich verboten sei.

Separate Gabeln und Kellen

Insgesamt aber seien die Bundeswehrkantinen vielen anderen Großküchen einen Schritt voraus: "Hier bei uns in Unna wird das Essen getrennt zubereitet", so Aakil. Die Köche benützten separate Gabeln und Kellen und achteten darauf, dass das Fleisch nicht zusammen gelagert wird. "Und wenn wir mal zusammen grillen, haben die Köche stets eine Alufolie im Gepäck, damit Putenbrust nicht auf Bauchspeck trifft."

Wenn die Dienstpläne es erlauben, versucht Aakil, das tägliche Ritual des Fastenbrechens im Kreise der Familie zu begehen. Denn schließlich geht es im heiligen Monat um mehr als nur um Verzicht: Der Ramadan ist der Monat der "Umma", also der weltweiten muslimischen Gemeinschaft.

Die Fastenzeit hat eine hohe soziale Bedeutung: Muslime begehen das Fastenbrechen so oft wie möglich gemeinsam. Nicht zuletzt soll ein Fastender nachempfinden, wie arme Menschen täglich unter Hunger und Durst leiden, um ein Gefühl der Solidarität zu entwickeln.

Ulrike Hummel

© DW 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de