Tunesiens Frühling in Gefahr

Tunesien hat schon seit Jahren mit Extremisten zu kämpfen. Der jüngste Anschlag auf ausländische Touristen kommt somit nicht überraschend. Er trifft die junge Demokratie dennoch ins Mark. Von Anne Allmeling

Von Anne Allmeling

Das Auswärtige Amt hatte schon seit Wochen zur Vorsicht aufgerufen. Auf ihrer Homepage warnte die deutsche Behörde vor möglichen Anschlägen in Tunesien, so, wie es üblich ist, wenn ein Staat immer wieder von Terroristen attackiert wird. Zwar gilt das Land, gerade mit Blick auf seine nordafrikanischen Nachbarn Algerien und Libyen, als vergleichsweise friedlich. Doch genau das scheint den Anhängern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht zu passen.

Die Extremisten haben sich in einer Audio-Botschaft zu dem Angriff im Zentrum von Tunis bekannt. Unbekannte hatten am Mittwoch (18.03.2015) das Nationalmuseum in der Innenstadt gestürmt, einen Polizisten sowie 20 ausländische Touristen getötet.

Es war nicht der erste Anschlag in der tunesischen Hauptstadt seit Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings. Es war aber der mit den meisten Opfern. Dass dabei auch Touristen ums Leben kamen, trifft die junge Demokratie ins Mark.

Schwächelnde Wirtschaft

"Touristen sind ein ideales Ziel [für Terroristen]", sagt Isabelle Werenfels von der Stiftung Wissenschaft und Politik gegenüber der Tagesschau. "Wenn man Touristen trifft, dann richtet man noch sehr viel mehr Unheil an, als wenn man Sicherheitskräfte trifft." Der Grund: Tourismus gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Tunesiens. Bis Anfang 2011 galten die Bettenburgen an der Mittelmeerküste als wichtige Einnahmequelle für einen großen Teil der Bevölkerung.

Doch mit dem Sturz des langjährigen Machthabers Ben Ali und den folgenden Unruhen riss der Besucherstrom ab. Die ohnehin schlechte Wirtschaftslage, die zu Beginn des Arabischen Frühlings Tausende Tunesier auf die Straße getrieben hatte, verschlimmerte sich.

 Anteilnahme tunesischer Bürger für die Opfer des Terroranschlags auf das Bardo-Museum in Tunis; Foto: picture-alliance/AP Photo/Michel Euler
Tunesien in Schockstarre: Nach dem Terroranschlag versammelten sich zahlreiche Tunesier in der Innenstadt von Tunis um ihre Trauer und ihr Mitgefühl für die Opfer des Terrorattentats auszudrücken. Bei dem Anschlag im Nationalmuseum der Hauptstadt waren am Mittwoch 21 Menschen getötet worden.

Daran konnten auch die ersten demokratischen Wahlen im Land seit mehr als fünf Jahrzehnten nichts ändern. Monatelang rangen Islamisten, Anhänger des alten Regimes und säkulare Oppositionelle um die Macht. Ein zäher Prozess, der immer wieder zu scheitern drohte - vor allem nach den beiden tödlichen Anschlägen auf die Oppositionspolitiker Chokri Belaid und Mohamed Brahmi im Jahr 2013, als Tausende im Zentrum von Tunis gegen die Politik der Übergangsregierung protestierten.

Der Weg in die Demokratie

Anders als die anderen arabischen Republiken, deren Langzeitherrscher gestürzt wurden, blieb Tunesien aber auf dem Weg in Richtung Demokratie. Ein Meilenstein war die Verabschiedung einer neuen Verfassung zu Beginn des Jahres 2014, die nicht nur für die arabische Welt als vorbildlich gilt. Freie Parlaments- und Präsidentenwahlen, aus denen die säkulare Partei Nidaa Tounes als Sieger hervorging, vollendeten den Übergang in eine Demokratie.

Dass Nidaa Tounes dabei eine große Koalition mit der islamistischen Ennahda-Partei einging, gilt als Stärke der tunesischen Demokratie. Denn auch aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Parteien haben im demokratischen politischen Spektrum ihren Platz gefunden und werden als legitime politische Kraft akzeptiert.

Doch die Krisen und Kriege in den arabischen Nachbarländern wirken sich auch auf Tunesien aus. Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi hat sich das Nachbarland Libyen zu einem Bürgerkriegsstaat entwickelt. Zahlreiche Milizen bekämpfen sich gegenseitig und bedienen sich aus Gaddafis ehemaligen Waffenlagern. Islamistische Terroristen nutzen Libyen als Rückzugsort, operieren aber in ganz Nordafrika.

Sorge vor weiteren Anschlägen

Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi; Foto: Reuters/Z. Souissi
Den Feinden der jungen tunesischen Demokratie die Stirn bieten: Nach dem blutigen Angriff auf ein Museum in Tunis hat die tunesische Führung einen "gnadenlosen" Kampf gegen den Terror angekündigt. Präsident Béji Caïd Essebsi erklärte nach dem Anschlag, Tunesien werde "bis zum letzten Atemzug" gegen seine Gegner kämpfen.

Die tunesische Regierung von Beji Caid Essebsi hat die Sicherheit im Land zu einer ihrer Prioritäten erklärt. Nach Angaben des Innenministeriums vereitelten die Sicherheitskräfte im Februar eine groß angelegte Anschlagsserie und nahmen mehr als 30 Terrorverdächtige fest. Tunesier, die für den IS gekämpft haben sollen, bereiten der Bevölkerung besonders viel Sorge. Denn sie sind besonders zahlreich.

"Tunesien hat elf Millionen Einwohner, aber eine der größten Gruppen von Extremisten, die für den IS in Syrien und im Irak kämpfen sollen", sagt Ralf Erbel von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Tunis. "Etwa 3.000 junge Männer sollen dorthin gereist sein." Inzwischen hat sich der IS auch in Libyen festsetzen können. In den Reihen des libyschen IS-Ablegers sind viele Tunesier aktiv, deren Hochburg im Süden des Landes an der Grenze zu Libyen liegt.

Trotzdem reisen seit 2013 wieder mehr Touristen nach Tunesien. Die Wirtschaft zieht langsam an, die lang ersehnte Normalisierung des Alltags scheint in greifbarer Nähe zu sein. Doch genau die hat der Anschlag nun zerstört, mit unmittelbaren Folgen für die tunesische Wirtschaft: Zwei italienische Kreuzfahrtunternehmen haben bereits angekündigt, mit ihren Schiffen vorerst nicht mehr in Tunis anzulegen. Auch deutsche Reiseveranstalter wollen bei Tunesien-Reisen zunächst auf Ausflüge nach Tunis verzichten.

Ausländische Investoren, die Tunesien dringend braucht, werden vorerst wohl ebenfalls zurückhaltend bleiben. Eine Entwicklung, die den Terroristen in die Hände spielen dürfte. Denn Angst und wirtschaftliche Not könnte weitere Tunesier in die Fänge der IS-Miliz treiben.

Anne Allmeling

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