Bildung als Exportgut

Die Goldgräber scheinen aus aller Herren Länder an den Nil zu strömen. Private Universitäten sind ein lukratives Geschäft und schießen in Ägypten wie Pilze aus dem Boden. Ein Bericht von Frederik Richter.

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Die Deutsche Universität in Cairo - ist der Vertrauensvorschuss berechtigt?

​​Die Amerikaner sind schon lange da, die Franzosen und die Deutschen seit ein paar Semestern. Im Herbst eröffnen die Kanadier und die Briten ihre Hörsäle. Angekündigt haben sich jetzt auch noch die Russen, die Japaner, die Chinesen und die Rumänen.

Acht private Universitäten gibt es bereits, drei weitere eröffnen im Herbst. Ende April hat das ägyptische Hochschulministerium noch neun neuen privaten Uni-Projekten prinzipielle Zustimmung erteilt. Da es in Kairo inzwischen buchstäblich zu voll geworden ist, sind die neuen Projekte über das Land verteilt.

An zwölf staatlichen Hochschulen zwängen sich 2,2 Millionen Studenten auf ein Examen zu, oftmals ohne dabei echte akademische Lehre zu genießen.

"Man sehnt sich zurück nach einem anständigen Seminar", sagt Andreas Kecker, Student aus Berlin. Er studiert seit September an der Cairo University. "Es gibt nur Frontalunterricht, keine Diskussionen. Nur mit Auswendiglernen besteht man die Klausuren."

Ägyptische Unternehmen stellen oft genug diejenigen Absolventen ein, die auf Englisch einen Lebenslauf schreiben können. Dann fangen sie bei der Ausbildung bei Null an.

Bisher kaum eigenes akademisches Personal

Private Investoren kommen der ägyptischen Regierung da gerade recht, um die Hochschul-Misere etwas zu lindern, auch wenn bisher erst 30.000 Studenten an privaten Hochschulen studieren. "Die Regierung wollte auch die Hochschulbildung dem privaten Sektor öffnen", erinnert sich Abdallah Barakat, Vorsitzender des Supreme Council for Egyptian Universities.

Damit sorgt sie aber auch dafür, dass die privaten Unis außer mehr Platz im Hörsaal wenig anderes zu bieten haben. Sie können sich aus dem Lehrkörper der staatlichen Unis Professoren ausleihen und haben bis heute so gut wie kein eigenes akademisches Personal.

Um die wichtigsten Claims zu besetzen, bieten die privaten Unis immer wieder dieselben Fächer an, die in arabischen Ländern am höchsten angesehen sind: Medizin, Ingenieurswesen, Informationstechnologie und Betriebswirtschaft.

Überhaupt ging es in den ersten Jahren zu wie im Goldrausch, und jetzt bemüht sich die Regierung um Qualitätssicherung. "Am Anfang hatten viele Studenten nicht die richtigen Papiere", gibt sogar Abdallah Barakat zu.

Noch heute werden in Kairo unzählige Geschichten darüber erzählt, wie schwer es an einigen privaten Universitäten ist, durch Prüfungen zu rasseln.

"Die Studenten waren am Anfang nicht so gut wie auf der normalen Universität", sagt Aly Talaat, Dekan an der privaten 6th of October University, eine der vier ersten 1996 gegründeten privaten Universitäten. "Jetzt ist es genau das Gleiche, dank der staatlichen Kontrollen."

Vertrauensvorschuss für die deutsche Universität

Um sich aus der allgemeinen Misere abzuheben, setzen die ägyptischen Privatuniversitäten jetzt so sehr auf den Ruf ausländischer Bildung, dass bald kaum noch fremde Nationen als Namensgeber übrig zu bleiben scheinen. Vor allem mit ausländischen Abschlüssen wird gewunken. Aber auch Studentenaustausche, Gastprofessoren, ausländische Curricula und Lehrmethoden locken.

"Das ist meines Erachtens ein Eingeständnis des Scheiterns der eigenen Universitäten. Natürlich leisten die Ägypter ihren Beitrag, aber es bringt Qualitätssicherung und Management, das die Ägypter selbst nicht produzieren können", meint Alexander Haridi, Leiter des Kairoer DAAD-Büros.

"Die deutsche Uni hier genießt alles Vorschussvertrauen, das Deutschland genießt, ohne das im Bildungssektor ausprobiert zu haben. Man hat das bei der Waschmaschine und beim Sechszylinder ausprobiert, aber nicht bei der Bildung." Das gleiche gelte für die anderen Universitäten mit ausländischem Namen.

Ägyptische Privatinvestoren

Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. In Wirklichkeit stecken hinter den klangvollen Namen erst einmal ägyptische Investoren, die sich dann Partner im Ausland suchen.

Hauptinvestor der französischen Universität ist Telekom-Milliardär Naguib Sawiris von Orascom Telecom. Bei der britischen Universität ist es Teppich-Mogul Farid Khamis von Oriental Weavers. Bei der kanadischen Universität ist es der staatliche Al-Ahram Konzern, der sich mit einer eigenen Universität schmücken will. Nicht immer haben die Partnerländer auch tatsächlich etwas zu sagen, denn der Grad der Kooperation mit ausländischen Hochschulen variiert.

Bei der britischen Universität sollen tatsächlich 70 Prozent des Lehrkörpers von den beiden britischen Partneruniversitäten kommen. Bei den anderen ist es oft weit weniger als die Hälfte.

Auch die ägyptischen Unis, die keinen ausländischen Namen tragen, kooperieren mit ausländischen Hochschulen. Dadurch unterscheiden sie sich am ehesten von den staatlichen Hochschulen. Aly Talaat, der in Deutschland promoviert hat, hat eine Kooperation mit der Hochschule Paderborn angestoßen. Studenten der 6th of October University können dort einen Master of Science erwerben.

Bildung ist längst ein wichtiges Exportgut geworden, und überall in Europa und den USA sind Universitäten offen für Partnerschaften, gerade mit der arabischen Welt. Doch Ägypten, das noch das größte Hochschulsystem der arabischen Länder hat, bekommt Konkurrenz. Die Ölscheichs am Golf haben entdeckt, dass sich in den Wüstensand nicht nur glitzernde Hotels, sondern auch Universitäten setzen lassen.

Auch in Libanon und Jordanien, lange Zeit unterversorgt mit eigenen Hochschulen, schießen Hochschulen wie Pilze aus dem Boden. Ende April hat Bundesbildungsministerin Bulmahn in Amman den Grundstein für die Deutsch-Jordanische Hochschule gelegt, eine Kooperation zwischen jordanischen Investoren und der Hochschule Magdeburg.

Öffnung bewegt das System

"Wer Öffnung sagt, sagt auch zwingend Änderung der Qualität, weil die ausländischen Studenten bestimmte Wünsche äußern, und das bewegt das System", hofft Jean Marcou, Leiter der französischen Sektion der Cairo University und Koordinator des TEMPUS-Programms. Diese Initiative der EU soll universitäre Kooperationen zwischen den Mittelmeerländern fördern.

Marcou hat die Schwierigkeiten solcher Kooperationen erfahren, als er an der Cairo University den neuen einjährigen Master-Abschluß Euromed eingeführt hat. "Das Problem ist die Öffnung des ägyptischen Systems zur akademischen Globalisierung."

In Ägypten wird noch im Rhythmus vier Jahre Bachelor, zwei Jahre Master, vier Jahre Promotion studiert. Damit die Kooperationen dann auch in anerkannte Abschlüsse münden, muss sich Ägypten an den europäischen Bologna-Prozeß anschließen, der den Rhythmus drei-zwei-drei anstrebt. "Marokko ist da viel weiter", sagt Marcou.

Die Partneruniversitäten des Euromed sind Barcelona, Paris, Amsterdam – und die Berliner FU. "Ich würde niemals sagen, dass das für mich ein verlorenes Jahr war", meint Andreas Kecker. Die Begegnung mit ägyptischer Kultur und Religion, der Austausch mit Gleichaltrigen in Ägypten hat ihn fasziniert. "Akademische Sachen treten in den Hintergrund, erstklassige Lehre kann man hier nicht erwarten. Da braucht man an der Uni hier sehr viel Langmut."

Frederik Richter

© Qantara.de 2005

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