Im Fußball spielt die Herkunft keine Rolle

Der Fußballprofi Sami Khedira besitzt einen tunesischen und einen deutschen Pass. Der 21-Jährige Mittelfeldspieler vom VfB Stuttgart engagiert sich in seiner Freizeit für die Förderung der Integration von Jugendlichen. Bald wird er wohl auch im deutschen Nationaldress auflaufen. Ein Porträt von André Tucic

Von André Tucic

​​ Endlich hat die schnöde Winterpause ihr Ende gefunden. Wenn es nach dem Willen von Sami Khedira gegangen wäre, hätte sie auch gar nicht beginnen brauchen. Immerhin lief es in den letzten Hinrundenspielen blendend für den Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart. Am 17. Spieltag, beim 2:2 Unentschieden gegen den FC Bayern München, bestritt er die vermutlich beste Partie seiner Karriere: Er erzielte ein Flugkopfballtor und einen Treffer nach einem sagenhaften Volleyschuss in der Nachspielzeit. "Ich bin volles Risiko gegangen. So einen Ball haust du entweder ins Tor oder in den Neckar", sagte der Schütze zum Tor des Monats Dezember. Wenige Tage später, beim 3:0 Heimsieg gegen Standard Lüttich in der Gruppenphase des UEFA Pokals, gelang ihm erneut ein Tor. Von da an begann die leidige Wartezeit auf den Rückrundenauftakt.

Musterschüler mit Meistertitel

Jetzt, zum lang ersehnten Startschuss kann Khedira endlich wieder dort ansetzen, wo er aufgehört hat: Nämlich als der statistisch gesehen beste und mit fünf Saisontoren treffsicherste defensive Mittelfeldspieler ganz 'Fußballdeutschland' zu imponieren. Khedira gilt als zweikampf- und laufstarker Stratege, ausgestattet mit ausgefuchster Technik. Das Eigengewächs aus dem Stuttgarter-Jugendinternat genießt zudem den Ruf, fleißig, ehrgeizig und diszipliniert zu sein. Ein Musterschüler also, der mit den Schwaben schon B- und A-Jugend-Meister wurde und gleich in seiner ersten Profi-Saison den Meistertitel bejubeln konnte.

Sprung in die A-Nationalmannschaft?

Umso besser ist es nun um seine Laufbahn bestellt: Khedira hat 60 Bundesligaspiele für den VfB bestritten und auch dem Deutschen Fußballbund sind seine Fähigkeiten nicht verborgen geblieben. Für die U21-Nationalmannschaft absolvierte er zehn Spiele, bei denen er fünf Tore erzielte. Auch in der A-Nationalmannschaft könnte er bald eine tragende Rolle übernehmen. Einen

Sami Khedira; Foto: AP
Vor dem großen Sprung ins A-Team? VfB-Kickerstar Sami Khedira

​​ ersten Gehversuch im DFB-Dress sollte er bereits im August 2007 unternehmen. Denn er wurde für das Länderspiel gegen England nominiert, verletzte sich aber wenige Tage vor der Partie. Danach fiel er in ein Formtief, das bisher einzige seiner Karriere. Doch das gehört für Khedira zum Reifeprozess dazu. "Mein Selbstwertgefühl hängt nicht davon ab, ob ich im Stadion fünf Mal über den Ball gedroschen oder drei Tore gemacht habe", sagt er selbstbewusst.

Die tunesische Option

Hätte er sich für Tunesien, das Heimatland seines Vaters, entschieden, wäre er längst Nationalspieler. Doch mit diesem Gedanken hat Khedira nie gespielt. "In Tunesien sind die Umgangsformen viel lockerer als in Deutschland. Mir ist das immer wieder bei den Kindern aufgefallen, die dort freier aufwachsen, anders erzogen werden und frecher sind. Diese Mentalität ist mir teilweise fremd." Kein Wunder, Khedira ist im wohlbehüteten Oeffingen in Baden-Württemberg aufgewachsen.

Integrationsarbeit durch den Fußballsport

In seiner Freizeit ist Khedira hin und wieder auch als Handlungsreisender in

Sami Khedira vom VfB Stuttgart; Foto: AP
Hätte er sich für Tunesien, das Heimatland seines Vaters, entschieden, wäre er längst Nationalspieler - Autogrammstunde mit dem Kickerstar des VfB Stuttgart

​​Sachen Integrationsarbeit tätig. Im Rahmen der Aktion "Ballarbeit – Integration durch Fußball" war er beispielsweise als Repräsentant des VfB Stuttgart unterwegs. Dabei diskutierte er mit Schülern über die Erfahrungen, die er selbst im Laufe seiner Karriere mit dem Thema Integration gemacht hat. In der Welt des Fußballs spiele die Nationalität keine Rolle, hier zähle allein die Leistung – alles andere ist uninteressant, hieß es bei dem Event. Mit der zunehmenden Internationalisierung des Fußballs lässt sich dies auch kaum anders realisieren. In manchen Clubs stehen bisweilen überhaupt gar keine deutschen Spieler mehr auf dem Platz. In Khediras Verein, dem VfB Stuttgart, kicken derzeit Spieler aus zwölf Nationen.

Mit der Integration habe er persönlich keine Probleme gehabt, er hatte nie den Eindruck, dass man ihn aufgrund seiner Herkunft anders behandelt hätte als die anderen. "Es kommt immer darauf an, wie man sich selbst gibt", erklärt Khedira. "Wenn man sich integrieren will, klappt das auch."

 

André Tucic

© Qantara.de 2009