Von exzellent bis experimentell
Von den 16.832 Damaszener Wohnhäusern, die das Osmanische Jahrbuch von 1900 verzeichnet, stehen noch die Hälfte. Dass auch dieser Bestand gefährdet ist, bewegt immer mehr Privatleute zu Restaurierungsarbeiten. Ein begrüßenswertes, aber problematisches Unterfangen. Von Mona Sarkis
Vor gut zehn Jahren wurde das Restaurant Beit Jabri in einem traditionellen Damaszener Wohnhaus eröffnet und leitete damit einen Boom ein, den es noch heute anführt.
Und das nicht nur, weil seine 18 Meter hohe Haupthalle und die 23, über zwei Geschosse verteilten Räumen von Wasserpfeife bis Internet-Café alles bieten.
Es ist vor allem die Liebe zum historischen Detail, die auch den archäologischen Laien beeindruckt. Leicht war es nicht, die vorwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammende Substanz – der dreiflügelige Empfangsraum datiert von 1744 – zu restaurieren.
Schon gar nicht nach der Vorgeschichte, die Betreiber Raed Jabri noch immer erschaudern lässt: Bis 1973 hatte seine Familie das 1905 erstandene Haus bewohnt, musste es dann jedoch ob des zu teuren Unterhalts aufgeben. Die Erben zerstreuten sich, das Haus verfiel. Zuletzt besetzten es Fremde als Warenlager.
Eine Abwärtsspirale, die die meisten alten Damaszener Wohnhäuser durchliefen: Mitunter aus Unterhaltsgründen, meist aber weil die zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete "Nouvelle Ville" mit moderner Infrastruktur und großzügigen Straßenanlagen lockte und das zunehmend "verslummende" Gassengewirr der Altstadt vergleichsweise "minderwertig" erschien, verließen immer mehr Angehörige der Mittelschicht die Altstadt.
Vice versa setzte eine Zuwanderungsbewegung der armen Landbevölkerung ein. Leer stehende Häuser sowie zersprenkelte und uneinige Erben wie im Jabri-Fall oder Niedrigstmieten sowie Gesetze, die dem Vermieter lange wenig Handhabe gegenüber dem Mieter einräumten, taten ihr Übriges. Die Häuser verkamen.
Hakam Roukbi kann davon ein Lied singen. Vor anderthalb Jahren kaufte der Architekt das 3700 Quadratmeter umfassende Beit Farhi. In dem geschichtsträchtigen Anwesen, das im 18. Jahrhundert dem einflussreichen jüdischen Bankier Hayim Farhi gehört und in dem Suleiman Pascha nach seinem Feldzug gegen Damaskus 1810 übernachtet hatte, hausten in den vergangenen Jahren ca. 15 Familien - gleichzeitig.
Fehler und Fehlgriffe
Ab 2008 will sich der Bau mit seinen fünf Innenhöfen als First-Class-Hotel präsentieren. Ob auch erstklassig restauriert, wird sich zeigen.
Bassam al-Zreik, der im Auftrag der bekannten Thlass-Kheir-Familie seit drei Jahren das Beit al-Quwatli mit seinem einst atemberaubenden Spiegelsaal instand setzt, steht "restaurativen Anwandlungen" grundsätzlich skeptisch gegenüber. "Die Gesetzesvorgaben sind nicht strikt genug", klagt er, der seinen Posten als stellvertretender Kulturminister nach sechs Monaten an den Nagel hängte.
Beispiel Beton: In "bestimmten Mengen" sei der zugelassen. Doch was "bestimmt" bedeute, sei unbestimmt. Dabei schade nichts den traditionell leichten Baumaterialien mehr als der unfachmännische Einsatz von schwerem Beton.
So hätten sich im Beit al-Quwatli die Wände um bis zu 70 Zentimeter nach außen gebogen, da die historische Substanz aus Lehm und Pappelholz den in Eigenregie durchgeführten Erweiterungsbauten der Vorbewohner nicht standhielt.
Mit Zement verhielte es sich nicht anders: Der traditionelle Kalkstein könne, wenn mit Zement bedeckt, nicht mehr atmen und pulverisiere innerhalb weniger Jahre.
Hinzu käme das mitunter merkwürdige Dekorverständnis, das bereits das Juwel von Damaskus, die Umayyaden-Moschee, "verschönert" habe: Unter anderem seien römische Wände aus dem 1. Jahrhundert teilweise neu errichtet sowie Marmor aus dem 8. Jahrhundert und Brunnen aus dem 14 und 15. Jahrhundert durch moderne "Interpretationen” ersetzt worden, zählt Stefan Weber in seinem "Damaskus Risikoreport" von 2001/2002 auf.
Die schlecht restaurierten Boiserien in Damaskus berühmter Diskothek, dem Marmar im Christenviertel Bab Touma, sind vergleichsweise harmlos. Bedauerlich ist das Ergebnis der schnellen Investition in die Nostalgie dennoch: Das Marmar befindet sich in einem Haus, das in der Wende zum 17. Jahrhundert entstand.
Musealisierung als Chance
Es ist kaum zu leugnen, dass die klassische, fußläufige Orientstadt dem wachsenden Individualverkehr nicht standhalten kann. Der Trend zur "Musealisierung" in Form kleiner Oasen geht zweifelsohne auf Kosten des lebendigen Alltagsgefüges, das gerade die Damaszener Altstadt seit Menschengedenken ausmachte.
Dennoch könnte er wesentlich zu ihrer Rettung vor einer schleichenden Überplanung beitragen. Umso wichtiger, dass die Musealisierung wirklich das bewahrt, was hinter den Worten "vermutlich älteste kontinuierlich bewohnte Stadt der Welt" steckt.
So wie das Beit Al-Aqqad. Das Haus, das in mehreren Bauetappen auf einem römischen Theater entstand, wurde vom Dänischen Forschungs- und Kulturinstitut von 1996 bis 2000 mustergültig restauriert.
Angefangen von den Sternmedaillons in mamlukischer Tradition auf der Fassade des nördlichen Empfangraumes über den 14 Meter hohen Iwan aus dem 15. Jahrhundert und den Innenhof, der nach dem schweren Erdbeben von 1759 einen Arabeskeboden aus Basalt und Marmor erhielt, bis hin zum "Blauen Zimmer", das um 1860 aufwendig im "Türkischen Rokoko-Stil" renoviert worden war.
Auch das antike Bogenrelikt des Herodes-Theaters ist wieder in einem der Büros zu bestaunen. Vis-à-vis des Computers.
Mona Sarkis
© Qantara.de 2007
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