Business ohne Grenzen - junge Unternehmer in Palästina

In den palästinensischen Gebieten gehören Grenzen und Checkpoints zum Alltag. Doch inzwischen entstehen hier Start-ups, die diese Grenzen mit ihren Geschäftsideen überwinden und Menschen zusammenbringen. Von Manuela Kasper-Claridge

Sie braucht nicht lange, um ihr Geschäftsmodell zu erklären. Rowan Alawi holt ihr Mobiltelefon aus der Tasche und zeigt Fotos. Es sind Straßenbilder aus Ramallah und anderen Orten in den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland.

Alawi zeigt Männer, die an Straßen stehen oder sitzen und auf Arbeitsangebote warten. Es sind arbeitslose Bauarbeiter. "So viele Arbeiter in Palästina versuchen, Arbeit zu finden", erzählt sie. Gleichzeitig suchen Baufirmen ausgebildete Facharbeiter und finden sie nicht.

So entstand die Idee einer digitalen Plattform, auf der sich Bauarbeiter und Firmen registrieren können. Angebot und Nachfrage sollen so besser koordiniert werden. "Amalwork.com", heißt das Start-up, das Rowan Alawi gemeinsam mit ihrem Vater, einem Bauunternehmer, gründete. Bereits in den ersten zwei Monaten hatten sich 600 Bauarbeiter registriert. Schnell gab es erste Vermittlungen, für die Gebühren von den Baufirmen erhoben wurden.

Über Grenzen hinweg

Die junge Palästinenserin ist davon überzeugt, dass dank der Digitalisierung Grenzen überwunden werden können. Arbeiter nach Israel vermitteln, will sie aber nicht, denn es sei sehr schwer, an Arbeitsgenehmigungen zu kommen. Außerdem gebe es einen massiven Schwarzhandel mit diesen Genehmigungen.

Technologie und Innovation sehen immer mehr junge Menschen in den Palästinensischen Autonomiegebieten als Chance, um Arbeitsplätze zu schaffen und sich den Lebensunterhalt zu sichern. "Für Innovationen gibt es keine Begrenzung. Online können wir alle erreichen, und die Welt wird zu einem kleinen Dorf", betont Amani Abu Tair, Gründerin and CEO von "Wazza.Inc" in Jerusalem.

Grenzwall bei Bethlehem; Foto: DW/Kasper-Claridge
Digitalisation, the key to overcoming physical borders: "There are no limits to innovation. We believe the world is a small village and we can reach anybody online," emphasises Amani Abu Tair, founder and CEO of Wazza.Inc in Jerusalem. Wazza is a platform that uses artificial intelligence to help students learn. "We entrepreneurs from Palestine are working hard to create our future," she says. "I don't need to cross borders in the digital world"

Abu Tair ist eine Frau, so wie mehr als 20 Prozent der palästinensischen Gründer. Bereits mehrfach wurde sie ausgezeichnet, unter anderem als "Best innovator of Palestinian Innovation and Creativity." "Wazza" ist eine Plattform, die künstliche Intelligenz einsetzt, um Schüler und Studenten beim Lernen zu unterstützen. "Die palästinensischen Unternehmer arbeiten hart, um unsere Zukunft zu gestalten", betont sie.

Physische Grenzen kann ihr Unternehmen allerdings auch nicht überwinden. "Es ist richtig schwer, von Jerusalem nach Ramallah zu kommen. Da müssen wir durch mehrere Checkpoints. In der digitalen Welt muss ich keine Grenzen überwinden."

Lebendiges Ökosystem

Wie viele Start-ups es in den palästinensischen Autonomiegebieten gibt, ist unklar. Offizielle Zahlen sind nicht verfügbar. Amani Abu Tair ist gut vernetzt, und schätzt die Zahl auf mehrere hundert Start-ups. Sie berichtet von einem lebendigen Ökosystem, das in den letzten Jahren entstanden ist.

Heute leben rund fünf Millionen Menschen in den Autonomiegebieten, berichtet das "Palestinian Central Bureau of Statistics". Die Arbeitslosigkeit unter jungen Palästinensern liegt offiziell bei rund 27 Prozent, in der Realität ist sie eher noch höher. Ein Unternehmen zu gründen, ist deshalb durchaus attraktiv. Allerdings scheitert es oft am Kapital und an der Vernetzung.

Testlabor für die arabische Welt

Alijamil Ismail will das ändern. Seit 2018 arbeitet er beim "Flow Accelerator" in Ramallah. Sechs Start-ups werden dort unterstützt. Es gibt Mentoren, rechtliche Beratung und mehrere Risikokapitalgeber. "Unser Ziel ist ein One-Stop-Shop für Start-ups", betont Ismail, „und wir wollen ein funktionierendes Ökosystem für Start-ups in Palästina etablieren."

Investoren wurden bereits in Jordanien, Ägypten und der Schweiz gefunden, erzählt Ismail und ist verhalten optimistisch. "Wir haben nur begrenzten Zugang zum Rest der Welt, wir brauchen überall Visa. Aber wir können Palästina als Testlabor für unsere Produkte nutzen, die dann in der ganzen arabischen Welt funktionieren."

Manuela Kasper-Claridge

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