Investitionen im Sand
Die Regierung in Kairo tut sich schwer mit der wirtschaftlichen Erschließung einer Region, die eigentlich gute Voraussetzungen für Investitionen im Tourismus sowie in der Bau- und Landwirtschaft bietet. Über die Hintergründe berichtet Frederik Richter.
Wer mitten im Sinai die Sonne untergehen sieht, traut seinen Augen nicht: Das Licht, gebrochen von zerklüfteten Bergrücken, verändert sich von Minute zu Minute, spielt auf den roten Felsen, bis es so aussieht, als seien es die Berge selbst, die sich bewegten, sich mit dem Reisenden auf den Weg begeben, auf der Suche nach einer besseren Zukunft.
Stillstand auf dem Sinai
Doch der Eindruck täuscht, die Halbinsel kommt nicht voran, sondern stagniert in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung als Region, trotz ihres Potenzials im Tourismus und in der Landwirtschaft, trotz der vielen Bodenschätze und Mineralien.
Nach dem schweren Terror-Anschlag in Dahab vom vergangenen April, dem dritten auf der Halbinsel innerhalb von 18 Monaten, brach in der ägyptischen Presse daher eine heftige Debatte über die mangelnde Entwicklung auf der Halbinsel aus.
Saubere Strände, gesäumt von Palmen und endlosen Sanddünen soweit das Auge reicht. Doch die Straße an der Nordküste des Sinai zwischen Port Said und El Arish, etwa 40 Kilometer westlich des Gaza-Streifens, ist trotzdem nicht von florierenden Beach-Ressorts, sondern von ärmlichen Hütten gesäumt, die vor El Arish die Form heruntergekommener Mietshäuser annehmen.
Fehlende Infrastrukturprogramme
Viele Bewohner der Stadt haben noch immer kein fließendes Wasser, über 20 Jahre nachdem die Halbinsel von Israel an Ägypten zurückgegeben wurde. Auch die wenigen Ressorts am Mittelmeer müssen mit kontingentiertem Wasser auskommen.
Nennenswerte Investitionen in Infrastruktur und Tourismus gab es nur in Sharm El Sheikh am Roten Meer, wo die Korallen-Riffe mehr Touristen anziehen und wo auch Präsident Hosni Mubarak seine Zeit verbringt und mit internationalen Staatsgästen zusammentrifft.
Das Nationale Programm zur Entwicklung des Sinai hat zwar zur Entwicklung der Infrastruktur beigetragen, dennoch konnten damit kaum Investoren in die Region gelockt werden, abgesehen von einigen engagierten Visionären – wie z.B. Hassan Rattab, der unter anderem eine Zement-Fabrik in der Region betreibt.
"Der weiße Zement des Sinai ist wegen seiner Qualität ein Phänomen", berichtet Rattabs Berater Essam Zahran. Darüber hinaus bietet der Sinai hochwertigen Marmor, Granit sowie Silikonsand, aus dem sich Glas herstellen lässt.
Zurzeit wird der Sand für etwa zehn Dollar pro Tonne exportiert. Der Ertrag könnte auf 60 Dollar pro Tonne steigen, wenn er nur gewaschen und gepackt werden würde. Dieses Geschäft wird jetzt in der Türkei gemacht, von wo aus der Sand weiter nach Italien re-exportiert wird, weil auf dem Sinai Investitionen in entsprechende Anlagen fehlen.
Fruchtbare Böden
Einige Kilometer östlich des Suez-Kanals, in der Nähe von Ismailiya, liegt El Hoda – die größte landwirtschaftliche Produktion auf dem Sinai. In El Hoda werden viele Gemüse- und Obstsorten produziert und nach Europa exportiert. Denn Land ist auf dem Sinai billiger zu bekommen, und nirgendwo sonst in Ägypten gibt es so viele Sonnenstunden im Jahr.
"Deswegen kommen die Weintrauben hier sehr früh, und wir können sie auf dem Weltmarkt noch zu höheren Preisen verkaufen", sagt Mahmoud Nasser, Leiter der Farm. Auch Datteln, Pfirsiche, Aprikosen und vor allem Oliven lassen sich auf dem Sinai gut anbauen.
Kein anderes Gebiet im Mittelmeer erfüllt für den Oliven-Anbau so gute Voraussetzungen wie der Sinai. Doch um das lukrative Oliven-Öl zu gewinnen, braucht man viel Know-How und Investitionen, die erst langsam fließen.
Vor allem schafft die Regierung es nicht, ausreichend Wasser auf den Sinai zu leiten, um das enorme landwirtschaftliche Potenzial zu erschließen. Pläne für eine Verlängerung des Salam-Kanals, der Nil-Wasser unter dem Suez-Kanal hindurch weiter ins Innere der Halbinsel pumpt, bestehen seit Jahren – jedoch nur auf dem Papier.
Im Griff der Armee und des Sicherheitsapparats
Ein Grund, warum ägyptische Geschäftsleute vor Investitionen auf dem Sinai zurückschrecken, ist der Sicherheitsapparat, bestehend aus Armee, Polizei und Geheimdiensten, der die Halbinsel fest im Griff hat.
Ein Beamter des Regierungsdistrikts Nord-Sinai berichtet, dass über 20 Tourismus-Projekte auf eine Genehmigung der Armee warten, Land an der Mittelmeer-Küste nutzen zu dürfen.
Zwar sagen Geschäftsleute, die die Sicherheitsdienste auf dem Sinai kennen, dass diese die Entwicklung der Halbinsel als beste Sicherheitsgarantie betrachten. Doch das gilt wohl eher für einen "auswärtigen Feind", der durch ein dicht besiedeltes Gebiet nur langsamer vorrücken könnte.
Mit dem Terrorismus ist jetzt aber eine interne Bedrohung entstanden, die nur schwer zu fassen ist. Außerdem garantieren zum Beispiel die Sondergenehmigungen, die für viele Straßen benötigt werden, den Sicherheitsdiensten willkommene Sondereinnahmen, wie aus Schilderungen von Reisenden hervorgeht.
Frieden als Schlüssel für die Entwicklung des Sinai
Da die ägyptische Polizei schlecht ausgebildet und nur spärlich ausgerüstet ist, muss sie immer wieder auf unverhältnismäßige Methoden zurückgreifen, wie etwa ganze Straßen für den Warenverkehr sperren. Nach dem Anschlag auf ein Hotel in Taba im Oktober 2004 verhaftete sie wahllos Tausende Personen auf der Halbinsel.
Letztlich liegen die Grenzen für die Entwicklung des Sinai, der zwei Kontinente und zwei Meere miteinander verbindet, in der regionalen Entwicklung. Essan Zahran sagt, dass in den ursprünglichen Planungen Mitte der 90er Jahre, als der Friedensprozess seinen Höhepunkt erreichte, die gesamte Zement-Produktion in der Region verkauft werden sollte.
Heute ist es nur ein Drittel Zement, der vor Ort verkauft wird, ein weiteres wird in anderen Landesteilen Ägyptens vertrieben, ein weiteres exportiert. "Frieden wäre der Schlüssel für eine Entwicklung des Sinai. Was wir heute machen, sind nur Vor-Vorbereitungen", so Zahran.
Frederik Richter
© Qantara.de 2006
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