Die Kopftuch-Pionierin
Sie gilt als wieselflink, wendig und kopfballstark. Nicht umsonst ist die 15-jährige Muslimin palästinensischen Ursprungs ein verheißungsvolles Sturmtalent der dänischen U-16-Nationalmannschaft.
Binnen kurzer Zeit hat Zenab El-Khatib einen großen Medienrummel ausgelöst, sogar weit über Dänemark hinaus. Sehr ungewöhnlich jedoch, dass Frauenfußball so viel Öffentlichkeit erfährt, besonders was den Nachwuchsbereich anbelangt.
Doch von Zenab gibt es weitaus mehr zu berichten, als ihre Fertigkeiten am Ball und ihren ausgeprägten Torinstinkt: Die im Libanon geborene Dänin spielt mit Kopftuch – manchmal ein dunkelbraunes, dann wiederum ein weißes. "Das war meine eigene Entscheidung, meine Eltern haben damit nichts zu tun", gibt Zenab zu verstehen.
Weltoffene "Dansk Boldspil-Union"
Als sie sich vor etwas mehr als einem Jahr dazu entschlossen hat, ein Kopftuch zu tragen, wurde das bei ihrem Odenser Heimatverein "B1909/Fjordager IF" zu keinem Zeitpunkt kritisch beäugt, auch nicht in der Nachwuchs-Nationalmannschaft.
"Ich hatte ein bisschen Angst, dass über mich gelästert würde. Aber niemand hat etwas negatives gesagt", reüssiert die Kopftuch-Pionierin. Denn die "Dansk Boldspil-Union" (DBU) – die dänische Variante des DFB – gibt sich überaus weltoffen: Sie gestatten Zenab mittels einer Ausnahmegenehmigung, auf dem Spielfeld ein Kopftuch zu tragen.
Die FIFA sieht das anders. Denn laut Weltfußballverband haben religiöse Symbole wie Kopftuch oder Tschador auf dem Fußballplatz nichts verloren. Eine sehr dogmatische Haltung.
DBU-Verbandssprecher Lars Berendt allerdings hat eine differenzierte Sicht: "Eine stramm sitzende Kopfbedeckung muss nicht automatisch ein religiöses Symbol sein." Vielmehr sei es ein kulturelles Bekenntnis. "Auch ein Ronaldinho läuft auf dem Spielfeld mit einem Stirnband herum, obwohl von allen Spielern einer Mannschaft einheitliche Bekleidung gefordert wird", so Berendt.
Er findet es nur logisch, dass auch Zenab eine Kopfbedeckung tragen darf. Entscheidend sei, dass es sich um ein talentiertes Mädchen handelt, das den dänischen Fußball weiter nach vorne bringen könnte. Wer tüchtig genug sei, der dürfe eben für sein Land antreten – egal welcher Religion seine Eltern angehören, sagt Berendt mit überzeugender Selbstverständlichkeit. Eine sehr unaufgeregte Haltung der DBU.
Kritische "K-Frage"
Ein wenig überraschend ist das schon, gehört Dänemark nicht unbedingt zu den liberalen Ländern im Umgang mit der "K-Frage" – der in Europa aufkeimenden Kopftuch-Debatte.
So hat das Kopenhagener Parlament erst vor wenigen Monaten Richterinnen und Gerichtsmitarbeiterinnen verboten, bei der Arbeit ein Kopftuch zu tragen. Die Grundfeste der dänischen Kultur würden hierdurch gefährdet.
Weil man dies befürchtet, hat die rechtspopulistische DVP – Dänische Volkspartei – sogar via Anzeigenkampagne für ein generelles "Nein" zum Kopftuch in Dänemark plädiert. Und einer Tschador tragenden Abgeordneten drohte die der DVP angehörende Vize-Parlamentspräsidentin, im Kongress das Wort zu entziehen. Sehr naheliegend also, dass Zenab der Partei ein Dorn im Auge sein könnte.
Die 15-jährige Nachwuchshoffnung jedoch zeigt sich gänzlich unberührt: "Das Kopftuch stand für mich nie zur Debatte. Ich nehme es nicht ab. Wenn ich es in der Nationalmannschaft nicht tragen darf, muss ich halt aufhören." Eine erstaunlich eindeutige Position, angesichts populistischer Debatten, die sich in Dänemark rund ums Kopftuch drehen. "Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass es nicht akzeptiert wird, dass ich ein Kopftuch trage", so Zenab.
Doch weder wurde in den Massenmedien Polemik betrieben, noch hat die DVP mit einer Personenkampagne gegen Zenab aufgewartet – Kopftuch hin oder her. Ob es daran liegt, dass Dänemark eine viel versprechende Stürmerin in ihren Reihen hat, von der man sich noch einiges erhofft?
Novum auf internationalem Parkett
In Deutschland sind Fußballerinnen mit Kopftuch zwar nicht gang und gäbe, sie sind hier und dort aber durchaus anzutreffen. Etwa beim "BFC Türkiyemspor" oder auch bei "Al Dersimspor" – beide in Berlin-Kreuzberg beheimatet.
Letztere Mannschaft ist in der Dokumentation "Football Under Cover" zu sehen: Der Film erzählt die Geschichte vom Berliner-Frauenteam, das die iranische Nationalmannschaft vor drei Jahren zu einem Freundschaftsspiel herausforderte.
4.000 Zuschauerinnen verfolgten die auf beiden Seiten in Kopftuch und Trikot gehüllten Fußballerinnen, beäugt von den staatlichen Sittenwächterinnen. Die Welt hat also schon Fußballerinnen gesehen, die mit einem Sportkopftuch auf Torjagd gehen. Zenab hat somit das Rad nicht neu erfunden.
Aber es ist ein Novum, dass eine europäische Fußballnationalmannschaft mit einer Spielerin, umhüllt von einem Kopftuch aufläuft. Somit kann die schmächtige und zierliche Zenab El-Khatib gut und gerne als Kopftuch-Pionierin verstanden werden. Und wenn nichts Überraschendes geschieht, trägt sie in naher Zukunft den Dress der A-Nationalmannschaft – nicht ohne Kopftuch versteht sich.
André Tucic
© Qantara.de 2008
Qantara.de
Fußball im Iran
Kein Platzverweis mehr für Frauen?
Trotz ihrer Fußballbegeisterung haben Iranerinnen bisher kein Recht, Spiele live im Stadion mitzuverfolgen. Doch das soll sich jetzt ändern: Ausgerechnet Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad hat angeordnet, dass die iranischen Frauen künftig das Recht haben sollen, in einem abgetrennten Teil des Stadions bei Fußballspielen anwesend zu sein – eine Entscheidung, die jedoch auf heftigen Widerstand bei den konservativen Mullahs stößt. Von Shirin Jazaeri
Filmtipp "Football Under Cover"
Fußball unterm Kopftuch
Der Film "Football Under Cover" avancierte überraschend zum Geheimtipp der diesjährigen Berlinale. Er erzählt von der Begegnung eines Berliner Fußballclubs mit der Frauennationalmannschaft des Iran. Ariana Mirza hat sich den Film angesehen.
Internationales Frauenfußballteam in Berlin
"Kicken kannst du notfalls auch mit Kopftuch"
Hin und wieder begegnen sie noch Ablehnung und Vorurteilen, aber ihre Sportbegeisterung kennt keine Grenzen. Beim türkischen Club "Al Dersim Spor" in Berlin trainieren 18 Fußballerinnen aus 6 Nationen. Ariana Mirza berichtet über Frauen, die immer am Ball bleiben wollen.